(ots) -
Am 3. Mai hatte der Kommissar für Gesundheit und
Nahrungsmittelsicherheit, Dr. Vytenis Povilas Andriukaitis, mit
renommierten Wissenschaftlern (den Professoren Sir Colin Berry, Alan
Boobis, Wolfgang Dekant, Daniel Dietrich, Helmut Greim, Pat
Heslop-Harrison und Richard Sharpe), die sich seit vielen Jahren mit
der Bewertung hormonwirksamer Substanzen beschäftigt haben, ein
Gespräch in Brüssel. Eines der wichtigsten Themen war die z.T. sehr
einseitige Information der Öffentlichkeit und der Europäischen
Kommission über die propagierte Gefährlichkeit hormonwirksamer
Substanzen (endocrine disrupting chemicals: EDCs), die
wissenschaftlich nicht belastbar sind und die der großen Erfahrung
mit therapeutisch eingesetzten hormonwirksamen Arzneimitteln
widersprechen. Dem gegenüber legten die renommierten Wissenschaftler
dar, dass die anstehende Regulierung hormonwirksamer Substanzen durch
die Europäische Kommission auf anerkannten wissenschaftlichen
Kriterien, das heißt einer Risikobewertung, basiert werden kann und
nicht, wie von "Interessensvertreter" wiederholt gefordert, rein über
die Identifizierung einer hormonähnlichen Wirkung aber nicht via
einer Risikobewertung laufen darf.
In der Diskussion wurde zum Ausdruck gebracht, dass die
Öffentlichkeit von einigen Wissenschaftler, NGOs und anderen gut
finanzierten Interessensvertretern mit Behauptungen indoktriniert
wird, dass EDCs krebserzeugend und erbgutverändernd sind, zu
Übergewicht und Diabetes II führen, so dass sie grundsätzlich
verboten werden müssen. Diese Behauptungen sind wissenschaftlich
weder belegbar noch begründbar. Stattdessen hat das Gespräch von
Kommissar Andriukaitis mit der Gruppe von Wissenschaftler betont,
dass der wissenschaftlich Stand der Erkenntnis über die EDCs und ihre
Beeinflussung des Hormonsystems eindeutig und klar ist, so dass nicht
nur die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit in der Lage
ist, diese Substanzen zu identifizieren und das tatsächliche Risiko
für Mensch und Umwelt anhand wissenschaftlich fundierter Kriterien zu
bestimmen.
Dem gegenüber fordern "Interessensvertreter", dass EDCs als
Sonderfall anzusehen sind, da sie wie auch Hormone selbst bei
niedriger Dosis zu unerwarteten Wirkungen führen würden, ihre
Dosis-Wirkungsbeziehung "non-monotonic" sei und sich keine
Wirkungsschwelle feststellen lasse. Diese Behauptungen entbehren
jeder wissenschaftlichen Grundlage und sind auch beim Menschen nicht
zu erwarten, da sie nicht mit den Erfahrungen aus der Verwendung von
Substanzen zur therapeutischen Beeinflussung des Hormonsystems
übereinstimmen. Störungen des Hormonsystems wie Diabetes,
Basedow-Krankheit oder Osteoporose, welche aufgrund zu niedriger oder
zu hoher Hormonkonzentration im Körper auftreten, müssen vom Arzt mit
Arzneimitteln behandelt werden welche dann in das Hormonsystem
eingreifen. Die daraus gewonnene umfangreiche und langjährige
Erfahrung zeigt, dass zu geringe Dosierungen der hormonwirksamen
Arzneimittel ohne Wirkung bleiben, einen nicht-monotone Dosiswirkung
nicht gegeben ist und keine unerwarteten Wirkungen bei niedriger
Dosis bzw. Exposition auftreten.
In dem kürzlich vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)
veröffentlichtem "Consensus Document", welches in einer
Expertensitzung vom 12-13. April erstellt wurde
(http://www.bfr.bund.de/en/home.html) wird festgestellt, dass die
Identifizierung einer hormonähnlichen Wirkung nur der erste Schritt
der Abschätzung der Gefährlichkeit darstellt. Die tatsächliche
Gefährdung von Mensch oder Umwelt lässt sich dagegen nur unter
Berücksichtigung der Wirkungsstärke und der gegebenen Exposition
bestimmen. Da es sich bei Substanzen mit Hormonwirkung sowohl um
synthetische wie natürliche Chemikalien handelt, müsste z.B. Zucker,
welcher zur sofortigen Freisetzung von Insulin führt, zu den
Substanzen mit hormoneller Wirkung gezählt und entsprechend reguliert
werden, wenn man Wirkungsstärke und exponierte Menge nicht
berücksichtigt. Bisphenol F, natürlicher Bestandteil von süßem Senf,
hat die gleichen Wirkungseigenschaften wir Bisphenol A, welches in
Deutschland und Frankreich für bestimmte Verwendungen verboten wurde,
müsste ebenfalls verboten werden wie viele natürliche EDCs z.B.
östrogen wirkende Inhaltstoffe von Pflanzen und Gemüsen und dann
konsequenterweise gleich die Pflanzen selbst. All dies wäre natürlich
wenig sinnvoll und schon agr nicht umsetzbar.
Anhand des sorgfältig im BfR erarbeiteten Consensus Documents
(http://www.bfr.bund.de/en/home.html) und der notwendigen
Berücksichtigung von Wirkungsstärke und Exposition sind Kommissar
Andriukaitis und die Gruppe von Wissenschaftler zuversichtlich, dass
Kriterien für die Bewertung von EDCs und ihre Regulierung durch die
Kommission mithilfe erfahrener Toxikologen, Endokrinologen und
Experten der Risikobewertung unter Berücksichtigung des tatsächlich
gegebenen Risikos ausgearbeitet werden, um die sichere Verwendung
dieser Substanzen zu gewährleisten. Dies dient nicht nur dem Schutz
von Mensch und Umwelt, sondern auch der Wettbewerbsfähigkeit der
europäischen Wirtschaft.
Pressekontakt:
Prof. Daniel Dietrich, +49 7531 883518,
Daniel.Dietrich(at)uni-konsanz.de, University of Konstanz; Germany
Prof. Helmut Greim, +49 8161-715600, helmut.greim(at)lrz.tu-muenchen.de,
TU Munich, Germany
Prof. Alan Boobis, +44 (0)20 7594 6806, a.boobis(at)imperial.ac.uk,
Imperial College London, UK
Prof. Richard Sharp, +44 (0)131-242-6387, r.sharpe(at)ed.ac.uk,
University of Edinburgh, UK