(ots) - Alkohol, Sex und Verbrechen: Heinz Strunk trinkt
mit Fritz Honka im 'Goldenen Handschuh' Dies ist nun wirklich kein
lustiges Buch. Es ist die Geschichte eines Frauenmörders, eines
geprügelten, alkoholkranken, verwahrlosten Mannes, der seine Nächte
in einer Hamburger Säuferkneipe zubringt, in Gesellschaft von Luden,
Kleinkriminellen und Gelegenheitsprostituierten, und der in den
Winkeln einer stinkenden Wohnung die Reste seiner Opfer aufbewahrt.
Es ist die Geschichte von Fritz Honka. Und diese Geschichte ist wahr.
Fritz Honka gab es wirklich, er brachte Anfang der 70er-Jahre in
Hamburg-Altona vier Frauen um, und Heinz Strunk hat sein trauriges
Leben aufgeschrieben. "Die Frau, die reinkommt, zittert vor Kälte und
ist ziemlich klein. Wie dreckiger Rasierschaum ergießt sich graues,
dünnes Haar über die Rückseite ihres eulenartigen Schädels. Die
Kopfhaut ist an mehreren Stellen kahl. Sie steht da wie abgeschaltet,
den Blick ins Leere gerichtet, vereist und ausdruckslos. Sie könnte
fünfzig sein oder siebzig. Wie Soldaten-Norbert hat sie auch diesen
eigentümlichen Gesichtsausdruck der Kriegsgeneration: uralt. Ein
unbestimmbares, vorsintflutliches Alter. (...) Man vermag sich schon
nicht mehr vorzustellen, wie die früher mal ausgesehen hat, als
Frau." Heinz Strunk hat Honkas Leben gründlich recherchiert, hat
bisher unter Verschluss befindliche Prozessakten eingesehen, im
'Goldenen Handschuh', Honkas Lieblingskneipe, die es immer noch gibt,
mit den Pennern Fako gesoffen, Fanta mit Korn. Deshalb ist sein Buch
so bestürzend realistisch. Strunk zeichnet Honka, den Täter, und
seine Opfer, die Frauen, illusionslos genau, als vergessene
Gespenster der Bundesrepublik, die am Rand des Todes durch schimmlige
Kammern torkeln. Das so großartige wie wirklich verstörende an diesem
Buch aber ist, dass wir beim Lesen die ganze Zeit das Gefühl nicht
los werden, das alles hätte doch auch etwas mit uns und unserem Leben
heute zu tun. Heinz Strunk, 1962 in Hamburg geboren, heißt eigentlich
Mathias Halfpape und wurde zuerst als Musiker und Schauspieler
bekannt, 2004 mit dem Titel 'Fleisch ist mein Gemüse' auch als Autor.
Die Tochter ist die Mutter: Anna Katharina Hahn über Liebe in
Zeiten der Krise Das Leben ist ein langer, ruhiger Fluss, heißt es,
und alles wird gut, hören wir auch, aber den meisten dämmert langsam,
dass es in Wirklichkeit ganz anders ist. Die Krise ist da, und sie
geht nicht wieder weg. Das haben die Leute in Griechenland oder, zum
Beispiel, in Spanien schon längst lernen müssen. Wie sie dort damit
umgehen, im Alltag, in der Liebe, davon erzählt Anna Katharina Hahn
am Beispiel von Ana Maria, genannt Anita, die in Madrid wohnt, und
deren Leben im Sommer 2012 eine dramatische Wendung nimmt. "In der
Wohnung rührte sich nichts. Ich öffnete vorsichtig die
Schlafzimmertür und steckte den Kopf durch den Spalt. In der Mitte
des Bettes lag ein weißer Haufen. Meine Eltern schienen immer noch zu
schlafen, und ich wollte sie nicht wecken. Der Geruch im Zimmer hatte
sich verändert. Der Jasminduft war verschwunden, stattdessen roch es
sauer und stickig. Ich sah die Wasser- und Teegläser unberührt auf
dem Nachttisch, die Flüssigkeiten schimmerten silberweiß und
tiefgolden im faden Dämmerlicht. Leise schloss ich die Tür und ging
in die Küche." Plötzlich sind also auch noch die Eltern tot. Aber das
ist in diesem Fall wohl eher eine gute Nachricht. Es setzt nämlich
eine phantastische Entwicklung in Gang: Anita wird zu Blanca, die
Tochter zur Mutter, ein unheimlicher, geheimnisvoller Schriftsteller
kommt ins Spiel, und letztlich wird alles doch ganz anders. In sehr
einfacher, undramatischer Sprache entwickelt Anna Katharina Hahn so
aus einer Erzählung des Alltags in Madrid ein großes europäisches
Tableau, ein romantisches Welttheater, und wir lernen: Das Leben gibt
es, aber nur jetzt! Anna Katharina Hahn, geboren 1970, lebt in
Stuttgart. Ihr Roman 'Am Schwarzen Berg' stand 2012 auf der Shortlist
für den Preis der Leipziger Buchmesse.
Und wie immer: Denis Schecks Kommentar zu den Büchern auf der
aktuellen Spiegel-Bestsellerliste (diesmal Belletristik) und eine
ganz persönliche Empfehlung: Joseph Fink, Jeffrey Cranor: Willkommen
in Night Vale.
Moderation: Denis Scheck; Realisation: Andreas Ammer. Redaktion:
Susanne Schettler (WDR), Christoph Bungartz (NDR), Armin Kratzert
(BR) und Matthias Morgenthaler (MDR).
"Druckfrisch" im Internet: DasErste.de/druckfrisch
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