(ots) - Der NABU hat am heutigen Montag ein neues
Verkehrsgutachten vorgelegt, das den fehlenden Bedarf einer festen
Fehmarnbeltquerung unterstreicht. Das Hamburger Beratungsunternehmen
Hanseatic Transport Consultancy (HTC) hat die Entwicklung der
schienengebundenen Verkehrsströme zwischen dem europäischen Festland
und Skandinavien als Teil des 3800 Kilometer langen TEN-T Korridors 3
zwischen Helsinki und Valletta untersucht. In ihrer Studie kommen die
Gutachter zu dem Ergebnis, dass das Aufkommen im Schienengüterverkehr
von und nach Skandinavien seit Jahren stagniert bzw. sogar leicht
rückläufig ist. Zwar konnte für den dänischen Markt seit der
Finanzkrise ein leichtes Wachstum verzeichnet werden, dieses wird
allerdings maßgeblich durch den Transit getrieben. Dagegen entwickelt
sich der Schienengüterverkehr mit Quelle und Ziel in Dänemark seit
Jahren rückläufig und befindet sich auf einem niedrigen Niveau. Daher
stellt sich die Frage, welchen volkswirtschaftlichen Nutzen ein von
Dänemark finanziertes Schienenprojekt für die dänische Verladerschaft
beziehungsweise die Volkswirtschaft insgesamt hat.
Vor diesem Hintergrund stellt der NABU auch nach der
parlamentarischen Entscheidung Dänemarks vom 4. März den
grundsätzlichen Bedarf des Vorhabens weiter in Frage und hält die von
Dänemark erwarteten Zuschüsse der Europäischen Union in Höhe von
insgesamt 1,7 Milliarden Euro aus den so genannten TEN-T-Mitteln für
ungerechtfertigt.
"Das Gutachten macht deutlich, dass die finanziellen Zuschüsse in
Höhe von rund 1,7 Milliarden Euro aus Mitteln für den Ausbau der
transeuropäischen Netze aus verkehrlicher Sicht nicht zu
rechtfertigen sind. Der Bedarf für einen Neubau entlang des
Fehmarnbeltes ist schlicht nicht vorhanden, das dort investierte Geld
würde an anderer Stelle einen deutlich größeren Nutzen entfalten. Es
deutet kaum etwas darauf hin, dass sich diese Entwicklung zukünftig
umkehren wird", sagte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.
Mit dem Bau einer alternativen Schienentrasse über den Fehmarnbelt
würde zwar die für den Schienengüterverkehr wichtige so genannte
Jütlandroute entlastet. Jedoch besteht auch die Gefahr, dass aufgrund
einer Priorisierung der Belt-Querung, Engpässe auf der Jütlandroute
zukünftig nachrangig angegangen würden. Das wiederum könnte sich
negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene auswirken.
"Wir sehen daher die Gefahr, dass der Güterverkehr nach dem Bau
einer festen Fehmarnbeltquerung von der umweltfreundlichen Schiene
auf die klimaschädlichere Straße verlagert werden könnte. Diese
Erkenntnis scheint den Befürwortern des Tunnelprojekts bekannt zu
sein, denn unlängst erklärte die dänische Regierung, die feste
Fehmarnbeltquerung mangels Schienenverkehrsaufkommens mit dem
Straßenverkehr refinanzieren zu wollen. Diese Rolle rückwärts ist
jedoch mit dem europäischen Ziel einer Verkehrsverlagerung von der
Straße auf die Schiene nicht vereinbar", sagte Eick von Ruschkowski,
Mitglied der NABU-Geschäftsleitung und Fachbereichsleiter Naturschutz
und Umweltpolitik.
Weiterhin geht das Gutachten davon aus, dass sich die
Zeiteinsparungen durch die Fehmarnbeltquerung - anders als von der
staatlichen Planungsagentur Femern A/S behauptet - nicht 1:1 in eine
Kostenreduzierung umsetzen lassen. "Wir sprechen hier über komplexe
Produktionssysteme und optimierte Zugumläufe. Man kann nicht einfach
davon ausgehen, dass eine um 20 Prozent kürzere Strecke auch 20
Prozent Zeit- und Kostenersparnis mit sich bringt, zumal unklar ist,
wie hoch die Kosten für eine Tunnelquerung sein werden und ein
theoretischer Zeitgewinn von zwei bis drei Stunden durch ungeplante
Standzeiten schnell dahin sein kann", sagt Torsten Tesch, Senior
Consultant bei HTC.
In Anbetracht der im Gutachten dargestellten mäßigen
Zukunftsperspektiven des Schienengüterverkehrs sowie der beschränkten
Leistungsfähigkeit der Jütlandroute liegt es nahe zu überprüfen, ob
diese selektiv und in enger Abstimmung mit der sich ergebenden
Marktentwicklung im Sinne einer ausbaubasierten Modernisierung und
gegebenenfalls kapazitiven Erweiterung investiert werden sollte. Aus
NABU-Sicht ließen sich mit einem adäquaten Ausbau die europäischen
Verkehrsziele eines ungehinderten Warenflusses zwischen Nord- und
Südeuropa kostengünstiger, infrastrukturell angemessener und
ökologisch verträglicher erreichen.
Angesichts erheblicher ökologischer Schäden durch den Bau der
festen Fehmarnbeltquerung bei Gesamtkosten von rund zwölf Milliarden
Euro zuzüglich Kosten für die Anbindungen auf deutscher und dänischer
Seite wirft der NABU den Planern vor, einen vorteilhaften Ausbau der
Jütlandroute von Beginn an durch den Staatsvertrag ausgehebelt zu
haben. "Gerade weil das Vorhaben einer festen Fehmarnbeltquerung
offenkundig keinen Bedarf hat, ist dieser Trick so durchschaubar. Die
mangelnde Prüfung des möglichen alternativen Ausbaus einer
Jütlandroute verstößt zudem gegen europäisches Recht. Dieses Thema
wird in einem juristischen Verfahren eine zentrale Rolle spielen",
sagte Malte Siegert, Fehmarnbeltexperte des NABU.
Deutsche Zusammenfassung des Gutachtens und Präsentation der
Ergebnisse zu finden unter: www.nabu.de/fehmarnbelt
Das vollständige Gutachten "Importance of Fehmarn Belt Fixed Link
for Rail Freight Services on the Sweden - Germany corridor" steht
wegen Berücksichtigung aktueller kurzfristiger Informationen ab
Donnerstag, 17. März unter www.nabu.de/fehmarnbelt zur Verfügung.
Für Rückfragen:
Malte Siegert, NABU-Fehmarnbeltexperte, siegert(at)nabu-hamburg.de,
Mobil: 0173-9373241, oder Tel. 040-697089-15
Torsten Tesch, Senior Consultant HTC Hanseatic Transport
Consultancy, tesch(at)htc-consultancy.de, Tel. 040-18175407
Pressekontakt:
NABU-Pressestelle
Kathrin Klinkusch | Iris Barthel | Britta Hennigs | Nicole Flöper
Tel. +49 (0)30.28 49 84-1510 | -1952 | -1722 | -1958
Fax: +49 (0)30.28 49 84-2000 | E-Mail: presse(at)NABU.de