(ots) - Reporter ohne Grenzen (ROG) begrüßt die Freilassung
der seit eineinhalb Jahren in Aserbaidschan inhaftierten
Investigativjournalistin Khadija Ismajilowa. Das Oberste Gericht des
Landes reduzierte Ismajilowas Strafe am Mittwoch von siebeneinhalb
Jahren auf dreieinhalb Jahre Gefängnis und setzte sie zur Bewährung
aus.
"Wir freuen uns mit Khadija Ismajilowa über ihre Freilassung, aber
dieses Urteil kann nur ein erster Schritt zu ihrer Rehabilitierung
sein", sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Khadija Ismajilowa
hätte keinen einzigen Tag hinter Gittern verbringen dürfen. Alles
andere als eine vollständige Aufhebung ihrer Strafe bleibt eine
Justiz-Farce. Nach wie vor sitzen in Aserbaidschan Journalisten und
Blogger wegen ihrer Arbeit im Gefängnis."
Ismajilowa ist durch ihre Recherchen über Vetternwirtschaft und
Korruption der Familie von Aserbaidschans Präsident Ilcham Alijew
international bekannt geworden. Das Internationale Konsortium
Investigativer Journalisten (ICIJ) würdigte bei der Veröffentlichung
der "Panama Papers" ausdrücklich die Verdienste der Kollegin, die
wegen ihrer siebeneinhalbjährige Haftstrafe für angebliche
Steuerhinterziehung und Unterschlagung nicht an dem internationalen
Rechercheprojekt mitarbeiten konnte (http://t1p.de/ladm). Die
britische Menschenrechtsanwältin Amal Clooney klagte vergangenes Jahr
im Namen Ismajilowas beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
gegen ihre Inhaftierung.
Reporter ohne Grenzen unterstützt Ismajilowa seit Jahren und hat
sich unter anderem mit einer Online-Petition für ihre Freilassung
eingesetzt (www.reporter-ohne-grenzen.de/ismajilowa).
DUBIOSE VORWÜRFE, PROZESS MIT VIELEN UNREGELMÄSSIGKEITEN
Die Journalistin war am 5. Dezember 2014 in Baku verhaftet und im
vergangenen September zu siebeneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt
worden. Als Vorwand für ihre Verfolgung dienten zunächst die - wenig
später zurückgenommenen - Anschuldigungen eines früheren Kollegen,
Ismajilowa habe ihn in einen Selbstmordversuch getrieben. Erst
nachträglich wurde sie wegen Untreue, illegalen Unternehmertums und
Steuerhinterziehung angeklagt. Die Vorwürfe betreffen die Zeit von
Juli 2008 bis Oktober 2010, als Ismajilowa das Büro von Radio Free
Europe/Radio Liberty in Baku leitete.
Das Oberste Gericht sprach die Journalistin nun von den
Anklagepunkten Untreue und Machtmissbrauch frei, bestätigte aber die
Strafen für illegales Unternehmertum und Steuerhinterziehung
(http://t1p.de/2rq6). Nach ihrer Freilassung wird sie einem
Reiseverbot und weiteren Einschränkungen unterliegen.
Das ursprüngliche Verfahren gegen Ismajilowa in Baku war von
zahlreichen Unregelmäßigkeiten begleitet gewesen. Wiederholt wurde
der Journalistin Einsicht in ihre Akten verwehrt, die Anklage legte
zentrale Beweisstücke nicht vor. Zeugen berichteten, sie seien von
der Staatsanwaltschaft unter Druck gesetzt worden. Keiner ihrer
ehemaligen Kollegen bei Radio Free Europe/Radio Liberty sagte gegen
Ismajilowa aus. Während ihres Schlussplädoyers verließen die
zuständigen Richter den Raum. Zahlreichen Journalisten, Aktivisten
und ausländischen Diplomaten, die sich an Prozesstagen vor dem
Gericht versammelten, wurde der Zugang mit Hinweis auf mangelnden
Platz verwehrt.
Der Versuch, Ismajilowa durch die Justiz zum Schweigen zu bringen,
war Teil einer aggressiven Kampagne der aserbaidschanischen Führung
gegen Kritiker im eigenen Land. Seit dem Sommer 2014 hatte das Regime
prominente Aktivisten verhaftet und seine Repressionen gegen
unabhängige Journalisten verschärft.
PROTESTAKTION VOR DER ASERBAIDSCHANISCHEN BOTSCHAFT AM FREITAG
Zu Khadija Ismajilowas 40. Geburtstag wird Reporter ohne Grenzen
am Freitag (27. Mai) mit einem Geburtstagsfest (mit Torte!) vor der
aserbaidschanischen Botschaft in Berlin die vollständige Aufhebung
ihrer Strafe fordern. Die Aktion beginnt um 11 Uhr vor der Botschaft
der Republik Aserbaidschan, Hubertusallee 43, 14193 Berlin. Sie ist
Teil eines internationalen Aktionstags mit Protesten in vielen
weiteren Ländern.
Auf der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne
Grenzen steht das Land auf Platz 163 von 180 Staaten. Weitere
Informationen über die Situation von Journalisten und
Menschenrechtsaktivisten in Aserbaidschan finden Sie unter
www.reporter-ohne-grenzen.de/aserbaidschan.
Pressekontakt:
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