(ots) - Deutlich schwächere Umweltstandards drohen Europa
durch das umstrittene Handelsabkommen TTIP. Dies geht aus
umfangreichen Teilen des bislang weitgehend geheimen
Verhandlungstexts hervor, die die Pressestelle von Greenpeace
Niederlande an diesem Montag veröffentlicht. Das bislang in Europa
geltende Vorsorgeprinzip, das Produkte nur erlaubt, wenn sie für
Mensch und Umwelt nachweislich unschädlich sind, droht durch das in
den USA angewandte Risikoprinzip ersetzt zu werden. Dadurch dürften
in Europa auch hoch umstrittene und bislang in vielen Ländern nicht
zugelassene genmanipulierte Pflanzen und Lebensmittel oder mit
Wachstumsbeschleunigern erzeugtes Fleisch so lange angebaut und
konsumiert werden, bis ihre Schädlichkeit nachgewiesen ist. Ein
Prozess, der Jahre dauern kann. "Was bislang aus diesen
Geheimverhandlungen an die Öffentlichkeit drang, klang wie ein
Albtraum. Jetzt wissen wir, daraus könnte sehr bald Realität werden",
sagt Greenpeace-Handelsexperte Jürgen Knirsch. "TTIP rüttelt an den
Fundamenten des europäischen Umwelt- und Verbraucherschutzes. Das
Abkommen bedroht Rechte und Gesetze, die über Jahrzehnte mühsam
erkämpft wurden. Dieser Vertrag darf nicht in Kraft treten."
Das europäische Vorsorgeprinzip wird im TTIP-Text an keiner Stelle
mehr erwähnt. Zudem bestätigt eine erste Analyse der Dokumente eine
Reihe weiterer kritischer Punkte. Fortschrittliche EU-Umweltgesetze
zu Lebensmittelsicherheit oder Chemikalien drohen geschwächt oder
ganz abgeschafft zu werden. Industrievertretern wird bei wichtigen
Entscheidungen eine zentrale Mitsprache eingeräumt, während die
Belange der Zivilgesellschaft nicht berücksichtigt werden. Die
geplante gegenseitige Anpassung der Gesetzgebung zwischen den USA und
der EU würde sich nach jetzigem Stand am kleinsten gemeinsamen Nenner
orientieren. Europäische Gesetze etwa zur Lebensmittelkennzeichnung
oder zu Kosmetika würden bedroht. "Handelsabkommen mit derart
weitreichendem Einfluss müssen öffentlich diskutiert und transparent
verhandelt werden. Alles andere ist undemokratisch und eine Gefahr
für die Errungenschaften der Zivilgesellschaft", sagt Knirsch.
Greenpeace-Pressestelle stellt Analyse des Verhandlungstexts am
Montag in Berlin vor
Die vorliegenden 13 Kapitel stellen mit knapp 250 Seiten etwa die
Hälfte des gesamten Abkommens dar und zeigen den Stand vor der
vergangene Woche abgeschlossenen 13. Verhandlungsrunde. Bislang darf
der Verhandlungstext nur von Parlamentariern und anderen ausgewählten
Personen für maximal zwei Stunden unter Aufsicht in einem Leseraum
eingesehen werden. Es dürfen keine Kopien angefertigt werden, und es
besteht Schweigepflicht. "Diese Dokumente sind kein
Betriebsgeheimnis, sie würden das Leben von über einer halbe
Milliarde Menschen alleine in Europa verändern. Sie gehören
öffentlich gemacht", fordert Knirsch.
Die Analyse der Dokumente wird Greenpeace morgen um 11 Uhr auf
einer Pressekonferenz im Rahmen der Re:Publica in Berlin
präsentieren. Zeitgleich wird Greenpeace Niederlande die
TTIP-Dokumente vollständig im Internet veröffentlichen.
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