(ots) - Es wird ernst. Nach den Regional- und
Kommunalwahlen in Großbritannien konzentriert sich die Insel nun auf
das EU-Referendum am 23. Juni. Ein schmutziger Wahlkampf droht,
und am Ende dürften die Briten so genervt sein, dass Europa bei ihrer
Wahlentscheidung gar nicht unbedingt an oberster Stelle steht.​
Die Eröffnung der heißen Wahlkampfphase durch Premierminister
David Cameron lässt wenig Gutes erhoffen. Er erklärte die
EU-Mitgliedschaft Großbritanniens zu einer Frage von Krieg und
Frieden: Nur gemeinsam könne man dem russischen Nationalismus und dem
islamistischen Terror entgegentreten.​
Egal, was man davon hält: Diese Art von Alarmismus kommt nicht gut
an. Wer einen EU-Austritt für so gefährlich hält, sollte ihn nicht
bei Verhandlungen mit den EU-Partnern als Druckmittel einsetzen, so
wie es Cameron getan hat. Da Cameron außerdem für den Fall eines
Brexit-Votums im Amt bleiben will, müsste er hinterher im Interesse
seines Landes alles tun, um zu verhindern, dass das eintritt, wovor
er zuvor gewarnt hat.​
Den Austritt aus der EU als Schritt zu mehr Freiheit und
Selbstbestimmung darzustellen, wie es Camerons Hauptwidersacher Boris
Johnson in seiner Gegenrede getan hat, ist oberflächlich attraktiv,
aber mehr Träumerei als reale Perspektive. Die meisten Briten wollen
einfach, dass es ihnen nach Jahren der Entbehrung wieder besser geht.
Sie erwarten Lösungen für reale Probleme, nicht für solche, die
bisher keine waren und die profilierungssüchtige Politiker ihnen
einzureden versuchen.​
Cameron als Amtsinhaber ist im Nachteil gegenüber Johnson, der
jetzt, befreit von seinem Londoner Bürgermeisteramt, zu voller Blüte
kommt. Der Premier setzt darauf, dass Vorsicht die Wähler zum Status
quo zurücktreibt, so wie 2014 beim Schottland-Referendum - diesmal
also zum Ja zur EU. Aber er muss aufpassen, dass ein Nein zu Cameron
nicht am Ende verlockender erscheint.​
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