(ots) - Lob der Spaltung
Österreich ist gespalten, darin sind sich alle Analysten der
Bundespräsidentenwahl einig. Der Standard, Die Presse, Spiegel
Online, Süddeutsche Zeitung, die taz - kaum ein Medium kommt nach dem
ultraknappen Wahlausgang ohne dieses Urteil aus. Manche legen sogar
noch eins drauf und schreiben: Das Land ist tief gespalten.
Ja, zum Glück!
Was wäre denn passiert, wenn sich die Österreicher am Sonntag
einig gewesen wären? Sie hätten entweder mit großer Mehrheit den
Grünen Alexander Van der Bellen gewählt, was ja erträglich wäre. Oder
eben den Rechtspopulisten Norbert Hofer ins Amt gehoben. Na, servus.
Angesichts dieser Ausgangslage muss man also hoch erfreut sein, dass
ein Graben die Alpenrepublik durchzieht.
Es stimmt, so eine gesellschaftspolitische Kluft ist
problematisch. Denn man muss feststellen, dass überraschend viele auf
der anderen Seite stehen. Aber es gibt Fälle, da verbietet sich jeder
Kompromiss. Die Frage, ob ein Rechtspopulist Staatsoberhaupt sein
soll, gehört zweifellos dazu.
Jeder muss sich entscheiden und sich die Konsequenzen klar machen.
Der große Unterschied zwischen den beiden Kandidaten hat die Wähler
messbar motiviert; sie strömten an die Urnen wie schon lange nicht,
weil ihre Stimme tatsächlich Gewicht hatte.
Das Unschöne darin ist jedoch, dass ein solches Wahlangebot bisher
leider nur durch Extremisten à la FPÖ entsteht. Die Volksparteien
haben in ihrem Bestreben, in die Mitte zu rücken, ihr Profil und
damit ihre Bedeutung für die Wähler verloren.
In Deutschland ist diese Tendenz erst in Ansätzen zu sehen, in
Österreich in aller Deutlichkeit. Viel zu viele Menschen haben den
Eindruck, es sei egal, wo sie ihr Kreuz machen, weil am Ende eh immer
das Gleiche dabei herauskommt: eine sozialchristdemokratische
Regierung .
Dabei lebt Demokratie von der Differenz. Wir haben nur verlernt
sie auszuhalten.
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