(ots) - Ab Weiberfastnacht verwandelt sich Köln genau wie die
anderen deutschen Karnevalshochburgen in ein buntes Meer aus
Kostümen, Umzugswagen und Kamelle. Ein hoher Lärmpegel gehört ebenso
zum Karneval wie der Tusch oder die Mutzen. Doch nicht jeder, der an
den zahlreichen Karnevalsumzügen durch die Kölner Innenstadt
teilnimmt, kann den frechen Zoten und dem farbenfrohen Getümmel
lauschen. Denn in Deutschland leben etwa 80.000 Gehörlose(1) und
knapp 16 Millionen Schwerhörige(2) - auch in und um Köln. Für diese
Menschen gibt es seit dem Jahr 2014 den Karnevalsverein "Jecke
Öhrcher".
"Sinn und Zweck unseres Vereins ist es, Gehörlosen oder
hörgeschädigten Menschen den Karneval näherzubringen, an dem sie
sonst vielleicht nicht teilnehmen würden", erklärt Udo Prell,
Präsident der Jecke Öhrcher und selbst Vater eines
hörbeeinträchtigten Kindes. Im Verein organisieren sich aktuell mehr
150 Mitglieder: normal hörende, schwerhörige, komplett gehörlose und
Mitglieder mit Cochlea-Implantat. "Wir sind ein positives Beispiel
für Inklusion, denn bei uns sind Hörende und Nicht-Hörende in einem
Verein gemeinsam aktiv", ergänzt Prell. Was sie alle verbindet? Sie
wollen nicht nur Karneval feiern, sondern auch Brauchtum wie Sprache
und Gesang pflegen und transportieren.
"Das Besondere an der Gehörlosigkeit: Man sieht sie nicht."
Die neunjährige Ella aus Köln-Sürth geht in die dritte Klasse und
liebt den Karneval - genauso wie ihre Altersgenossen. Doch sie hört
nicht wie andere Kinder. "Bei Ella wurde bereits in der zehnten
Lebenswoche eine mittelgradige Hörschädigung festgestellt", sagt ihre
Mutter Andrea Schöpper. "Zunächst haben wir es mit Hörgeräten
versucht, dann aber doch entschieden, ihr ein Cochlea Implantat
einsetzen zu lassen. Wir wollten ihr das Leben als lautsprachlichem
Menschen ermöglichen. Dank des Implantats kann Ella ganz normal hören
und kommunizieren." Andrea Schöpper ist im Cochlear-Implantat-Zentrum
an der Kölner Uniklinik auf die Jecke Öhrcher aufmerksam geworden und
engagiert sich ebenfalls im Verein. Beim Karnevalsumzug am Sonntag,
den 7. Februar, der durch die gesamte Kölner Innenstadt geht, wird
neben ihrer Tochter Ella auch der ganze Rest der Familie vor Ort
sein. "Da sind dann alle zusammen", lacht Schöpper.
Die Jecken verständigen sich untereinander auf ganz
unterschiedliche Art und Weise: Während die Mitglieder mit
Cochlea-Implantat so gut hören können wie Ella, ist für die
Gehörlosen ein Gebärdendolmetscher mit dabei. Andrea Schöpper wünscht
sich weniger Berührungsängste mit Hörverlust und einen
selbstverständlicheren Umgang mit Hörhilfen. So wie beispielsweise
mit einer Brille. "Das große Problem an der Gehörlosigkeit ist - man
sieht sie nicht. Deshalb ist es so wichtig, die Umwelt zu
integrieren, damit alle etwas offener damit umgehen," sagt Schöpper.
Im Karneval sind alle gleich
Dr. Ruth Lang-Roth ist Oberärztin und ärztliche Leitung des
Cochlear Implant Centrums an der HNO-Klinik am Universitätsklinikum
Köln und ebenfalls Mitglied der Jecke Öhrcher. "Ich mochte die Idee,
hörende und nicht hörende Menschen im Karneval zusammen zu bringen",
sagt sie. Viele Vereinskollegen sieht sie regelmäßig in ihrer
Sprechstunde, denn die meisten Mitglieder, die ein Cochlea-Implantat
tragen, wurden am Uniklinikum operiert. Dr. Lang-Roth genießt den
intensiven Austausch und die gemeinsamen Unternehmungen in der
Freizeit. Denn Karneval beginnt immer schon im Vorjahr: Den ganzen
Winter über bereiten sich die Jecke Öhrcher auf den Endspurt in den
Wochen vor Aschermittwoch vor - sie treffen sich, um die Kostüme zu
nähen, sammeln Ideen für die Gestaltung des Wagens und schmücken ihn
gemeinsam kurz vor dem Umzug durch Köln. Beim schon traditionellen
Schlittschuhlaufen um die Jahreswende treffen sich die Familien auf
der Eisfläche am Heumarkt - vor allem zur Freude der Kinder. "Wir
sind gelebte Inklusion", sagt Prof. Dr. Martin Walger, Leiter der
Audiologie und Pädaudiologie des Universitätsklinikums Köln und
natürlich auch Vereinsmitglied. "Ob normal hörend, hörgeräteversorgt
oder CI-implantiert - bei den Jecke Öhrcher haben alle ihren Spaß."
Gefahr für das Gehör
Durch die zahlreich im Verein vertretenen Mediziner und Experten
rund ums Hören sind die Jecke Öhrcher bestens auf die Karnevalsumzüge
vorbereitet. Denn bei allem Spaß und aller Freude, die die fünfte
Jahreszeit mit sich bringt, ist sie mitunter nicht ganz ungefährlich
- vor allem für das Gehör. Der Lärmpegel bei den vielen Umzügen durch
die Stadt darf nicht unterschätzt werden, warnen die Ärzte:
"Besonders gefährlich sind Impulsschalle, also kurzzeitig hohe
Pegel", so Prof. Walger. "Schon einzelne Ereignisse wie
Trillerpfeifen, Trompeten oder ähnliches können ohrnah zu einem
Hörschaden führen und beispielsweise lästige Ohrgeräusche (Tinnitus)
auslösen - das betrifft nicht nur Kinder, sondern alle
Altersklassen."
Lärmprotektoren wie Ohropax oder Ohrstöpsel helfen, den Lärm
effektiv zu minimieren, rät Walger. So lässt sich das bunte
Karnevalstreiben ganz unbeschwert genießen.
beat the silence - der Stille entgegentreten
Die Initiative beat the silence möchte Hörverlust als Barriere für
Kommunikation überwinden und Hilfe anbieten. Auf den verschiedenen
Kanälen der Initiative können sich Betroffene und deren Angehörige
über das Thema Hörverlust informieren und austauschen. Das Herzstück
der Initiative bildet die Website www.beat-the-silence.org. Dank
einer klaren und einfachen Navigationsstruktur werden die Besucher
über verschiedene Menüpunkte zu unterschiedlichsten Themen im
Zusammenhang mit dem Wert guten Hörens aufgeklärt. Neben der Website
kommuniziert die Initiative beat the silence vor allem über ihren
Facebook- und Twitter-Account sowie den eigenen YouTube-Channel.
Unterstützt wird beat the silence u.a. vom Hörimplantathersteller
MED-EL.
(1)Deutscher Gehörlosen-Bund e.V.
(2)Deutscher Schwerhörigenbund e.V.
Pressekontakt:
beat the silence
c/o Emanate GmbH
Holger Lappe
Theresienhöhe 12
D-80339 München
Telefon: 089 12445200
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