(ots) - CDU-Außenexperte nach Flüchtlingsgipfel: Türkei
gehört in die EU
Polenz nimmt Ankara vor Kritikern in Schutz -
"Beitrittsverhandlungen können Reformen anstoßen"
Osnabrück. Trotz massiver Kritik von vielen Seiten an der Rolle
der Türkei hat sich der CDU-Außenexperte Ruprecht Polenz für einen
Beitritt der Türkei zur Europäischen Union ausgesprochen. In einem
Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Mittwoch) sagte der
ehemalige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag: "Die
Türkei hat eine strategische Bedeutung für die EU und gehört in die
EU." Das Thema beschleunigter Beitritt sei "völlig zu recht" von
Ankara in die Verhandlungen zur Flüchtlingskrise eingebracht worden -
nachdem die EU das Thema jahrelang verschleppt und die Türkei sich in
den letzten Jahren "in die falsche Richtung" entwickelt habe. Die
Türkei ist seit 1999 ein Kandidatenland, die Gespräche steckten bis
vor kurzem aber fest.
Solche Beitrittsverhandlungen sind nach Worten von Polenz eine
große Chance für die EU, Reformen in der Türkei anzustoßen. Ankara
war zuletzt wegen seines Vorgehens gegen regierungskritische Medien
in die Kritik geraten. "Wenn beide Seiten die Verhandlungen ernsthaft
führen, bedeutet das Reformfortschritte in der Türkei", sagte Polenz.
"Zum Beispiel bietet Artikel 23 über die Grundfreiheiten der EU die
Möglichkeit, Einfluss auf die Presse- und Meinungsfreiheit in der
Türkei zu nehmen." Am Ende der Verhandlungen könne die Türkei
beitrittsfähig sein. "Aber das ist keine Frage von heute oder
morgen." Auf die Frage, ob denn islamische Staaten überhaupt zur EU
gehören könnten, verwies Polenz auf die EU-Beitrittskandidaten
Bosnien-Herzegowina und Montenegro, wo es große muslimische
Bevölkerungsteile gebe. "Die Frage der religiösen Zugehörigkeit
spielt keine Rolle", betonte der CDU-Politiker. Eine Jahreszahl für
einen möglichen Beitritt nannte der CDU-Politiker nicht.
Polenz steht damit im Gegensatz zu großen Teilen der CDU, die
einer Vollmitgliedschaft der Türkei skeptisch gegenüber stehen.
Kanzlerin Angela Merkel hatte sich vor Jahren für eine privilegierte
Partnerschaft der Türkei als Alternative zu einer EU-Mitgliedschaft
stark gemacht, also ein Konzept der Regierungszusammenarbeit mit der
Europäischen Union.
Polenz wies den Vorwurf zurück, dass die Türkei als Schlüsselland
des Flüchtlingsstroms die EU erpresse: "Das sehe ich nicht so." Man
müsse bedenken, dass die Türkei 2,6 Millionen Flüchtlinge aufgenommen
habe. "Es ist mehr als recht und billig, dass die EU Geld dafür
bereit stellt." Die von der Türkei geforderten sechs Milliarden Euro
Flüchtlingshilfe seien realistisch. Klar sei, dass die EU die
Flüchtlingskrise nur gemeinsam mit Ankara lösen könne. "Eine neue
EU-Außengrenze an der griechisch-mazedonischen Grenze wird nicht
funktionieren", mahnte der Politiker.
Pressekontakt:
Neue Osnabrücker Zeitung
Redaktion
Telefon: +49(0)541/310 207