(ots) -
Vor fünf Jahren erhoben sich junge, unzufriedene Menschen gegen
repressive Regime. Bei Demonstrationen riskierten sie ihr Leben für
eine gerechtere, selbstbestimmte Zukunft. Darüber, was sich seitdem
verändert hat und wie die Krisen in der Region die Arbeitsweise von
Hilfsorganisationen verändern, spricht die Direktorin der Region
Mittlerer Osten und Nordafrika der SOS-Kinderdörfer, Alia Al-Dalli.
Der arabische Frühling war für viele junge Menschen die große
Hoffnung auf Veränderung. Wenn man sich die Situation in den
jeweiligen Ländern heute ansieht, hat sich diese Hoffnung wohl nicht
erfüllt. Sehen Sie trotzdem positive Entwicklungen, die mit dem
arabischen Frühling begannen?
Al-Dalli: Die Menschen in den arabischen Ländern haben gelernt,
was sie bewegen können, wenn sie sich vernetzen. Politischer
Aktivismus breiter Bevölkerungsschichten war in der Region bis dahin
nicht üblich. Das ist eine sehr positive Entwicklung. Außerdem ist
der arabische Frühling nicht beendet. Bis heute gibt es
Demonstrationen - mit einem wichtigen Unterschied: Sie sind
fokussiert und zielen auf konkrete Missstände wie Korruption ab. Die
arabische Gesellschaft lernt also und befindet sich in einer
beständigen Metamorphose.
Sie bauen also weiterhin darauf, dass die Veränderungen eintreten
und sich die Hoffnungen der jungen Menschen erfüllen?
Al-Dalli: Zu Beginn des arabischen Frühlings haben die Menschen
geglaubt, dass die gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungen
in kurzer Zeit erreicht werden könnten. Das war ein Irrtum. Außerdem
waren die Menschen, die da auf die Straße gingen, unorganisiert und
sind es leider größtenteils bis heute. Das muss sich ändern, wenn sie
ihre Ziele erreichen wollen. Und natürlich gibt es Rückschläge: Wir
beobachten, dass die Unterdrückung zugenommen hat und konservative
Strömungen populärer geworden sind. Aber die Gründe für die
Revolution - Ungleichheit und Ungerechtigkeit - sind noch immer da.
Das Feuer ist entfacht und wird so schnell auch nicht wieder
erlöschen.
Was kann eine Organisation wie die SOS-Kinderdörfer tun, um
Veränderungen zu unterstützen?
Al-Dalli: Frauen sind die absoluten Verlierer dieser Revolution.
Während der Demonstrationen des arabischen Frühlings wurde der
Aktivismus aus vielen Frauen buchstäblich herausgeprügelt. Viele
Gesetze werden heute viel konservativer ausgelegt und grenzen die
Bewegungsfreiheit von Frauen weit mehr ein. Hier müssen wir uns
verstärkt für die Rechte von Mädchen und Frauen einsetzen. Gleiche
Bildungschancen fördern. Durch Beratungen können wir legale Wege
aufzeigen, wie sich Frauen trotz konservativ ausgelegter Gesetze
emanzipieren können. Weiterhin fördern wir immer wieder Initiativen,
um Mädchen zu helfen, ihre Träume zu leben.
Aktuell finden die Friedensverhandlungen für Syrien statt, welche
Hoffnungen haben sie auf Frieden?
Al-Dalli: Ich fürchte, es sieht nicht gut aus. Lange war nicht
einmal klar, wer von den Konfliktparteien überhaupt mit am
Verhandlungstisch sitzen wird. Aus der Vergangenheit wissen wir, dass
Erfolge bei solchen Verhandlungen erst erzielt werden, wenn die
kriegsführenden Parteien mit ihrer Kraft am Ende sind, also keinen
anderen Ausweg mehr sehen. Soweit ist es in Syrien noch längst nicht.
Hörfunk: Ein sendefertiges Interview zum Thema "Arabischer
Frühling" können Radiosender auf der Website von Medienkontor gratis
herunterladen: medienkontor-audio.de/beitraege/sos-kinderdoerfer
http://www.medienkontor-audio.de/beitraege/detail.html?art_id=6844
Pressekontakt:
Louay Yassin
Pressesprecher
SOS-Kinderdörfer weltweit
Tel.: 089/179 14-259
E-Mail: louay.yassin(at)sos-kd.org
www.sos-kinderdoerfer.de