(ots) - Der NABU kritisiert die häufige
Missachtung des Artenschutzes bei der Genehmigung von
Windkraftanlagen, insbesondere in Brutrevieren des seltenen
Schreiadlers. "Gleich mehrere geplante oder zum Teil schon genehmigte
Anlagen widersprechen ganz offensichtlich geltenden
Artenschutzvorgaben und hätten überhaupt nicht genehmigt werden
dürfen", sagt NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Der NABU
unterstützt den naturverträglichen Ausbau der Windenergie, aber
kritisiert dass seitens der Windkraftplaner auch dann noch an Anlagen
festgehalten werde, wenn Fachgutachten bereits belegen, dass sie
artenschutzrechtlich nicht genehmigungsfähig sind.
Aktuelle Beispiele aus Mecklenburg-Vorpommern werden in der heute
erscheinenden Ausgabe der Fachzeitschrift "Der Falke" detailliert
erörtert. Dabei handelt es sich u. a. um das Windeignungsgebiet
Gnoien im Landkreis Rostock, das sich in unmittelbarer Nähe von
weniger als 300 Metern zu einem Schreiadlerhorst befindet.
Entsprechend der vom Land festgelegten "Tierökologischen
Abstandskriterien" von mindestens 3.000 Metern zum nächsten Horst
attestierte ein beauftragter Gutachter dem Gebiet 2013, dass ein
Windpark in diesem Gebiet nicht genehmigungsfähig sei. Damit wollte
sich das Windkraftunternehmen jedoch nicht zufrieden geben und
beauftragte daraufhin einen weiteren Gutachter. "Wir halten es für
äußerst ungünstig, dass die Gutachter von den Investoren selbst
beauftragt werden. Dadurch werden diese Genehmigungsverfahren immer
intransparenter", so NABU-Vogelschutzexperte Lars Lachmann. "Solche
Gutachten machen eine objektive Bewertung der artenschutzrechtlichen
Belange durch die zuständige Behörde fast unmöglich." Der NABU
fordert stattdessen ein gebührenfinanziertes System, bei dem der
Windkraftbetreiber zwar weiterhin die Gutachten bezahlt, die Vergabe
aber durch die unabhängigen Genehmigungsbehörden erfolgt.
Ein aktueller Fall, in dem der NABU Mecklenburg-Vorpommern eben
diese Intransparenz scharf kritisiert, ist das Windeignungsgebiet
"Ferdinandshof" im Gebiet der Friedländer Großen Wiese. "Die
ausgelegten Unterlagen, insbesondere der Umweltbericht, sind in einem
Maß unvollständig, dass eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den
Umweltauswirkungen gar nicht möglich ist", so NABU-Landesvorsitzender
Stefan Schwill. "Angaben zu Arten und Anzahl der im Umfeld der
Planungsfläche lebenden Vögel und Fledermäuse sind in den ausgelegten
Unterlagen nicht zu finden. Dabei ist das Vorkommen des stark
bedrohten Schreiadlers im Gebiet bekannt, ebenso wie mehrere
Seeadler- und Weißstorchhorste. Außerdem befindet sich die für die
Windkraftnutzung vorgesehene Fläche in einem Hauptflugkorridor
zwischen den Schlaf- und Nahrungsplätzen Tausender jährlich in diesem
Gebiet rastenden Wasservögel. "Dies müsste aus den Unterlagen der
Gutachter klar hervorgehen. Ausführliche Monitoringergebnisse haben
die Windplaner jedoch nicht vorgelegt. Es liegt der Verdacht nahe,
dass hier Konflikte mit dem Artenschutzrecht bewusst verschleiert
werden sollen", so Schwill.
Zunehmend beobachten Naturschützer auch die Zerstörung von
Greifvogelhorsten. Ein Bericht über drei Fälle, in denen die
Zerstörung von Schreiadlerhorsten im Umfeld geplanter
Windkraftanlagen dokumentiert wurde, befindet sich ebenfalls in der
aktuellen Ausgabe des Fachblatts "Der Falke". Zwei davon ereigneten
sich in Mecklenburg-Vorpommern. "Ein Skandal. Es kann nicht sein,
dass unliebsame Fakten auf diese Art und Weise einfach aus dem Weg
geräumt werden, damit eine Planung genehmigt wird", so Stefan
Schwill.
Fachliche Empfehlungen in der Planungsphase berücksichtigen
Nur noch etwa 100 Brutpaare des seltenen Schreiadlers brüten in
Deutschland, davon rund Dreiviertel in Mecklenburg-Vorpommern, das
damit eine besondere Verantwortung für den Schutz dieser
Greifvogelart hat. Aufgrund der hohen Gefährdung der Art durch
Windkraftanlagen empfiehlt der von den staatlichen Vogelschutzwarten
erarbeitete Fachstandard, das sogenannte Helgoländer Papier, über die
aktuelle Landesregelung hinaus sogar einen Mindestabstand von sechs
Kilometern zwischen Windrädern und Schreiadlerhorsten und das
gänzliche Freihalten der wenigen Verbreitungszentren des
Schreiadlers. "Um den Windplanern eine höhere Planungssicherheit zu
ermöglichen, und Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, appellieren wir
an alle Planungsbehörden und Investoren, bereits bei der Ausweisung
von Eignungsgebieten und der Standortwahl die fachlichen Empfehlungen
zum Abstand von bekannten wichtigen Vogelvorkommen zu
berücksichtigen", so Vogelschutzexperte Lachmann.
Mehr Infos
https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/energie/erneuerbare-ener
gien-energiewende/windenergie/06358.html
Pressekontakt:
Lars Lachmann, NABU-Vogelschutzexperte, Tel.: +49 (0)30.284984-1620,
Mobil: +49 (0)172.9108275, E-Mail: Lars.Lachmann(at)NABU.de
Martin Graffenberger, Vorstandsmitglied NABU Mecklenburg-Vorpommern,
Tel.: 038482 - 235064, E-Mail: Martin.Graffenberger(at)NABU-MV.de