(ots) - Nach Berechnungen der Deutschen Umwelthilfe betrug
2015 die durchschnittliche Abweichung zwischen Herstellerangaben und
realen Werten in Deutschland 42 Prozent, in den USA dagegen nur drei
Prozent - Mercedes E-, A- und C-Klasse mit jeweils über 50 Prozent
Mehrverbrauch Spitzenreiter beim ICCT-Vergleich - 2,2 Milliarden Euro
Steuerausfall durch falsche Angaben in 2016 - Harvey Rosenfield von
der amerikanischen Verbraucherschutzorganisation Consumer Watchdog
erläutert Zusammenspiel mit amerikanischen Behörden zur Aufdeckung
von falschen Spritverbrauchsangaben der Autobauer -
Bundesverkehrsminister Dobrindt verhöhnt Luftreinhaltung:
VW-Pritschenwagen Amarok nach Softwareupdate schmutziger und
durstiger
Seitdem in Deutschland der CO2-Ausstoß über die Höhe der
Kfz-Steuer entscheidet, melden die Autohersteller immer
unrealistischere Verbrauchswerte an die Zulassungsbehörden.
Gleichzeitig weigert sich das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA), die
Herstellerangaben nachzuprüfen und falsche Werte zu korrigieren. In
der Folge findet derzeit anstelle eines Wettbewerbs um die beste
verfügbare Technologie zur Emissionsminderung ein Wettkampf um immer
gewagtere, illegale Tricksereien statt, der den Autokäufern, der
Umwelt und dem Staat schadet. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert
deshalb die Einrichtung einer von der Autolobby unabhängigen Stelle
beim Umweltbundesamt, die falsche Spritverbrauchsangaben überprüft
und konkreten Beschwerden von Autohaltern nachgeht.
DUH-Untersuchungen der TOP-25 Pkw-Zulassungen für das Jahr 2015
haben ergeben, dass die Abweichungen zwischen Herstellerangaben und
Realverbrauch auf durchschnittlich 42 Prozent angewachsen sind. Laut
Transport and Environment (T&E) auf Datenbasis von ICCT schneidet
Mercedes mit der E-, A- und C-Klasse und Abweichungen von jeweils
über 50 Prozent am schlechtesten ab, gefolgt vom 5er BMW mit über 45
Prozent. Nach Berechnungen der DUH betragen die Mehrkosten für den
Autohalter über die Nutzungsdauer eines Fahrzeugs circa 4.000 bis
6.000 Euro. Der finanzielle Schaden durch Steuermindereinnahmen
beträgt in diesem Jahr 2,2 Milliarden Euro.
Gemeinsam mit dem Gründer der amerikanischen
Verbraucherschutzorganisation Consumer Watchdog, Harvey Rosenfield,
präsentierte die DUH heute (24.2.2016) in Berlin, wie amerikanische
Verbraucherschutzverbände und Behörden aufgrund besserer
Verbraucherschutzrechte erfolgreich gegen Falschangaben von
Fahrzeugherstellern beim Spritverbrauch vorgehen. Durch eine 2012 von
Consumer Watchdog angestrengte Sammelklage gegen Kia und Hyundai
gelang es beispielsweise, für 900.000 betroffene Autobesitzer eine
finanzielle Kompensation und eine Korrektur der amtlichen
Verbrauchsangaben durchzusetzen und die amerikanischen Behörden
seitdem zu regelmäßigen Kontrollen von Neufahrzeugen zu bewegen. Weil
ihre Fahrzeuge signifikant erhöhte Verbrauchswerte aufwiesen, mussten
Kia und Hyundai eine Strafe von 300 Millionen US-Dollar an die
Environmental Protection Agency (EPA) sowie mehrere hundert Millionen
US-Dollar Schadenersatz an die betroffenen Autohalter zahlen.
"Wir fordern für Deutschland verbesserte Klagemöglichkeiten nach
amerikanischen Vorbild für den Autohalter wie für Umwelt- und
Verbraucherschutzverbände, um einen wirksamen Verbraucherschutz bei
falschen Spritverbrauchs-,CO2- und sonstigen Schadstoffemissionen vor
Gericht durchsetzen zu können. Die Erfolge von Consumer Watchdog
zeigen, wie wirksamer Verbraucherschutz aussehen kann. Darüber hinaus
sollte analog zur EPA in den USA das Umweltbundesamt behördliche
Nachprüfungen der Herstellerangaben vornehmen. Das
Kraftfahrtbundesamt ist hierfür gänzlich ungeeignet", so Jürgen
Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH. "Doch anstatt den Millionen
betroffenen Autofahrern bei der Durchsetzung ihrer Rechte gegenüber
den Autokonzernen zu helfen verweigert Deutschland die seit Jahren
vorgeschriebenen behördlichen Kontrollen und wirkungsvolle Sanktionen
und verzichtet auf 2,2 Milliarden Euro Steuereinnahmen."
"Das Recht der amerikanischen Verbraucher, gemeinsam in
Gruppenklagen ihre Interessen gegen die Hersteller vor Gericht
durchzusetzen, ist der einzige Weg, um die Menschen vor dem Betrug
der Autobauer zu schützen", sagte Harvey Rosenfield.
In den vergangenen Jahren wurden in den USA auch Ford, BMW und
Daimler mit falschen Spritverbrauchsangaben auffällig und mussten
diese auf Druck der US-Behörden korrigieren. Die vom Staat
durchgeführten Kontrollen, die transparente und sofortige
Veröffentlichung der entdeckten Werte und abschreckend hohe Strafen
führen heute in den USA dazu, dass die offiziellen Spritverbräuche
nur um drei Prozent über den Herstellerangaben liegen.
In Deutschland dagegen werden seit fünf Jahren die Neufahrzeuge
nur noch auf dem Papier sauberer. Nach offiziellen Angaben des
Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) ging der CO2-Ausstoß der Neuwagenflotte
zwischen 2009 bis 2014 von 154 auf 133 g CO2/km zurück. Korrigiert
man diese offiziellen Werte allerdings um die von Jahr zu Jahr
stärkeren Abweichungen, stiegen die realen CO2-Emissionen zwischen
2009 und 2014 sogar von 184 g CO2/km auf 186 g CO2/km an.
Mitverantwortlich dafür sind immer stärkere Motoren und der Trend zu
schweren SUVs.
Wie wenig Bundesverkehrsminister Dobrindt eine Verbesserung der
Luftqualität interessiert, zeigt der derzeit durchgeführte Rückruf
und das Softwareupdate beim VW Pritschenwagen Amarok. Nach Recherchen
der DUH existieren offensichtlich keinerlei Vorgaben, auf welchen
NOx-Wert die Dieselabgase abgesenkt werden müssen. Erste Messungen
von Leistungsdaten und Emissionen des Fahrzeugs durch ein britisches
Testlabor im Auftrag des Magazins "Auto, Motor und Sport" zeigen nach
dem Softwareupdate ein "Motor-Doping": Die Beschleunigung von 0 auf
100 km/h wurde um knapp eine Sekunde verkürzt, der Motor hat mehr
Drehmoment bekommen. Der Autohalter bezahlt diese Leistungssteigerung
mit einem Spritmehrverbrauch von 0,5 bis 0,7 Liter/100 km. Und die
die Gesundheit bedrohenden hohen NOx-Emissionen von 1.500 erhöhten
sich durch das Softwareupdate sogar noch um 20 mg/km.
Da sich das KBA seit Oktober 2015 weigert, die technischen
Auflagen zum VW-Rückruf offenzulegen, hat die DUH am 22. Januar 2016
Untätigkeitsklage gegen die Bundesrepublik Deutschland erhoben.
Links:
Die ICCT-Studie "From laboratory to road: a 2015 update":
http://l.duh.de/icct2015
Die T&E-Studie "Mind the Gap 2015": http://l.duh.de/te2015
Hintergrundmaterial und ein Lebenslauf von Harvey Rosenfield:
http://l.duh.de/p240216
Pressekontakt:
Jürgen Resch, DUH-Bundesgeschäftsführer
Mobil: 0171 3649170, E-Mail: resch(at)duh.de
Harvey Rosenfield, Consumer Watchdog
E-Mail: harvey(at)consumerwatchdog.org; www.consumerwatchdog.org
Daniel Hufeisen, DUH-Pressesprecher
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