(ots) - Die Handelskette Netto Marken-Discount will die
bayerische Lebensmittelbehörde auf juristischem Wege von der
Weitergabe einer gesundheitsrelevanten Information abhalten. Wie die
Verbraucherorganisation foodwatch erfuhr, ist die Edeka-Tochter vor
Gericht gezogen um zu verhindern, dass der Name eines nach
Behördenangaben mit potenziell krebserregenden Mineralölen belasteten
Adventskalenders öffentlich genannt wird. Das Verfahren gegen das
Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL)
ist bereits in zweiter Instanz vor dem Bayerischen
Verwaltungsgerichtshof anhängig (Az 20 CS 15.2677). Das LGL hatte per
Bescheid an diesem Montag angekündigt, Messergebnisse seiner
Untersuchung von Adventskalendern am heutigen Mittwoch an foodwatch
zu übermitteln und im Internet zu veröffentlichen. Dagegen geht Netto
Marken-Discount vor. Das Verwaltungsgericht Regensburg hatte den
Antrag binnen weniger Stunden zurückgewiesen (Az.: RO 5 S 15.2163),
dagegen legte das Unternehmen Beschwerde ein.
Da die Verbraucherorganisation dem Verfahren beigeladen ist, hat
sie jedoch die Schriftsätze der Netto-Anwälte per Fax erhalten - und
damit auch Kenntnis von den relevanten Informationen. Sie macht sie
daher unabhängig von einem endgültigen Gerichtsbeschluss ihrerseits
öffentlich. Aus den Unterlagen geht hervor, dass nach den Dokumenten
des LGL in folgendem Produkt riskante aromatische Mineralöle
nachgewiesen wurden:
Adventskalender "Santa Claus In Town",
hergestellt für Netto Marken-Discount
"Netto Marken-Discount und sein Lieferant sind dafür
verantwortlich, dass zahlreichen Kinder ein Gesundheitsrisiko beim
Verzehr der Schokolade aus den Adventskalendern zugemutet wird. Es
ist einfach nur widerlich, dass das Unternehmen jetzt auch noch
versucht, eine Information der Öffentlichkeit vor Weihnachten zu
verhindern", erklärte foodwatch-Sprecher Martin Rücker. "Für uns ist
es selbstverständlich, dass wir diese gesundheitsrelevanten
Informationen öffentlich machen, nachdem wir sie auf Umwegen erhalten
haben."
Nach Angaben des LGL ergab die Messung eine Konzentration von 0,6
mg/kg aromatische Mineralöle (MOAH) in der Schokolade. Da MOAH nach
Einschätzung der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA als potenziell
krebserregend und erbgutverändernd gelten, besteht ein Risiko bei
jeder noch so geringen Spur, einen sicheren Schwellenwert gibt es
nicht. Die Handelskette Real hatte erst kürzlich ein niedriger
belastetes Markenprodukt aus dem Verkauf genommen.
Das LGL hatte eigenen Angaben zufolge im November elf
Adventskalender analysiert. Über die Untersuchung hatte die Behörde
am 1. Dezember auf ihrer Internetseite berichtet, ohne dabei
Messdaten und ohne die Namen der getesteten bzw. belasteten Produkte
zu nennen. Die Kalender blieben also nicht nur im Verkauf, den
Verbraucherinnen und Verbrauchern wurde zudem vorenthalten, welche
Kalender verunreinigt sind. Eine Anfrage von foodwatch auf Nennung
der Namen ließen sowohl die Pressestelle des LGL als auch die des
Verbraucherschutzministeriums zunächst unbeantwortet. Am Donnerstag
der vergangenen Woche startete foodwatch daraufhin eine E-Mail-Aktion
unter www.adventskalender.foodwatch.de, über die in kurzer Zeit mehr
als 17.000 Menschen Ministerin Ulrike Scharf aufforderten, die Namen
öffentlich zu machen. Schließlich stellte foodwatch zudem einen
förmlichen Antrag unter Berufung auf das
Verbraucherinformationsgesetz (VIG). Das LGL gab dem Antrag statt und
setzte in einem "Eilverfahren" immerhin auch die für solche Fälle
geltenden Auskunftsfristen von zwei Monaten außer Kraft, die zu einer
Veröffentlichung der Angaben frühestens im Februar 2016 geführt
hätten. Zunächst jedoch bat die Behörde, wie beim VIG üblich, die
betroffenen Unternehmen um Stellungnahme, wodurch eine Information
der Öffentlichkeit weitere Tage nach hinten geschoben wurde.
Netto Marken-Discount ist nach Kenntnis von foodwatch das einzige
Unternehmen, dass auf juristischem Wege eine Veröffentlichung der
Angaben zu verhindern sucht. foodwatch geht davon aus, dass das LGL
noch am heutigen Mittwoch die Namen offenbar belasteten
Adventskalender anderer Hersteller übermitteln wird.
Dem LGL und dem bayerischen Verbraucherschutzministerium warf die
Verbraucherorganisation schwere Versäumnisse vor. "Bereits Ende
November hätten die Behörden in Bayern den Verkauf der belasteten
Kalender stoppen und die Öffentlichkeit informieren können",
kritisierte foodwatch-Sprecher Martin Rücker. "Das Lebensmittelrecht
gibt den Behörden die Möglichkeit, bei Gesundheitsgefahren sofort zu
handeln und sofort zu informieren - es verpflichtet sie aber nicht
dazu. Der Schildbürgerstreich rund um die Adventskalender zeigt, dass
sich dies dringend ändern muss." Erforderlich sei eine
bundesgesetzliche Klarstellung, dass Informationen über
Gesundheitsrisiken sofort aktiv von den Behörden verbreitet werden
müssen.
E-Mail-Aktion für einen besseren Schutz vor Mineralöl in
Lebensmitteln: www.mineraloel-aktion.foodwatch.de
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Quellen und weiterführende Informationen:
- LGL Bayern zur Adventskalender-Untersuchung:
www.tinyurl.com/advent-bayern
- Förmlicher VIG-Antrag von foodwatch an das LGL (11.12.):
www.tinyurl.com/vig-antrag-lgl
- foodwatch-Hintergrundpapier Mineral-Öl:
www.mineraloel-hintergrund.foodwatch.de
- Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) zu Mineralöl:
http://tinyurl.com/ovgvtkz
- EFSA Scientific Opinion: http://tinyurl.com/p9kausf
- Forschungsprojekt des BMELV 2012:
http://download.ble.de/09HS012.pdf
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Pressekontakt:
Martin Rücker
E-Mail: presse(at)foodwatch.de
Tel.: +49 (0)30 / 24 04 76 - 2 90