(ots) -
Der indische Rechtsanwalt und Menschenrechtsverteidiger Henri
Tiphagne hat am Montagabend im Maxim-Gorki-Theater den 08.
Menschenrechtspreis von Amnesty International in Deutschland
erhalten. Damit würdigt Amnesty den jahrzehntelangen Einsatz des
59-Jährigen für Menschenrechte in Indien. "Henri Tiphagnes
leidenschaftliche Arbeit gegen Folter und Diskriminierung in Indien
ist herausragend und eine Inspiration für Aktivistinnen und
Aktivisten weltweit, die sich für die Menschenrechte einsetzen", sagt
Selmin Çaliskan, Generalsekretärin von Amnesty International in
Deutschland. "Mit seiner Organisation People's Watch unterstützt
Henri Tiphagne seit mehr als 20 Jahren Betroffene staatlicher Gewalt
und verhilft ihnen zu ihrem Recht - und muss sich gleichzeitig gegen
Schikane durch die Behörden wehren", so Çaliskan weiter.
Mitte der 1990er-Jahre gründete Henri Tiphagne die Organisation
People's Watch. Seine Vision: eine Gesellschaft ohne kastenbasierte
Diskriminierung und Menschenrechtsverletzungen. People's Watch
recherchiert und dokumentiert Menschenrechtsverletzungen in Indien
und vertritt Betroffene vor Gericht. Ein weiterer Schwerpunkt ist der
Bereich Menschenrechtsbildung: 1997 gründete Tiphagne ein Institut,
das Fortbildungen für Lehrer organisiert und Schulprogramme betreut,
in denen über Menschenrechte informiert wird. Bislang wurden etwa
500.000 Kinder in 18 Bundesstaaten erreicht.
"Wir danken Amnesty International für diese Auszeichnung, die uns
daran erinnert, dass wir im Kampf für die Menschenrechte nicht allein
sind. Indien hat eine lebendige Zivilgesellschaft: Ich nehme diesen
Preis stellvertretend für all die mutigen Männer und Frauen entgegen,
die sich für Menschenrechte in Indien einsetzen", sagte Henri
Tiphagne anlässlich der Auszeichnung. "Doch der Raum für
zivilgesellschaftliches Engagement wird immer kleiner. Die Regierung
nimmt uns die Luft zum Atmen."
"Wenn jemand diese Auszeichnung verdient, dann Henri Tiphagne. Er
setzt sich seit Jahrzehnten unermüdlich für die Menschenrechte in
Indien ein", sagte Tara Rao, Programmdirektorin von Amnesty
International in Indien, anlässlich der Preisverleihung in Berlin.
"Die Situation für Menschen, die sich in Indien für Menschenrechte
einsetzen, ist momentan äußerst problematisch. Das Land braucht mehr
Aktivisten wie Henri Tiphagne, die sich für die Rechte anderer stark
machen."
Nichtregierungsorganisationen in Indien müssen unter dem Gesetz
über Finanzierung aus dem Ausland (Foreign Contribution [Regulation]
Act) registriert sein, wenn sie Fördergelder aus dem Ausland
beziehen. Hierüber wacht das Innenministerium. Das Gesetz erlaubt
unter anderem die Aussetzung der Registrierung für 180 Tage, um eine
Überprüfung der Organisation vorzunehmen. Eine lange Zeit, die viele
Organisationen an ihre finanziellen Grenzen bringt, da die
betreffenden Konten währenddessen gesperrt werden.
Zwischen 2012 und 2014, noch unter der Vorgängerregierung, wurden
die Bankkonten von People's Watch wiederholt eingefroren. Mitarbeiter
sahen sich ohne Lohn gezwungen, zu kündigen und Programme mussten
eingestellt werden. Während ihrer letzten Überprüfung legte People's
Watch Rechtsmittel ein und bekam im Juli 2014 in einem ersten
Verfahren recht.
Die Versuche der indischen Regierung, Menschenrechtsorganisationen
wie People's Watch in ihrer Arbeit zu behindern, sind symptomatisch
für einen globalen Trend: "Seit mehr als zehn Jahren gerät die
Zivilgesellschaft weltweit zunehmend unter Druck. In einer ganzen
Reihe von Ländern wird die Arbeit von NGOs durch Gesetze gezielt
erschwert, mitunter auch unmöglich gemacht", sagte
Çalışkan. "Regierungen unterdrücken die Meinungs- und
Pressefreiheit und schüchtern die Zivilgesellschaft ein.
Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger werden
diffamiert, in die Nähe von Terroristen gerückt und auf Grundlage
fadenscheiniger Vorwürfe inhaftiert."
Mit dem Menschenrechtspreis zeichnet die deutsche Sektion von
Amnesty International Persönlichkeiten und Organisationen aus, die
sich unter schwierigen Bedingungen für die Menschenrechte einsetzen.
Ziel des Preises ist es, das Engagement dieser Menschen zu würdigen,
sie zu unterstützen und ihre Arbeit in der deutschen Öffentlichkeit
bekannter zu machen. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert, die von
der Stiftung Menschenrechte, Förderstiftung Amnesty bereitgestellt
werden. 2016 wurde der Menschenrechtspreis zum achten Mal verliehen.
Bisherige Preisträger waren unter anderem: Monira Rahman aus
Bangladesch (2006), Women of Zimbabwe Arise aus Simbabwe (2008), Abel
Barrera aus Mexiko (2011) und Alice Nkom aus Kamerun (2014).
Hinweis zum Programm [Auszug]
Henri Tiphagne (Preisträger)
Begrüßung: Selmin Çaliskan (Generalsekretärin von Amnesty in
Deutschland)
Laudatio: Margaret Sekaggya, ehemalige UN-Sonderberichterstatterin
für Menschenrechtsverteidiger
Gastredner: Joachim Gauck (Bundespräsident)
Weitere Mitwirkende: Max Herre und Joy Denalane (Musik), Aeham Ahmad
(Musik), Juliane Köhler (Lesung), Dimitrij Schaad (Lesung)
Moderation: Mitri Sirin (ZDF Morgenmagazin)
Informationen und AV-Material zu Henri Tiphagne und das
Veranstaltungsprogramm finden Sie hier:
www.bit.ly/AmnestyMenschenrechtspreis_2016. Fotos von der
Veranstaltung und den Bildterminen finden Sie am Montagabend ab 23
Uhr ebenfalls unter diesem Link. Bitte beachten Sie die dort
angegebenen Verwertungsrechte.
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