(ots) - Reporter ohne Grenzen appelliert an die Europäische
Union, die gravierenden Einschränkungen der Pressefreiheit in Polen
zu verurteilen und das Land zur Einhaltung europäischer Standards zu
verpflichten. Nach dem Ende Dezember verabschiedeten Mediengesetz
planen die mit absoluter Mehrheit regierenden Nationalkonservativen
weitere Schritte, um die reichweitenstärksten Medien im Land der
totalen Lenkung des Staates zu unterwerfen. Bei ihrer Sitzung am
morgigen Mittwoch diskutiert die Europäische Kommission, ob sie den
2014 neu eingeführten Rechtstaatsmechanismus aktiviert und prüft, ob
Polen mit den neuen Gesetzen gegen Grundwerte der EU verstößt.
"Würden die polnischen Gesetze in Deutschland gelten, könnte
Finanzminister Schäuble jederzeit die Intendanten der
öffentlich-rechtlichen Fernsehsender entlassen und durch eigene Leute
ersetzen", sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr in Berlin. "Das
ist eine Ungeheuerlichkeit, die europäischen Werten aufs Schärfste
widerspricht. Das muss die EU bei ihren Gesprächen am Mittwoch
unmissverständlich deutlich machen und Polen in die Schranken
weisen."
GESETZE ZUR TOTALEN KONTROLLE DER MEDIEN
Ende Dezember hatte das polnische Parlament im Eiltempo ein
Mediengesetz verabschiedet, dass die Eigenständigkeit des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der Nachrichtenagentur PAP
empfindlich einschränkt. Die Chefs der öffentlich-rechtlichen
Rundfunksender ernennt künftig nicht mehr der Nationale Rundfunkrat,
sondern der Minister für Staatsvermögen. Er kann die bisherigen
Intendanten jederzeit ohne Angaben von Gründen entlassen, ihre
Amtszeit läuft mit sofortiger Wirkung aus.
Damit nicht genug: Ein weiteres Gesetz zur Reform der Medien liegt
bereits in der Schublade und soll in den kommenden Monaten ins
Parlament kommen. Es sieht vor, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk
und die Nachrichtenagentur PAP in staatliche Institutionen
umzuwandeln, die traditionelle und christliche Werte vermitteln. Sie
sollen von einem Direktor geführt werden, der gleichzeitig auch
Chefredakteur ist. Die Arbeitsverträge sämtlicher Mitarbeiter der
betroffenen Medien sollen drei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes
ungültig werden. Den neuen Direktoren stünde es dann frei, die
Journalisten zu entlassen oder neue Arbeitsverträge abzuschließen.
Beaufsichtigen soll die staatlichen Medien ein fünfköpfiger Rat der
Volksmedien, dessen Mitglieder der Präsident und das ihm gefügige
Parlament ernennen. Damit hätte die national-konservative PiS-Partei
die absolute Kontrolle über die reichweitenstärksten Medien im Land.
REGIMETREUE JOURNALISTEN ÃœBERNEHMEN DEN RUNDFUNK
Aus Protest reichten die Direktoren mehrerer
öffentlich-rechtlicher Sender Anfang Januar ihren Rücktritt ein. Zum
neuen Chef des Fernsehsenders TVP ernannte die Regierung am 11.
Januar Jacek Kurski, der Lech Kaczynski bei der Präsidentschaftswahl
2005 als dessen Fernseh-Wahlkampfchef zum Sieg verholfen hatte. Neue
Indendantin des Polnischen Radios wurde die bisher eher unpolitische
Autorin Barbara Stanislawczyk. Kaum im Amt, entließ sie den
Chefredakteur des ersten polnischen Radiokanals, Kamil Dabrowa, wegen
angeblichen "Verstoßes gegen die journalistische Ethik". Aus Protest
hatte er seit der Verabschiedung des neuen Mediengesetztes zur vollen
Stunde abwechselnd die Europahymne und die polnische Nationalhymne im
Nachrichtenkanal spielen lassen.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Polen momentan auf
Platz 18 von 180 Staaten. Weitere Informationen über die Lage der
Journalisten und Medien in Polen finden Sie unter
www.reporter-ohne-grenzen.de/polen und http://en.rsf.org/poland.html.
Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen Ulrike Gruska / Christoph Dreyer
presse(at)reporter-ohne-grenzen.de www.reporter-ohne-grenzen.de/presse/
T: +49 (0)30 60 98 95 33-55
Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Ulrike Gruska / Christoph Dreyer
presse(at)reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de
T: +49 (0)30 609 895 33-55
F: +49 (0)30 202 15 10-29