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Wie in einigen anderen deutschen Kommunen diskutiert man zurzeit
auch im Tuttlinger Stadtparlament darüber, ob man Zirkusbetrieben mit
Wildtieren auch weiterhin erlauben soll, auf städtischen Flächen zu
gastieren. Oberbürgermeister Michael Beck hat sich nachdrücklich für
ein weitgehendes Wildtierverbot in Tuttlingen ausgesprochen.
Doch passen kommunale Wildtierverbote noch in eine aufgeklärte
Gesellschaft? Die Zirkusgegner in Tuttlingen argumentieren damit,
dass ein gesellschaftlicher Wandel stattgefunden habe und
Wildtierdarbietungen im Zirkus nicht mehr zeitgemäß seien. Nach
Auffassung des Aktionsbündnisses ist dieser Wandel schon längst im
Zirkus angekommen. In den letzten 20 Jahren hat sich die Tierhaltung
im Zirkus grundlegend verändert: Zirkustiere leben heute in großen
strukturierten Freigehegen. Wer die "Tierschau" eines gut geführten
Zirkus besucht, fühlt sich an die Verhältnisse in einem zoologischen
Garten erinnert. Auch die Art der Präsentation hat sich gewandelt. So
stellen moderne Tierlehrer die natürlichen Bewegungen und die
natürliche Ausstrahlung der Tiere in den Mittelpunkt und machen
dadurch die Schönheit, den Charakter und die Persönlichkeit der Tiere
sichtbar. Eine Abschaffung der Wildtierhaltung im Zirkus würde nicht
dem Zeitgeist entsprechen. Das zeigen z. B. die sehr hohen
Besucherzahlen des Circus Krone in der vergangenen Winter-Spielzeit
oder der große Erfolg einer Seelöwen-Darbietung bei der letzten
Staffel von das "Das Supertalent".
Weiterhin argumentieren die Zirkusgegner damit, dass eine
artgerechte Haltung von Großtieren, wie z. B. Elefanten, im Zirkus
nicht möglich sei - ein Scheinargument, wie die folgenden
Ãœberlegungen zeigen: Der Begriff "artgerecht" bezieht sich auf das
angeborene Verhalten der Tiere. Dieses kommt aber niemals in reiner
Form vor, sondern ist immer untrennbar mit erlerntem Verhalten
verbunden. Daraus folgt, dass das Verhalten der Tiere innerhalb
bestimmter Grenzen flexibel und damit individuell verschieden ist.
Bei der individuellen Ausprägung des Verhaltens spielen
Umwelteinflüsse eine wichtige Rolle. Ein Elefant, der nur die
afrikanische Savanne kennt, zeigt nicht die gleichen Verhaltensweisen
und Bedürfnisse wie ein Elefant, der von klein auf im Zirkus gelebt
hat. Die Verhaltensforscherin Dr. Marthe Kiley-Worthington bemerkt
hierzu, dass für das Befinden der Tiere vor allem deren Vorerfahrung
und nicht so sehr der Unterschied Haustier/Wildtier entscheidend ist.
Deshalb muss sich Tierschutz immer am Wohl des Tierindividuums - und
nicht an den vermeintlich einheitlichen Bedürfnissen der Vertreter
einer Art - orientieren.
In den letzten Jahrzehnten wurden mehrere wissenschaftliche
Untersuchungen an Zirkustieren durchgeführt, die alle zu dem Ergebnis
kamen, dass sich Zirkustiere, auch Wildtiere wie Elefanten, bei
moderner Haltung sehr wohl fühlen. In die gleiche Richtung weist ein
Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags aus dem
Jahre 2015. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass es keine Belege
dafür gibt, dass das Wohl der Wildtiere im Zirkus prinzipiell - also
nicht nur in Einzelfällen - beeinträchtigt ist.
Diese Überlegungen machen deutlich, dass eine zeitgemäße und
verantwortbare Haltung von Wildtieren im Zirkus durchaus möglich ist.
Strenge Bestimmungen und lückenlose Kontrollen sorgen dafür, dass sie
auch realisiert wird. Kommunale Wildtierverbote haben in einem
aufgeklärten Gemeinwesen nichts zu suchen. Boris Palmer, Becks
Amtskollege in Tübingen, hat dies erkannt. In einem
Facebook-Statement schreibt er, dass man Wildtiere im Zirkus genauso
wenig verbieten könne wie die Produktion von Fleisch. Er werde
deshalb im Tübinger Stadtparlament gegen ein Wildtierverbot für
Zirkusse stimmen. Das Aktionsbündnis "Tiere gehören zum Circus"
hofft, dass diese Erkenntnis auch im Tuttlinger Rathaus Einzug hält.
Der Text wurde von Dirk Candidus geschrieben.
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Dirk Candidus,
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