(ots) - Das Deutsche Kinderhilfswerk spricht sich für die
unbedingte Beibehaltung der Standards in der Kinder- und Jugendhilfe
bei der Unterbringung, Versorgung und Betreuung von unbegleiteten
Flüchtlingskindern aus. Die Forderungen aus einzelnen Bundesländern
nach einem Systemwechsel und damit nach einer Absenkung der Standards
in diesem Bereich lehnt das Deutsche Kinderhilfswerk entschieden ab.
Der Beschluss der Bundeskanzlerin und der Regierungschefinnen und
Regierungschefs der Länder vom 22. April 2016 lässt befürchten, dass
hier durch die Hintertür eine Zwei-Klassen-Kinder- und Jugendhilfe
eingeführt werden soll. Deshalb appelliert das Deutsche
Kinderhilfswerk im Vorfeld der morgigen gemeinsamen Besprechung von
Bundeskanzleramtschef Peter Altmaier mit der Chefin und den Chefs der
Staats- und Senatskanzleien der Bundesländer an die Beteiligten,
keine Kostensenkungen auf dem Rücken der Flüchtlingskinder
durchzusetzen.
"Das Primat der Kinder- und Jugendhilfe in diesem Bereich leitet
sich unmittelbar aus Artikel 3 UN-Kinderrechtskonvention ab. Die
darin normierte Vorrangstellung des Kindeswohls ist als Leitlinie
gesetzt und darf nicht unterlaufen werden. Die Kinder- und
Jugendhilfestandards müssen für alle Kinder in Deutschland
gleichermaßen gelten, unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem
Aufenthaltsstatus. Unbegleitete Flüchtlingskinder stellen eine der
schutzbedürftigsten Personengruppen überhaupt dar. Eine dem
Kindeswohl entsprechende, bedarfsgerechte Versorgung und Betreuung
wird durch die individuellen Hilfen im Rahmen der derzeit gesetzlich
verbürgten Standards im Kinder- und Jugendhilfegesetz ermöglicht.
Auch Bundestag und Bundesrat haben im letzten Jahr, im Zuge der
Einführung des bundesweiten Verteilungsverfahrens, die Beibehaltung
der Kinder- und Jugendhilfestandards für unbegleitete minderjährige
Flüchtlinge ausdrücklich bestätigt. Das gilt zum Beispiel für das
Recht auf Förderung und Entwicklung, auf Beteiligung und auf
uneingeschränkten Zugang zur Gesundheitsversorgung. Minderjährige
Flüchtlinge, ob begleitet oder unbegleitet, sind eine in der
medizinischen Terminologie sogenannte Hochrisikopopulation für die
Entwicklung von psychischen Störungen. Deshalb brauchen die
Betroffenen wirkungsvolle Unterstützungsleistungen, auch die der
Kinder- und Jugendhilfe", betont Holger Hofmann,
Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.
Aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes ist es insbesondere nach
der Einführung des bundesweiten Verteilungsverfahrens für
unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Herbst letzten Jahres
zwingend, dass das Primat der Kinder- und Jugendhilfe unangetastet
bleibt. Auch die Regelungen der vorläufigen Inobhutnahme, die
insbesondere die kind- bzw. jugendgerechte Unterbringung der jungen
Menschen, ihre rechtliche Vertretung sowie die Durchführung eines
Erstscreenings zur Einschätzung ihrer individuellen Situation
umfasst, müssen erhalten bleiben. Da bei unbegleiteten
Flüchtlingskindern, beispielsweise hinsichtlich psychischer
Erkrankungen, Sprachentwicklung oder schulischer Qualifizierung,
besondere Förderbedarfe bestehen, sind hier bundeseinheitliche
Qualitätsstandards notwendig. Teil dieser Qualitätsstandards sollte
ein über das Kinder- und Jugendhilfegesetz hinausgehender
Maßnahmenkatalog sein, der den besonderen Bedarfen der unbegleiteten
Flüchtlingskinder Rechnung trägt.
Mit der Einführung der gesetzlichen Verpflichtung, unbegleitete
Kinder und Jugendliche unmittelbar in Obhut zu nehmen, war im Rahmen
des Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetzes (KICK) im Jahr
2005 klargestellt worden, dass unbegleitete Flüchtlingskinder in
Fragen der Unterbringung und Versorgung dem Kinder- und
Jugendhilferecht zugeordnet sind. Gerade angesichts der hohen Zahlen
unbegleiteter Flüchtlingskinder sind die im Kinder- und
Jugendhilfegesetz festgelegten diesbezüglichen Standards bis heute
nicht überall Realität. Darauf mit einer Absenkung der Standards zu
reagieren, wäre falsch. Vielmehr müssen die Strukturen der Kinder-
und Jugendhilfe flächendeckend gestärkt und ausgebaut werden, damit
minderjährige unbegleitete Flüchtlinge unabhängig von ihrem
Aufnahmeort gute Bedingungen vorfinden.
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