(ots) - Die 2015 in Kraft getretenen gesetzlichen
Änderungen sind vielen Erwerbstätigen unbekannt
Auch ein Jahr nach Einführung der neuen Regelungen zur besseren
Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf glaubt die große Mehrheit
der erwerbstätigen Deutschen nicht, dass sich Beruf und Pflege gut
vereinbaren lassen. Lediglich 7 Prozent sind der Meinung, man könne
parallel zum Berufsleben gut oder sogar sehr gut für einen
pflegebedürftigen Angehörigen sorgen. Zwar ist das Gesetz faktisch in
Kraft getreten, aber noch nicht in der Erwerbsbevölkerung angekommen,
so das Fazit einer repräsentativen Erhebung der Stiftung Zentrum für
Qualität in der Pflege (ZQP).
"Zwar bieten die aktuellen gesetzlichen Regelungen vielfältige
Entlastungsmöglichkeiten, dennoch bleiben die Maßnahmen zu oft
ungenutzt, da viele Berufstätige noch nicht ausreichend über die
bestehenden Gesetze informiert sind", sagt Dr. Ralf Suhr,
Vorstandsvorsitzender des ZQP.
Auf die Frage, wie gut sich die Teilnehmer der ZQP-Umfrage über
die Regelungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege informiert
fühlen, antworteten 84 Prozent mit "eher schlecht" oder "sehr
schlecht". So ist zum Beispiel der großen Mehrheit die
Familienpflegezeit unbekannt (ebenfalls 84 Prozent), die einen
Rechtsanspruch auf reduzierte Arbeitszeit und teilweise Freistellung
vorsieht. Ähnliches gilt auch für die halbjährige Pflegezeit (82
Prozent) sowie die zehntägige Freistellung (72 Prozent). Selbst bei
Personen mit eigener Pflegeerfahrung gilt: Nicht einmal die Hälfte
kennt die verschiedenen Optionen.
Dabei würden womöglich mehr Menschen die Möglichkeiten nutzen,
wenn Sie besser darüber Bescheid wüssten - dies zeigt sich bei der
Familienpflegezeit: Je besser sich die Befragten über das Gesetz
informiert fühlen, desto eher können sie sich vorstellen, es auch in
Anspruch zu nehmen. Bei den gut informierten Befragten sind es 44
Prozent. Von denen, die ihre Kenntnisse als schlecht einschätzen,
würden sich lediglich 30 Prozent dafür entscheiden.
Zudem äußern Berufstätige, die keine Familienpflegezeit für sich
in Betracht ziehen, vielfältige Vorbehalte: 76 Prozent geben
finanzielle Gründe und 23 Prozent organisatorische Probleme an. Auch
die Angst vor beruflichen Nachteilen würden immerhin 43 Prozent davon
abhalten, die Familienpflegezeit tatsächlich zu nutzen. Zudem
bestehen nach wie vor Ängste, dass Vorgesetzte (19 Prozent) oder
Kollegen (9 Prozent) wenig Verständnis haben. "Unsere
Studienergebnisse zeigen auch, dass die Möglichkeiten der Politik,
die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege zu fördern, begrenzt sind.
Deshalb ist vor allem eine pflegesensible Unternehmenskultur
gefordert, um einen offeneren Umgang mit dem Thema Vereinbarkeit von
Beruf und Pflege zu ermöglichen. Aber auch um betrieblich passende
Unterstützungsangebote für Mitarbeiter anbieten zu können", so Suhr.
Weitere Informationen zur Studie sowie den neuen ZQP-Themenreport
zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf finden Sie unter www.zqp.de.
Der Report zeigt Unterstützungsmöglichkeiten auf und bietet eine
wissenschaftlich fundierte Bestandsaufnahme zur Lebenssituation
erwerbstätiger pflegender Angehöriger.
Methoden und Vorgehensweise
In der dieser Auswertung zugrundeliegenden, anonymen
Bevölkerungsbefragung wurden Einstellungen aus dem Themenbereich
"Vereinbarkeit von Pflege und Beruf" erhoben. Hierfür wurde vom 11.
bis 24. November 2015 eine repräsentative Stichprobe von 1008
berufstätigen Deutschen ab 18 Jahre befragt. Die statistische
Fehlertoleranz der Untersuchung liegt in der Gesamtstichprobe bei
+/-3 Prozentpunkten.
Hintergrundinformationen zum Gesetz
Für die Organisation und Übernahme der Pflege eines Angehörigen
sieht das Gesetz folgende Möglichkeiten vor:
- Kurzfristige 10-tägige Freistellung mit Lohnersatzleistung:
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben einen Rechtsanspruch
auf eine kurzfristige, maximal 10-tägige Freistellung für die
Organisation einer akut eingetretenen Pflegesituation eines
nahen Angehörigen. Sie erhalten in dieser Auszeit mit dem
Pflegeunterstützungsgeld eine Lohnersatzleistung in Höhe der
Leistung des Kinderkrankengeldes, das von der sozialen
Pflegeversicherung getragen wird. Als Bruttoleistung werden bis
zu 90 Prozent des ausgefallenen Nettoentgelts bezahlt.
- Pflegezeit als Rechtsanspruch mit zinslosem Darlehen:
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben einen Rechtsanspruch
auf maximal 6 Monate unbezahlte volle oder teilweise
Freistellung von der Arbeit, um sich um einen pflegebedürftigen
Angehörigen zu kümmern. Zur besseren Absicherung des
Lebensunterhalts in dieser Phase haben sie einen Anspruch auf
ein zinsloses, monatsweise ausgezahltes Darlehen, das sie nach
Ende der Pflegezeit in Raten zurückzahlen müssen.
- Familienpflegezeit als Rechtsanspruch mit zinslosem Darlehen:
Beschäftigte haben einen Rechtsanspruch auf eine teilweise
Freistellung von bis zu 24 Monaten, wenn sie einen
pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung
pflegen. Dabei muss eine Mindestarbeitszeit von 15 Stunden
wöchentlich eingehalten werden. Zur besseren Absicherung des
Lebensunterhalts während der reduzierten Arbeitszeit haben sie
einen Anspruch auf ein zinsloses Darlehen, das sie nach Ende der
Familienpflegezeit schrittweise zurückzahlen müssen.
- Kombination aus Pflegezeit und Familienpflegezeit: Die
Pflegezeit und die Familienpflegezeit können miteinander
verzahnt werden und auch ineinander übergehen. Die Gesamtdauer
aller Freistellungsmöglichkeiten beträgt zusammen höchstens 24
Monate. Zieht sich die Pflege länger als 24 Monate hin, können
mehrere Angehörige die Pflegezeit oder Familienpflegezeit nehmen
- nacheinander oder parallel.
- Begleitung in der letzten Lebensphase: Angehörige haben einen
Rechtsanspruch darauf, in der letzten Lebensphase des
pflegebedürftigen Familienmitglieds drei Monate lang weniger zu
arbeiten oder auch ganz auszusetzen. Sie können so für ihre
Angehörigen auf ihrem letzten Weg da sein. Auch sie haben einen
Anspruch auf das zinslose Darlehen.
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Torben Lenz
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