(ots) - Spanien und Portugal sind noch einmal
davongekommen: Sie müssen keine Milliardenstrafen zahlen, weil ihre
Staatshaushalte aus dem Ruder laufen. Jedenfalls noch nicht - die
EU-Kommission hat einen entsprechenden Beschluss auf Juli
vertagt.​
Auf den ersten Blick ist das eine weise Entscheidung. Denn es wäre
kontraproduktiv, wenn sich die Brüsseler Behörde mit Sanktionen in
den spanischen Wahlkampf einmischen würde. Das wäre Wasser auf die
Mühlen der EU-Gegner. Aber auch nach der Wahl in Spanien machen
Strafen keinen Sinn. Sie würden eine neu gewählte, vermutlich linke
Regierung zwingen, für etwas geradezustehen, das ihre konservativen
Amtsvorgänger in Madrid verbockt haben.​
Die verzwickte Lage zeigt, wie schwer das neue Defizitverfahren
anzuwenden ist. Es war auf dem Höhepunkt der Eurokrise verschärft
worden, um weitere Krisen zu vermeiden. Deutsche Stabilitätsfanatiker
hatten sogar automatische Strafen gefordert. Doch ein solcher
Automatismus stößt nicht nur auf politische Probleme. Er ist auch
wirtschaftspolitisch sinnlos: Was soll es denn bringen, einem Staat
Milliardenstrafen aufzubrummen, der ohnehin schon überschuldet
ist?​
Zudem muss die Frage erlaubt sein, woher die Schulden kommen. Vor
der Bankenkrise war Spanien ein Musterschüler der Eurozone, die
Defizite waren gering. Erst als die "Euroretter" die Bankenschulden
auf den Staat abwälzten, schrieb dieser rote Zahlen.​
Das sollten all jene bedenken, die der Kommission nun
Nachlässigkeit vorwerfen und einen neuen, unabhängigen
"Schiedsrichter" im Schuldenstreit fordern.​
Die Lösung liegt nicht in härteren oder automatischen Strafen,
sondern in einer anderen Wirtschaftspolitik - übrigens auch in
Deutschland. Denn auch Berlin verstößt gegen die neuen EU-Kriterien,
zum Beispiel bei der Leistungsbilanz. Merkwürdig, dass die Kommission
darüber kein einziges Wort verliert.​
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