(ots) - Der NABU hat im Verfahren zur Genehmigung
von 16 Windkraftanlagen bei Jördenstorf im Landkreis Rostock einen
wichtigen Etappensieg errungen. Das Verwaltungsgericht Schwerin hat
mit Beschluss vom 23. Dezember 2015 dem Eilantrag des NABU
Mecklenburg-Vorpommern vom 24. März 2015 stattgegeben und damit den
Baubeginn der Anlagen bis zur Entscheidung im Hauptverfahren
untersagt.
Der NABU klagt gegen die bereits erteilte Genehmigung, da im
Genehmigungsverfahren weder eine Umweltverträglichkeitsprüfung noch
eine Prüfung der Auswirkungen auf benachbarte europäische
Naturschutzgebiete durchgeführt wurde, obwohl der Windpark mitten in
einem der letzten verbliebenen Vorkommensschwerpunkte des seltenen
Schreiadlers in Deutschland gebaut werden soll.
Nach Ansicht des Gerichts hat die zuständige Genehmigungsbehörde,
das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres
Mecklenburg, wie vom NABU aufgezeigt, nur unzureichend geprüft, ob
eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) notwendig ist. Das Gericht
sieht die entsprechende UVP-Vorprüfung als mangelhaft an.
Insbesondere seien die Erfordernisse des Fledermausschutzes nicht
hinreichend geprüft worden.
Der NABU begrüßt diese Entscheidung. "Die UVP-Vorprüfung darf
nicht dazu dienen, die Umweltverträglichkeitsprüfung durch ein kurzes
informelles Verfahren hinter verschlossenen Türen zu ersetzen", sagte
NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. In der Vorprüfung ist
lediglich zu klären, ob negative Umweltauswirkungen offensichtlich
ausgeschlossen werden können. Kann dies in der Vorprüfung - wie hier
- nicht festgestellt werden, ist eine detaillierte
Umweltverträglichkeitsprüfung mit Öffentlichkeitsbeteiligung
durchzuführen.
"Wir erwarten, dass die zuständigen Behörden diese Entscheidung
des Verwaltungsgerichts als Signal verstehen, ihre Genehmigungspraxis
zu verändern", so NABU-Landesvorsitzender Mecklenburg-Vorpommern
Stefan Schwill. "Die Aushöhlung der gesetzlichen Regelungen zur
Umweltverträglichkeitsprüfung und der Verbändebeteiligung durch
vorschnelle und unrichtige Entscheidungen in der Vorprüfung muss
endlich beendet werden." Diese Art des Vorgehens verschleiert
Rechtsverstöße und verhindert die rechtliche Überprüfung durch die
Verwaltungsgerichte.
Hauptgrund für die Klage des NABU ist das Vorkommen von in
Deutschland sehr seltenen und stark bedrohten Schreiadlern in
unmittelbarer Umgebung der geplanten Anlagen. "15 der insgesamt nur
etwa 100 Brutpaare in Deutschland brüten in einem Umkreis von 15
Kilometern um die geplanten Anlagen, drei davon in weniger als sechs
Kilometer Entfernung. Nach den Fachempfehlungen der staatlichen
Vogelschutzwarten der Länder, dem sogenannten 'Helgoländer Papier',
sind aber regelmäßig mindestens sechs Kilometer Abstand zu
Schreiadler-Vorkommen zu halten", so Schwill weiter. Mögliche durch
das benachbarte EU-Vogelschutzgebiet geschützte Brutplätze des
Schreiadlers sind sogar nur wenig mehr als zwei Kilometer entfernt.
"Der Fall Jördenstorf steht exemplarisch für eine schlechte
Standortplanung und ein mit großen fachlichen und rechtlichen Mängeln
durchgeführtes Genehmigungsverfahren. Diese Genehmigung hätte aus
naturschutzrechtlichen Gründen niemals erteilt werden dürfen", so
NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.
Eine abschließende Klärung dieser wichtigen Grundsatzfragen wird
im Hauptsacheverfahren vor Gericht erfolgen. Aufgrund einer
Beschwerde des betroffenen Windparkbetreibers über den vom Gericht
verhängten einstweiligen Baustopp, geht aber zunächst das
Eilverfahren an die nächsthöhere Instanz, das Oberverwaltungsgericht
in Greifswald.
Mehr Infos:
· Zur Einreichung der Klage durch den NABU:
https://www.nabu.de/news/2015/03/18621.html/
· Zum aktualisierten "Helgoländer Papier" der staatlichen
Vogelschutzwarten: https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/energie/
erneuerbare-energien-energiewende/windenergie/06358.html
· Mehr Informationen zum Schreiadler: https://www.nabu.de/
tiere-und-pflanzen/aktionen-und-projekte/schreiadler/index.html
· Zu einer kürzlich ergangenen Entscheidung des EuGH, die
das Verbandsklagerechte von Umweltverbänden im Zusammenhang mit UVPs
stärkt: https://mecklenburg-vorpommern.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/
gesellschaft-und-politik/beteiligungen-und-klagen/19707.html
Pressekontakt:
Lars Lachmann, NABU-Vogelschutzexperte, Tel.: +49 (0)30.284984-1620,
Mobil: +49 (0)172.9108275, E-Mail: Lars.Lachmann(at)NABU.de
Martin Graffenberger, Vorstandsmitglied des NABU
Mecklenburg-Vorpommern, Tel.: +49 (0)38482.235064, Mobil: +49
(0)172.3935526, E-Mail: Martin.Graffenberger(at)NABU-MV.de