Im folgenden Artikel beschäftigt sich Manon Hotz, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Versicherungsrecht in Stuttgart, mit der Problematik der Art und dem Zeitpunkt der Zustellung von Kündigungsschreiben.
(firmenpresse) - Eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes gibt nun Anlass, ein stetig aktuelles Themengebiet aufzugreifen. Aus der langjährigen Erfahrung bei der Beratung von Arbeitnehmern sowie Arbeitgebern sind die Probleme in der Praxis rund um die Art sowie den Zeitpunkt der Zustellung einer Kündigung im Arbeitsverhältnis bekannt. Immer noch besteht weit verbreitet die Auffassung, die korrekte Vorgehensweise bei der Zustellung einer Kündigung sei das Einschreiben mit Rückschein. Auch die Zustellung einer Kündigung mit Einwurf-Einschreiben wird häufig durchgeführt. Dabei bringen diese Zustellungsarten gravierende Beweisprobleme für den Arbeitgeber mit sich, wenn er nachweisen muss, wann die Kündigung tatsächlich dem Arbeitnehmer zugegangen ist. Für den Arbeitnehmer ist es ebenfalls von Bedeutung, zu wissen, wann ihm die Kündigung als zugegangen gilt. Denn abhängig von diesem Zeitpunkt hat er exakt drei Wochen Zeit gegen die Kündigung mit der Kündigungsschutzklage vorzugehen. Wird der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unrichtig beurteilt, kann der Arbeitnehmer bereits aus diesem Grund die Kündigungsschutzklage verlieren.
Beim Einschreiben mit Rückschein/Übergabe-Einschreiben ist es maßgeblich, ob der Arbeitnehmer durch den Postboten angetroffen wird. Ist der Arbeitnehmer abwesend und hinterlässt der Postbote die Nachricht, es liege ein Einschreiben zur Abholung bereit, so geht die Kündigung erst dann zu, wenn der Arbeitnehmer das Schriftstück tatsächlich bei der Post abholt. Ist die Kündigung fristgebunden, das heißt, muss sie vor Ablauf der Probezeit oder innerhalb der zweiwöchigen Frist des §§ 626 Abs. 2 BGB (fristlose Kündigung) zugestellt werden, so kann dies für den Arbeitgeber weitreichende rechtliche Nachteile mit sich bringen, wenn der Arbeitnehmer die Kündigung gar nicht oder erst verspätet abholt.
Bei einem sogenannten Einwurf-Einschreiben wird das Kündigungsschreiben wie ein einfacher Brief in den Briefkasten eingeworfen. Dieser Umstand ist in der Regel online dokumentiert und abrufbar. Allerdings ist der von den Mitarbeitern der Zustellungsfirma erstellte Beleg im gerichtlichen Verfahren kein ausreichender Beweis, um den Kündigungszugang belegen zu können. Er stellt keine öffentliche Urkunde dar.
Es empfiehlt sich, eine Kündigung persönlich zu überreichen oder durch einen Boten zustellen zu lassen. Jedoch gilt es hierbei die Einzelheiten zu beachten. Der Bote muss die Kündigung dem Arbeitnehmer nicht zwingend persönlich übergeben, sondern er kann sie auch in den Briefkasten des Arbeitnehmers einwerfen. Hier ist jedoch Achtsamkeit geboten: Gelangt die Kündigung erst zu einer Tageszeit in den Briefkasten (oder auch in ein Postschließfach), so gilt die Zustellung erst dann als erfolgt, wenn nach den Gepflogenheiten des Verkehrs eine Entnahme oder Abholung durch den Adressaten erwartet werden kann. Gewöhnlich wird eine Kündigung, die am Nachmittag in den Briefkasten des Arbeitnehmers geworfen wird, nicht mehr rechtzeitig sein, um einen Zugang noch am gleichen Tag zu gewährleisten. Darauf kann es jedoch im Einzelfall gerade ankommen.
Vorsicht ist zudem geboten, wenn die Kündigung anderen Personen ausgehändigt wird, welche an der Adresse des Arbeitnehmers angetroffen werden. Hier ist ebenfalls nicht zwangsläufig von einer Zustellung auszugehen.
In der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 26.03.2015, AZR 483/14 hatte sich das Gericht unter anderem mit der Fragestellung zu beschäftigen, wann eine Kündigung unter Anwesenden zugeht. In der Entscheidung des BAG war einer Arbeitnehmerin in einem persönlichen Gespräch gesagt worden, sie werde eine betriebsbedingte Kündigung erhalten. Die weiteren Vorgänge dieses Gesprächs waren zwischen den Parteien streitig, haben das BAG jedoch veranlasst, generell zur Frage des Zugangs einer Kündigung unter Anwesenden Stellung zu nehmen.
So führte das Bundesarbeitsgericht aus, dass bei einer verkörperten Willenserklärung (Kündigung) es nicht darauf ankommt, ob der Empfänger die Verfügungsgewalt über das Schriftstück dauerhaft erlangt. Es reicht die Aushändigung sowie Übergabe aus, so dass er in der Lage ist, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Das Schreiben muss so in seine tatsächliche Verfügungsgewalt gelangen, dass er in der Lage ist, vom Erklärungsinhalt Kenntnis zu nehmen. Der Zugang einer verkörperten Willenserklärung unter Anwesenden ist daher auch dann bewirkt, wenn das Schreiben dem Empfänger mit der für ihn erkennbaren Absicht, es ihm zu übergeben, angereicht und, falls er die Entgegennahme ablehnt, so in seiner unmittelbaren Nähe abgelegt wird, dass er es ohne weiteres an sich nehmen sowie von seinem Inhalt Kenntnis nehmen kann. Es geht hingegen nicht zu, wenn es dem Empfänger zum Zweck der Übergabe zwar angereicht, jedoch von dem Erklärenden oder Überbringer wieder an sich genommen wird, weil der Empfänger die Annahme abgelehnt hat. In diesem Fall ist das Schriftstück zu keinem Zeitpunkt in dessen tatsächliche Verfügungsgewalt gelangt (BAG a.a.O. Rn. 20).
Verhindert der Empfänger durch eigenes Verhalten jedoch den Zugang einer Willenserklärung, so muss er sich so behandeln lassen, als sei ihm die Erklärung bereits zum Zeitpunkt des Übermittlungsversuchs zugegangen. Nach Treu und Glauben ist es ihm verwehrt, sich auf den späteren tatsächlichen Zugang zu berufen, wenn er selbst für die Verspätung die alleinige Ursache gesetzt hat.
Das Bundesarbeitsgericht hat sich auch mit der Frage beschäftigt, wann eine Kündigung unter Abwesenden zugeht. Auch hier kommt es auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme an, welche nach den gewöhnlichen Verhältnissen und den Gepflogenheiten des Verkehrs zu beurteilen ist. So bewirkt der Einwurf in einen Briefkasten den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. Hierbei ist nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen. Im Interesse der Rechtssicherheit ist vielmehr eine generalisierende Betrachtung geboten. Wenn für den Empfänger unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist es unerheblich, ob er daran durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit oder andere besondere Umstände einige Zeit gehindert war (BAG a.a.O. Rn. 37).
Im vorliegenden Fall hat das Bundesarbeitsgericht das Verfahren zurück an das Landesarbeitsgericht verwiesen, um die näheren Umstände der Frage des Zugangs der Kündigung zu klären.
Es gilt also vieles zu berücksichtigen: Der Arbeitgeber muss den Zugang der Kündigung beweisen können, der Arbeitnehmer muss erkennen können, wann der Zugang der Kündigung erfolgt ist, um zum richtigen Zeitpunkt die richtigen rechtlichen Schritte einleiten zu können. Wir helfen Ihnen hierbei!
Manon Hotz, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht
Die Anwaltskanzlei Schiefer&Schmid befindet sich bereits seit 1989 in Stuttgart West. Derzeit sind dort 7 Rechtsanwälte, darunter Fachanwälte für Versicherungsrecht und Arbeitsrecht tätig. Der Schwerpunkt der Tätigkeit der Kanzlei liegt im Transport- und Speditionsrecht, Markenrecht und Wettbewerbsrecht.
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