(ots) -
Die Europäische Union (EU) und europäische Regierungen haben nach
Ansicht von Ärzte ohne Grenzen in der Flüchtlingskrise 2015 versagt.
In einem heute veröffentlichten Bericht mit dem Titel "Obstacles
Course to Europe" beschreibt die internationale Hilfsorganisation
die Hindernisse, die die EU über einer Million Flüchtlingen,
Asylbewerbern und Migranten in Europa im vergangenen Jahr in den Weg
gelegt hat. Ärzte ohne Grenzen fordert weiterhin die Schaffung
sicherer Wege nach Europa.
"Die EU und die europäischen Regierungen haben in dieser Krise
kollektiv versagt", sagt Florian Westphal, Geschäftsführer von Ärzte
ohne Grenzen in Deutschland. "Der Fokus auf Abschreckung und die
chaotische Reaktion auf die humanitären Bedürfnisse der Flüchtenden
hat die Lage Tausender verletzlicher Frauen, Kinder und Männer nach
ihrer Ankunft in Italien und Griechenland und während ihrer Reise
durch die Balkanstaaten noch weiter verschlechtert."
Mithilfe von Zeugenaussagen von Mitarbeitern und Patienten von
Ärzte ohne Grenzen und medizinischen Daten aus dem Jahr 2015,
beschreibt der Bericht die humanitären Auswirkungen dieser
EU-Maßnahmen. Er macht deutlich, wie die Schutzwälle Europas Ärzte
ohne Grenzen und andere humanitäre Organisationen gezwungen haben,
ihre Hilfe an den Toren Europas massiv aufzustocken. Nie zuvor hatte
Ärzte ohne Grenzen so viele medizinische und humanitäre Projekte und
Mitarbeiter in Europa. Nie zuvor hat sich Ärzte ohne Grenzen dazu
entschieden, Such- und Rettungsschiffe zu mobilisieren, um auf hoher
See Leben zu retten.
"Die Tatsache, dass Menschen in Europa Sicherheit und ein besseres
Leben suchen, ist kein neues Phänomen, wir sind seit vielen Jahren
damit konfrontiert", sagt Brice de le Vingne, Leiter der
Projektabteilung von Ärzte ohne Grenzen in Brüssel. "Doch als sich
das Mittelmeer Anfang 2015 in ein Massengrab verwandelte, konnten wir
nicht vom Ufer aus zuschauen. In diesem Jahr, in 2016, müssen die
europäischen Länder Bilanz ziehen, welchen menschlichen Preis ihre
Politik gekostet hat. Sie müssen die Verantwortung dafür übernehmen
und aus ihren Fehlern lernen."
Die meisten Menschen sind 2015 vor Krieg und Verfolgung geflohen.
Dennoch hat die EU keine Alternative geschaffen zur tödlichen
Mittelmeerüberfahrt, zu den Stacheldrahtzäunen, den sich ständig
ändernden Registrierungsverfahren und den Gewalttaten auf hoher See
und an den Landesgrenzen. Stattdessen herrschten in Italien und
Griechenland völlig unzumutbare Aufnahmebedingungen. Ärzte ohne
Grenzen hat mehr als 100.000 medizinische und psychologische
Behandlungen durchgeführt und verfügt über eindrückliche
repräsentative Daten zu den Auswirkungen der EU-Hindernisse auf die
Gesundheit der Flüchtenden.
"Es hat ein neues Jahr begonnen, aber wir wissen, dass Menschen
weiterhin ihr Leben riskieren werden und keine restriktive Politik
sie davon abhalten wird, nach einer besseren Zukunft für sich und
ihre Familien zu suchen", sagt Aurelie Ponthieu, Migrationsexpertin
von Ärzte ohne Grenzen. "Wir fordern weiter die Schaffung sicherer
Wege nach Europa. Die EU darf nicht weiter mit dem Leben und der
Würde von Menschen spielen. Die Krise ist alles andere als vorbei und
die Flüchtlingshilfe in Italien, Griechenland und den Balkanstaaten
völlig unzureichend."
Pressekontakt:
Christiane Winje, 030 700 130 240, christiane.winje(at)berlin.msf.org
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