PresseKat - Brexit: wissenschafts- und technologienahe Sektoren haben besonders viel zu verlieren

Brexit: wissenschafts- und technologienahe Sektoren haben besonders viel zu verlieren

ID: 1360550

(ots) -

- Neue Studie von Roland Berger zeigt Auswirkungen eines Brexit auf
wissenschafts- und technologienahe Sektoren
- Ein Austritt Großbritanniens aus der EU träfe vor allem die
britischen Exporte: die Engineering-Sektoren tragen 44 Prozent zu
den Gesamtexporten bei, die wiederum größtenteils für die EU
bestimmt sind
- Ausländische Investoren legen jährlich über 50 Milliarden Pfund
(GBP) in Großbritannien an - diese Direktinvestitionen würden in
naher Zukunft zurückgehen

Wenn die Briten am 23. Juni darüber abstimmen, ob das Vereinigte
Königreich die Europäische Union verlassen soll oder nicht, steht für
die wissenschafts- und technologienahen Sektoren des Landes viel auf
dem Spiel. Sie bilden das Rückgrat der britischen Wirtschaft und
beschäftigen 2,6 Millionen, zumeist hochqualifizierte, Fachkräfte.
Zum britischen Exportvolumen von insgesamt 390 Milliarden GBP tragen
die Engineering-Sektoren 44 Prozent bei, die größtenteils in Länder
der EU geliefert werden. Dies sind einige der Erkenntnisse der neuen
Roland Berger Studie "Engineering Brexit - British industry must
fight to remain".

"Bei einem Handelsbilanzdefizit von 34 Milliarden GBP kann
Großbritannien es sich eigentlich nicht leisten, diese Einnahmen zu
gefährden. 45 Prozent aller britischen Exporte gehen an Abnehmer in
der EU, wogegen nur 10 Prozent der EU-Exporte nach Großbritannien
geliefert werden. Die Inselnation ist damit wohl kaum in einer
starken Verhandlungsposition", kommentiert Tim Longstaff, Partner bei
Roland Berger in London.

Der Fokus auf Exporte im Engineering- und Verarbeitungssektor
führt auch zu regionalen Ungleichgewichten: Schottland, Nordirland
und der Norden Englands sind Großbritanniens einzige Nettoexporteure
von Gütern. Da exportierende Unternehmen überproportional stark




betroffen wären, geben die Roland Berger Experten zu bedenken, dass
ein Brexit auch der Auslöser zum Auseinanderbrechen des Vereinigten
Königreichs sein könnte.

Brexit hat direkten Einfluss auf ausländische Direktinvestitionen

Großbritannien hat seit vielen Jahren einen festen Platz unter den
zehn führenden Volkswirtschaften der Welt, entwickelt sich aber
mittlerweile wieder sehr stark bei eingehenden und ausgehenden
Kapitalinvestitionen. Britische institutionelle und private Anleger
investieren in ausländische Vermögenswerte und ausländische
Investoren legen ihr Kapital gerne in Unternehmen und Sachwerten in
Großbritannien an; ihre Investitionen belaufen sich auf jährlich über
50 Milliarden GBP. Gemessen an seinem Bruttoinlandsprodukt
verzeichnet Großbritannien den höchsten Zufluss an ausländischen
Direktinvestitionen unter den großen Volkswirtschaften, und auch hier
sind die Engineering-Sektoren überproportional stark vertreten. "
Großbritannien ist seit langem bei ausländischen Direktinvestitionen
(FDI) weltweit führend. Die FDI-Zuflüsse kommen allen Sektoren und
Regionen zugute und haben allein im Jahr 2015 schätzungsweise 84.000
Arbeitsplätze geschaffen", sagt Longstaff. Aber auch britische
Unternehmen haben 1,0 Billionen GBP im Ausland investiert - mit einem
Ertragspotenzial von jährlich 65 Milliarden GBP. "Ein Brexit hätte
entscheidende Auswirkungen auf Großbritanniens ausländische
Direktinvestitionen. Denn Erhebungen zeigen durchweg, dass über die
Hälfte der FDI-Zuflüsse unmittelbar für die Bedienung des EU-Marktes
bestimmt sind und Großbritannien in Europa bisher von Mitteln aus
allen Quellen am meisten begünstigt wurde", sagt Paul Jowett,
Managing Partner bei Roland Berger in London. "Unter dem Strich ist
bei einem EU-Austritt Großbritanniens zu erwarten, dass sich die
internationalen Handelskonditionen verschlechtern und die
Attraktivität für ausländische Direktinvestitionen abnehmen werden,
vor allem in naher Zukunft".

Automobil- und Luft-/Raumfahrtindustrie am stärksten gefährdet

Ein Austritt Großbritanniens aus der EU würde einige
Engineering-Sektoren empfindlicher treffen als andere. Der Roland
Berger-Studie zufolge würden die Automobilindustrie und der Luft- und
Raumfahrt-/Verteidigungssektor (A&D) angesichts des Zusammenspiels
von Exporten, Nachfrage, Eigentumsverhältnissen und Supply Chain
besonders schwer getroffen. Bis Februar 2016 wurden in Großbritannien
1,6 Millionen Kraftfahrzeuge hergestellt. Dies entspricht einer
Erholung um 60 Prozent gegenüber dem Tiefststand, den die Branche
1980 erlebte und liegt nahe an den 1972 erzielten Spitzenwerten. 2015
wurden 77 Prozent aller in Großbritannien produzierten Fahrzeuge
exportiert, 44 Prozent davon in die EU. "Es hat viele Jahre gedauert,
um den britischen Automobilsektor wieder zu dem aufzubauen, was er
heute ist: Nämlich Teil der europäischen und internationalen
Automobilindustrie, in hohem Maße abhängig von europäischen
Teilelieferanten und vom Austausch qualifizierter Fachkräfte, eng
verdrahtet mit Unternehmenszentralen und Konstruktionszentren auf dem
europäischen Kontinent", erklärt Roland Berger-Partner Robert
Thomson. Die britische A&D-Industrie ist die zweitgrößte der Welt und
würde durch einen Brexit ebenfalls erheblich beeinträchtigt. "Die
Zeiten, in denen Großbritannien die Entwicklung eines neuen Flugzeugs
für die zivile oder militärische Luftfahrt im Alleingang finanzieren
konnte, sind längst vorbei, da die A&D-Bereiche innerhalb der EU sehr
eng vernetzt sind", bemerkt Thomson.

Auch wenn die Debatte um den Brexit bisher allseits Unsicherheit
verbreitet hat, gewinnen die Roland Berger-Experten ihr auch
Positives ab: Durch sie wurden klare Stimmen laut, die einen
Kurswechsel zur verstärkten Unterstützung des Handels in der EU und
anderswo fordern. Darüber hinaus würde ein Verbleib Großbritanniens
in der EU die Chance bieten, die Zeit der Selbstausgrenzung in
Brüssel zu beenden und in der EU eine Veränderung zugunsten des
Handels herbeizuführen. Mit ähnlich proaktiver Unterstützung aus
anderen Branchen könnte dieser Wandel auch eine Ausweitung des
Binnenmarktes auf den Dienstleistungssektor bedeuten.

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Datum: 25.05.2016 - 09:13 Uhr
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