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Oliver Kalkofe zu Merkels Entscheidung fĂŒr Strafverfahren gegen
Böhmenmann: "Tritt in die Eier der Satirefreiheit."
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Textumschrift "Kalkofes Kommentar zur Satirefreiheit" vom
17.04.2016
Kalkofes Kommentar zur Satirefreiheit
Ein paar einschÀtzende Worte zu dem vielleicht absurdesten Fall
Real-Satire der deutschen Geschichte. #Böhmermann - Erdogan -
Ziegenficker - Fragezeichen.
Schon jetzt in den GeschichtsbĂŒchern als die erste Satire, die zur
StaatsaffÀre wurde, weil viele wichtige Leute zur falschen Zeit den
Witz nicht verstanden haben.
Noch einmal vorneweg - auch wenn es immer wieder im Mittelpunkt
steht - das SchmÀhgedicht an sich spielt gar keine Rolle.
Auch auf die Fragen:
-War dieses Gedicht noch Satire oder schon Beleidigung?
-Ist es lustig oder nicht, war das genial oder unter aller Sau?
-Darf man den tĂŒrkischen PrĂ€sidenten einen Huftier-Besamer nennen
oder nicht?
... muss die Antwort in diesem Zusammenhang immer heiĂen:
DAS IST ABSOLUT SCHEISSEGAL!
Jeder darf das empfinden wie er möchte. Doch die beabsichtigte
Satire war niemals und zu keinem Zeitpunkt das vollkommen irrelevante
Gedicht an sich - Sondern lediglich die PrÀsentation des selbigen.
Das Gedicht selbst ist plump, krass und beleidigend - allerdings so
bewusst ĂŒberzogen auf Kindergarten-Pöbel-Niveau, das man schon davon
ausgehen durfte, ein intelligenter souverÀner erwachsener Mensch
versteht die Cartoonhaftigkeit der dummdreisten Beleidigung. Niemals
hÀtte ein Böhmermann oder sonst ein zurechnungsfÀhiger Komiker sich
vor die Kamera gestellt und ernsthaft dieses Gedicht vorgelesen.
Der satirische Sinn der ganzen Aktion - unabhÀngig von der Frage
ob gelungen oder nicht - war nur der eine: Ein provokanter Kommentar
zur wutschnaubenden Empörung des Rumpelstilzchens vom Bosporus, die
bereits ein vergleichsweise moderater Erdogan-Song der Kollegen von
Extra 3 verursacht hatte - inklusive des darauf folgenden mehrmaligen
Einbestellens des deutschen Botschafters und der unverschÀmten
Forderung des stinkbeleidigten TĂŒrken-Chefs, die deutsche Politik
solle regulierend einschreiten!
Hier legte Böhmermann nun bewusst noch einen drauf und erklÀrte in
der Sendung den Unterschied zwischen freier MeinungsĂ€uĂerung und
Satire und böswilliger SchmÀhkritik, die einfach nur auf Beleidigung
aus sei - so wie das daraufhin zitierte Erdogan-Gedicht... von dem er
sich danach selbst distanzierte.
Okay, klar - das war natĂŒrlich als Provokation gemeint. Keine
Frage, wir sind ja nicht doof. Aber genau diese Provokation war eben
die Satire, nicht das Gedicht! Und genau solch eine Provokation ist
auch die Aufgabe der Satire.
Es ging hier um die Aussage, einem tobenden Despoten, der in
seinem eigenen Land das Recht auf freie Meinung mit FĂŒĂen tritt, den
verbalen Mittelfinger in rechtmĂ€Ăiger Empörung entgegen zu strecken
und zu sagen: 'Hör genau zu, Wutwichtel, wir leben glĂŒcklicherweise
in einem Land, in dem Humor noch nicht verboten ist und in dem man
frei sprechen darf. Und wenn man es geschickt macht, kann man dich
sogar noch viel mehr Àrgern, ohne dich wirklich offensiv zu
beleidigen. Denn das ist nÀmlich der Witz an der Satire und der
Redefreiheit! Und ihre Macht. Ha!'
Blöd nur, dass dieses Spiel mit der Meta-Ebene fĂŒr sehr viele
Menschen ein wenig zu hoch angesetzt war...
Die unbedacht vorschnelle Reaktion des ZDFs und allen voran der
Kanzlerin, die zum Schutze des fragilen TĂŒrkei-Abkommens in
vorauseilendem Gehorsam der möglichen Empörung des zĂŒrnenden
Muselmanen zuvor kommen wollte, lieferte erst die Grundlage zu allem
was noch folgen sollte.
Die bis heute existierende vorschnelle Löschung der Sendung in der
ZDF-Mediathek verhindert zudem weiterhin, das Gedicht in seinem
intendierten und prĂ€sentierten Zusammenhang ĂŒberhaupt vollstĂ€ndig zu
sehen - und nimmt uns allen somit die Möglichkeit, sich eine eigene
Meinung bilden zu dĂŒrfen. Leider feige. Und beschĂ€mend falsch fĂŒr
einen öffentlich-rechtlichen Sender.
Wichtig bei der Gesamt-EinschÀtzung: Noch nie zuvor in der
Geschichte der Bundesrepublik hat ein Staatsoberhaupt ungefragt und
unaufgefordert eine Humorkritik zu einem StĂŒck Fernseh-Satire
abgeliefert. Wozu auch? Erst diese offizielle EinschÀtzung des
Gedichts von der Kanzlerin als solche, nicht als Privatperson, und
unter Auslassung des Zusammenhangs - fĂŒhrte dazu, dass diese Satire
zu einer StaatsaffÀre wurde.
Was daraus folgte war ein Wirbelwind des Wahnsinns und der
AbsurditÀten, den man aufrecht, souverÀn und mit ruhiger Hand wieder
hÀtte beenden können. NÀmlich mit der Ansage: Ja, wir haben eine
Gewaltenteilung - diese Frage entscheidet nicht die Politik sondern
die Justiz. Und das wird sie im Fall der persönlichen
Beleidigungsklage des PrĂ€sidenten Erdogan auch tun. Die ĂŒberzogene
und unserer Auffassung von Meinungs- und Redefreiheit nicht
entsprechende Anklage wegen so genannter 'MajestÀts-Beleidigung' wird
allerdings nicht entsprochen. Als deutliches Zeichen unserer
SouverĂ€nitĂ€t fĂŒr die Satire- und Pressefreiheit.
Dies ist leider nicht geschehen.
Kanzlerin Merkel hat die Ermittlungen und somit eine mögliche
Anklage wegen der ungleich schwerer zu bewertenden
'MajestĂ€tsbeleidigung' zugelassen - Bei gleichzeitiger AnkĂŒndigung
genau dieses Gesetz wegen Unsinnigkeit so schnell wie möglich kippen
zu wollen.
Was uns BĂŒrgern und anderen Staaten nun traurigerweise sagt: Auch
bei uns ist das Recht auf Satire und freie MeinungsĂ€uĂerung zwar
theoretisch gegeben - Endet aber leider dort, wo der Adressat eines
Scherzes den Witz nicht verstanden hat. Auch wenn die Zulassung der
Klage rein rechtlich möglich und absolut erklÀrbar ist - Dem
Rechtsstaat wÀre auch ohne diese Zustimmung durch die private Klage
Erdogans genĂŒge getan worden. Die Gerichte hĂ€tten entschieden -
fernab der Politik. So wie es sein soll. Die Zulassung der Klage als
absurde 'MajestÀtsbeleidigung' war deshalb weder zwingend noch nötig.
Sie war rechtlich korrekt und politisch möglich - als Zeichen an
unser Land und die Welt war sie fatal. Dies war kein Zeichen der
StÀrke, kein Zeichen von Mut oder Entschlossenheit. Und auch wenn es
nicht so gemeint war und diese Behauptung vielleicht falsch oder
ĂŒbertrieben ist: Diese Entscheidung wird vermutlich als mutloses
Einknicken und Verrat an den Werten unseres Landes und unserer
Freiheit stehen bleiben, das selbst vom Vorsitzenden der TĂŒrkischen
Gemeinde in Deutschland kritisiert wird. Denn auch die hÀtte sich
auch fĂŒr ihr Land und ihre BĂŒrger ein klares Bekenntnis zur
Meinungsfreiheit gewĂŒnscht. Diese Entscheidung aber hilft wirklich
niemand.
Und sie wird fatalerweise gerade von den falschen und radikalen
KrĂ€ften fĂŒr ihre Zwecke genutzt werden. Denn alle, die bereits
bislang Merkel - unberechtigterweise - als VerrÀterin am eigenen Volk
bezeichnet haben, bekommen nun einen Beweis fĂŒr ihre Behauptung und
die Gelegenheit, auf einen bequemen, wenn auch falschen Zug der
Argumentation aufzuspringen. Wodurch ich befĂŒrchte, dass der
Bumerang, der von der Kanzlerin hier lasch und kraftlos geworfen
wurde, noch mit heftiger Wucht in ihrem eigenen Nacken landen wird.
Ein trauriger Tag fĂŒr unser Land und unsere Meinungsfreiheit. Aus
einem kleinen, zugebenermaĂen diskussionswĂŒrdigen Scherz, wurde eine
absurde StaatsaffÀre. Aus einem Furz wurde ein Tsunami. Durch eine
bizarre Abfolge unsinniger Fehlentscheidungen wurde aus dem Versuch,
die Satirefreiheit mit ihren eigenen Mitteln zu demonstrieren, eine
politische Demonstration dazu, wie man mit ihr eben nicht umgehen
darf. Diese Entscheidung war vielleicht nicht der Tod der
Satirefreiheit, aber zumindest ein gewaltiger Tritt in ihre Eier. Die
eben unsere Regierung gerade damit nicht bewiesen hat.
WĂ€re es nicht so traurig, könnte man darĂŒber eigentlich nur
lachen.
Oliver Kalkofe
Hinweis: Zitat nur mit Nennung von Oliver Kalkofe und Quelle TELE
5.
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Nico Wirtz, Tel. 089-649568-176, nico.wirtz(at)tele5.de