(ots) -
Statt, wie geplant, Stellen zu streichen, hat die Landesregierung
in Baden-Württemberg zum Beginn des aktuellen Schuljahres 713 neue
Lehrerstellen zur Integration von Flüchtlingskindern geschaffen. Mit
78 % findet die übergroße Mehrheit der Eltern schulpflichtiger Kinder
in Baden-Württemberg dies richtig. Zwei Drittel (66 %) der Eltern
sind der Meinung, dass diese zusätzlichen Lehrerstellen nicht
ausreichen werden, um den Anforderungen an den Schulen gerecht zu
werden. Dies zeigt die erste regionale JAKO-O Bildungsstudie, die
heute in Stuttgart präsentiert wurde. Für die repräsentative Umfrage
wurden im Januar und Februar 2016 in Baden-Württemberg 500 Eltern
schulpflichtiger Kinder im Alter von bis zu 16 Jahren vom
Meinungsforschungsinstitut Mentefactum - in Zusammenarbeit mit TNS
Emnid - befragt.
Unter den Befürwortern zusätzlicher Lehrerstellen sind Eltern mit
Abitur (87 %) deutlich stärker vertreten als Eltern mit
Hauptschulabschluss (70 %). Am niedrigsten liegt die Zustimmung bei
den Migranten (58 %). "Implizit fordern die 66 %, die der Meinung
sind, dies reiche nicht aus, zusätzliche Anstrengungen von der
Landesregierung. Die Eltern sind der Überzeugung, dass weit mehr für
die Beschulung dieser Kinder geleistet werden muss", sagte der
Bildungsforscher Prof. em. Dr. Klaus-Jürgen Tillmann von der
Universität Bielefeld bei der Präsentation der Studienergebnisse in
Stuttgart.
Projekt "Gemeinschaftsschule" weiter umstritten
271 öffentliche Gemeinschaftsschulen gab es im August letzten
Jahres in Baden-Württemberg. Dieses auch im Wahlkampf besonders
umstrittene Projekt stößt bei den Eltern zwar auf ein gespaltenes,
aber mehrheitlich positives Echo: 57 % halten es für richtig, 42 %
für falsch. "Trotz der oft negativen Berichterstattung der
vergangenen Monate ist mehr als die Hälfte der Eltern überzeugt von
einem System des gemeinsamen, schulformübergreifenden Lernens.
Dennoch steckt die Brisanz im unterschiedlichen Meinungsbild
einzelner Elterngruppen. So fällt das Urteil der Gymnasialeltern
deutlich negativ aus. Dagegen wünschen sich Eltern mit Grund- bzw.
Realschulkindern mit ebenso klarer Mehrheit das gemeinsame Lernen",
sagte Klaus-Peter Schöppner von Mentefactum.
Mehrheit gegen den Wegfall der verbindlichen
Schullaufbahnempfehlung
Eine deutliche Mehrheit (60 %) der Eltern schulpflichtiger Kinder
spricht sich gegen die unlängst in Baden-Württemberg vollzogene
Abschaffung der verbindlichen Schullaufbahnempfehlung nach der
vierten Klasse aus. Nur 37 % begrüßen die nun eingeführte freie
Elternentscheidung. "Es ist erstaunlich, dass diese Maßnahme der
grün-roten Landesregierung von der Mehrheit der Eltern abgelehnt
wird, obwohl sie ihnen mehr Rechte überträgt", sagte Tillmann. Die
Ablehnung findet sich vor allem bei den Eltern, deren Kind bereits
ein Gymnasium besucht (73 %), während sich bei den Grundschuleltern
Befürwortung und Ablehnung in etwa die Waage halten.
Angebot an Ganztagsschulen ausweiten
Nur noch eine Minderheit der Eltern in Baden-Württemberg wünscht
sich für ihr Kind eine Halbtagsschule. Die große Mehrheit (64 %)
spricht sich für eine Ganztagsschule aus. Dabei findet das offene
Konzept mit 37 % mehr Zustimmung als das gebundene (27 %). "Die
Ursache für dieses Votum liegt sicher auch im Wandel der Berufs- und
Geschlechterrollen. Immer häufiger sind beide Elternteile
berufstätig, sodass die Kinder in einer Ganztagsschule betreut werden
müssen", sagte Tillmann. "Aber auch die Familien, in denen ein
Elternteil halbtags oder gar nicht berufstätig ist, fordern
mehrheitlich eine Ganztagsschule." Offensichtlich, so der Experte,
werde die Ganztagsschule also auch wegen ihres pädagogischen Werts
gewählt. Gleichzeitig fordert die große Mehrheit der Eltern (71 %)
den weiteren Ausbau des Angebotes an Ganztagsschulen - was auch als
Ziel der aktuellen Bildungspolitik in Baden-Württemberg formuliert
wurde.
Zu viele Hausaufgaben für Eltern
"Es bestürzt mich, auch hier bestätigt zu sehen, wie viel uns
Eltern abverlangt wird, wenn es um den Schulbesuch unserer Kinder
geht. Neben unseren Jobs, der Hausarbeit, dem familiären Management
und allem was sonst noch so anfällt, verlassen sich unsere Schulen
auch weiterhin darauf, dass wir ihnen Arbeit abnehmen", sagte Dr.
Carsten T. Rees vom Landeselternbeirat Baden-Württemberg. Seiner
Kritik zugrunde liegen die 66 % der Eltern, die in der Umfrage sagen,
sie müssten vieles von dem leisten, was eigentlich Aufgabe der Schule
ist. So helfen 75 % der Eltern in Baden-Württemberg gezielt vor
Referaten und Klassenarbeiten. 63 % kontrollieren die Hausaufgaben
und 59 % erarbeiten mit ihren Kindern den Lernstoff des Unterrichts.
Inklusion: Ja, aber!
Die von der grün-roten Landesregierung vollzogene Abschaffung der
Sonderschulpflicht für behinderte Kinder halten zwei Drittel (66 %)
der Eltern in Baden-Württemberg für sinnvoll. Auch einer gemeinsamen
Beschulung von behinderten und nicht-behinderten Kindern stehen sie
überwiegend positiv gegenüber. Allerdings ist die Zustimmung abhängig
von der Art der Behinderung. So befürworten die Eltern vor allem den
gemeinsamen Unterricht von nicht-behinderten mit körperlich
behinderten Kindern (86 %) und mit Kindern mit Lernschwierigkeiten
(72 %). Bei verhaltensauffälligen oder geistig behinderten Kindern
fällt die Befürwortung mit je 44 % deutlich verhaltener aus. Rees:
"Das uninformierte Zusammentreffen mit dem je Anderen kann zu
Verunsicherung und zu Ängsten führen. Die Zahlen sind ein wichtiges
Indiz für die zentrale Bedeutung guter und umfassender Information
der Eltern an inklusiven Schulen."
Schüler gehen gern zur Schule
Alles in allem geht der allergrößte Teil (82 %) der Schüler und
Schülerinnen in Baden-Württemberg gern zur Schule - zumindest meinen
das die Eltern. 6 % der Grundschuleltern sagen, ihr Kind ginge ungern
zur Schule. Hingegen glauben 21 % der Gymnasialeltern, dass ihr Kind
nicht gern im Unterricht sitzt.
Druckfähige Ergebnisgrafiken und Bildmaterial können hier
heruntergeladen werden:
http://bit.ly/jako-o_bildungsstudieregional_BW
Pressekontakt:
Volker Clément
MasterMedia GmbH
Tel.: 040 507113-40
E-Mail: clement(at)mastermedia.de