(ots) - Europaexperte Gerken: EU-Verfahren gegen Polen
greifen nicht
Sogenannter Rechtsstaatsmechanismus unter Mitgliedstaaten
umstritten - "EU wird weitere Krisen nicht überleben"
Osnabrück. Der Direktor des Centrums für Europäische Politik,
Lüder Gerken, bezweifelt, dass die Verfahren der Europäischen Union
(EU) gegen einzelne Mitgliedstaaten ein wirksames Instrument in der
Politik der EU sind. In einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker
Zeitung" (Mittwoch) sagte Gerken, die EU-Kommission brauche für die
Anwendung des sogenannten Rechtsstaatsmechanismus Einstimmigkeit im
Europäischen Rat. "Doch die Mitgliedstaaten halten davon nicht
sonderlich viel", erklärte der Freiburger Wissenschaftler.
"Großbritannien lehnt ihn ausdrücklich ab, Ungarn sowieso."
Die EU-Kommission hat kürzlich beschlossen, mit Polen erstmals den
Rechtsstaatsmechanismus anzuwenden. Dieses Verfahren soll dazu
dienen, die gemeinsamen europäischen Werte wie Meinungsfreiheit,
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu schützen. Im Fall einer
schwerwiegenden Verletzung kann die EU Sanktionen verhängen. Kritiker
werfen Polen eine Amputation des Verfassungsgerichts vor. Außerdem
halten sie es für fragwürdig, dass in dem Land die Intendanten der
öffentlich-rechtlichen Medienanstalten künftig nicht mehr von einem
pluralistisch besetzten Rundfunkrat bestellt werden, sondern von der
Regierung in Warschau.
Gerken nimmt an, dass es niemals zur Anwendung von Sanktionen
kommen wird. "Die meisten Mitgliedstaaten achten mit Argusaugen
darauf, dass die EU nicht in ihre nationale politische Ordnung
hineinfunkt", sagte der Wissenschaftler. Er befürchte, dass die
Europäische Union weitere Krisen nicht überleben wird.
Pressekontakt:
Neue Osnabrücker Zeitung
Redaktion
Telefon: +49(0)541/310 207