(ots) - Vor dem Hintergrund der gewaltsam durchgesetzten
staatlichen Übernahme der türkischen Zeitung Zaman fordert Reporter
ohne Grenzen (ROG) klare Worte von Bundeskanzlerin Angela Merkel beim
EU-Türkei-Gipfel am kommenden Montag. Dazu erklärt
ROG-Geschäftsführer Christian Mihr:
"Das dröhnende Schweigen der Bundesregierung zum Vorgehen der
Türkei gegen kritische Medien ist unerträglich. Was muss eigentlich
noch passieren, damit die Bundesregierung klare Worte zu den immer
dreisteren Einschränkungen jeder freien Berichterstattung findet? Von
diesem Gipfel darf nicht das verheerende Signal ausgehen, dass die EU
über jede Menschenrechtsverletzung hinwegsieht, wenn es um
Zugeständnisse in der Flüchtlingspolitik geht.
Mit der Übernahme der größten oppositionellen Zeitung haben die
staatlichen Eingriffe in die Pressefreiheit in der Türkei ein neues
Niveau erreicht. Dieses illegale, eindeutig politisch motivierte
Vorgehen zeigt, dass Präsident Erdogan keine Schamgrenze mehr bei der
Unterdrückung jeder Kritik an seiner Regierung kennt."
VORGEHEN GEGEN ZAMAN IST KEIN EINZELFALL
Das jetzige Vorgehen gegen Zaman ist kein Einzelfall. Schon Ende
Oktober hatte die Staatsanwaltschaft den regierungskritischen
Medienkonzern Koza Ipek unter staatliche Aufsicht gestellt, zu dem
die Fernsehsender Kanaltürk und Bugün TV sowie die Zeitung Bugün
gehören (http://t1p.de/cmye). Vergangenen Montag gaben die Behörden
bekannt, der beschlagnahmte Konzern habe "wegen ständiger Verluste
und Kapitalaufzehrung" den Betrieb eingestellt (http://t1p.de/6tjq).
Vergangenen Sonntag hatte Präsident Recep Tayyip Erdogan sich
offen gegen die Entscheidung des türkischen Verfassungsgerichts
gestellt, die Untersuchungshaft des Chefredakteurs der Zeitung
Cumhuriyet, Can Dündar, sowie von Cumhuriyets Hauptstadtbüroleiter
Erdem Gül aufzuheben. Er werde "weder der Entscheidung Folge leisten,
noch habe ich Respekt vor ihr" (http://t1p.de/ltgi). Die beiden
Journalisten waren seit 26. November 2015 wegen unbelegter Spionage-
und Terrorismusvorwürfe in Haft, weil ihre Zeitung Indizien für eine
mutmaßliche Beteiligung des türkischen Geheimdienstes an
Waffenlieferungen an Islamisten in Syrien veröffentlicht hatte.
Der Prozess gegen Dündar und Gül soll am 25. März beginnen. Bei
einer Verurteilung drohen ihnen lebenslange Haftstrafen. Reporter
ohne Grenzen sammelt mit einer Online-Petition Unterschriften für die
Einstellung des Verfahrens gegen die beiden Cumhuriyet-Journalisten
(Zur Petition: http://t1p.de/2bik).
Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht die Türkei auf Platz
149 von 180 Staaten. Weitere Informationen zur Lage der Journalisten
dort finden Sie unter www.reporter-ohne-grenzen.de/türkei/ sowie im
jüngsten Länderbericht zur Türkei, den ROG im vergangenen Oktober
veröffentlicht hat (http://t1p.de/g9ns).
Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Ulrike Gruska / Christoph Dreyer
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