(ots) - Vor gut eineinhalb Jahrzehnten hat der damalige
Bundesaußenminister Joschka Fischer eine fulminante Rede über ein
"Kerneuropa", ein "Europa der zwei Geschwindigkeiten" gehalten. Das
kommt einem in den Sinn, wenn sich beim aktuellen EU-Gipfel einzelne
Mitgliedsstaaten inoffiziell als "Club der Willigen" konstituieren,
um vor allem die Flüchtlingsfrage voran zu bringen. Heute erscheint
es komplizierter denn je, ein Konglomerat von 28 Ländern, deren
wirtschaftliche Interessen und Vorstellungen von politischer Kultur
zu großen Teilen extrem weit auseinander liegen, zu einer wirklichen
Einheit zusammen zu fügen. Der große einigende Gedanke einer
Friedensunion muss bewahrt werden, aber Strukturen und
Entscheidungsprozesse müssen effizienter werden, um Lähmungen zu
verhindern. Eine existenzielle Frage wird nicht zuletzt sein, wie
sich das Verhältnis zu Staaten wie Ungarn und - ganz akut - Polen
entwickeln soll, wenn dort rechtsnationale Eskalationen stattfinden
und Grundrechte mit Füßen getreten werden. In Polen ist die neue
Regierung drauf und dran, den Verfassungsgerichtshof kalt zu stellen.
So simpel es klingen mag: Maßstab bleibt der Satz, dass die EU nur
als Solidar- und nicht als Zugewinngemeinschaft eine große Zukunft
hat. Das sollte auch eine ehemalige Weltmacht wie Großbritannien
erkennen. Es ist psychologisch verheerend, wenn London ausgerechnet
jetzt, da es um die dringend notwendige gerechte Verteilung von
Bürgerkriegsflüchtlingen geht, an Sozialleistungen für zuwandernde
EU-Bürger herummäkelt. Großbritannien ist eine Diva. Ihr Verbleib in
der EU ist für alle wichtig - was keine Blankovollmacht für jede
wilde Eskapade bedeutet.
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