(ots) -
Ein Aktionsbündnis aus Campact, foodwatch und Mehr Demokratie
initiiert eine Bürger-Verfassungsbeschwerde gegen CETA.
Das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada höhle
die demokratischen Rechte der Bürgerinnen und Bürger aus. Dennoch
solle nach Plänen der Europäischen Union das Abkommen bereits
"vorläufig" in Kraft treten - ohne dass der Bundestag und die
Parlamente in anderen EU-Staaten darüber abgestimmt haben,
kritisierten die drei Nichtregierungsorganisationen heute auf einer
gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin. Mit der Klage soll geprüft
werden, ob der CETA-Vertrag, der als Blaupause für das TTIP-Abkommen
mit den USA gilt, sowie seine "vorläufige Anwendung" mit dem
Grundgesetz vereinbar sind. Unter www.ceta-verfassungsbeschwerde.de
kann sich ab sofort jeder der Bürgerklage "Nein zu CETA" anschließen.
"Sonderklagerechte für Investoren, demokratisch nicht legitimierte
Expertengremien, eine fehlende Beteiligung des Deutschen Bundestages:
CETA ist nicht nur demokratiepolitisch gefährlich, sondern auch
verfassungsrechtlich bedenklich. Die bisherige Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts lässt nur den Schluss zu, dass
völkerrechtliche Verträge eines solchen Inhalts nicht mit dem
Grundgesetz übereinstimmen", sagte Prof. Bernhard Kempen, Direktor
des Instituts für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht an
der Universität Köln, der das Aktionsbündnis als
Prozessbevollmächtigter vertritt. "Die Verfassungsbeschwerde richtet
sich nicht nur gegen ein deutsches Zustimmungsgesetz zu CETA, sondern
auch schon gegen die Zustimmung Deutschlands zur sogenannten
'vorläufigen Anwendung' des Handelsvertrages."
Die Europäische Union plant, dass der EU-Ministerrat noch dieses
Jahr über den CETA-Vertrag abstimmt und ihn damit zugleich für
"vorläufig anwendbar" erklärt - noch bevor ein einziges Parlament in
den Mitgliedstaaten seine Zustimmung dazu erteilt hat. Bis dann in
allen 28 nationalen Parlamenten abgestimmt würde, könnten Jahre
vergehen und so Tatsachen geschaffen werden, kritisierten Campact,
foodwatch und Mehr Demokratie. Sobald die Abstimmung im Ministerrat
ansteht, will das Aktionsbündnis daher einen "Antrag auf einstweilige
Anordnung" beim Bundesverfassungsgericht einreichen, um dem deutschen
Vertreter im EU-Rat zu untersagen, der "vorläufigen Anwendung"
zuzustimmen.
Daneben wenden sich die Initiatoren der Verfassungsbeschwerde auch
gegen konkrete Inhalte des Handelsvertrages. So sind im CETA-Abkommen
im Rahmen der "regulatorischen Zusammenarbeit" Expertengremien
vorgesehen. Diese "Joint Committees" seien nicht demokratisch
legitimiert, könnten aber trotzdem den Vertrag nach seinem Abschluss
stetig weiterentwickeln und entscheidend verändern. "Wenn
außerparlamentarische Gremien ohne parlamentarische Rückkopplung
verbindliche Entscheidungen treffen können, ist das mit dem
Demokratieprinzip des Grundgesetzes nicht vereinbar und
verfassungswidrig", sagte Roman Huber, Geschäftsführer von Mehr
Demokratie. Das Aktionsbündnis kritisierte zudem das in CETA
vorgesehene Investitionsgericht (ICS). Es schriebe Sonderklagerechte
für ausländische Unternehmen fest. Investoren könnten Regierungen
verklagen, sobald die vom Unternehmen erwarteten wirtschaftlichen
Gewinne zum Beispiel auf Grund von schärferen Verbraucher- oder
Umweltschutzgesetzen geschmälert werden, lautet die Kritik. "Eine
Parallelgesetzgebung kann fast alle Lebensbereiche beeinflussen und
eine Paralleljustiz Recht sprechen - damit verändert CETA den Kern
unserer Verfassungsordnung", fasste Roman Huber zusammen.
Thilo Bode, Geschäftsführer der Verbraucherorganisation foodwatch,
betonte, dass es bei CETA - anders als bei bisherigen
Handelsverträgen - nicht nur um den Abbau von Zöllen und die
Angleichung technischer Standards gehe: "Das Abkommen greift tief in
alle gesellschaftlichen Bereiche wie Umwelt-, Verbraucher- oder
Arbeitnehmerschutz ein. Es ist unglaublich, dass ein solch
weitreichender Vertrag schon 'vorläufig' in Kraft treten soll, ohne
dass auch nur ein Parlamentarier in den Mitgliedsstaaten dafür die
Hand gehoben hat. Der Bundestag darf bei einer so wichtigen
Entscheidung nicht entmachtet werden!" Zudem setze CETA Standards,
hinter die das geplante amerikanisch-europäische Freihandelsabkommen
TTIP dann nicht mehr zurückfallen könne, kritisierte Bode: "CETA ist
TTIP durch die Hintertür. Das müssen wir verhindern!"
"Die Verfassungsklage ist ein weiteres wichtiges Standbein unserer
Kampagne neben Demonstrationen und Aktionen, mit denen wir auch
weiter dafür kämpfen, CETA politisch zu verhindern. Sie bietet den
Bürgerinnen und Bürgern eine zusätzliche wirksame Möglichkeit, sich
gegen die unfaire Handelspolitik unserer Regierung zu wehren", so
Maritta Strasser, verantwortliche Campaignerin bei Campact. "Jeder
kann unsere Verfassungsbeschwerde 'Nein zu CETA' jetzt ganz einfach
mit seiner Unterschrift unterstützen. Je mehr Menschen die
Verfassungsbeschwerde im Vorfeld unterstützen, desto deutlicher
unsere Botschaft!"
Für CETA liegt, anders als für den "großen Bruder" TTIP, der
ausgehandelte Vertragstext bereits vor. Sobald die Europäische Union
- voraussichtlich im Herbst - über den Handelsvertrag CETA
entscheidet, wird das Aktionsbündnis seine Beschwerde offiziell beim
Bundesverfassungsgericht einreichen.
Redaktionelle Hinweise: Website der Bürgerklage:
https://www.ceta-verfassungsbeschwerde.de/
FAQs zur Verfassungsbeschwerde:
http://ots.de/UHbp5
Hintergrundpapier des Prozessvertreters Prof. Bernhard Kempen:
http://ots.de/F5pEE
Pressekontakt:
foodwatch:
Andreas Winkler, presse(at)foodwatch.de,
030 / 24 04 76 290, 0174 / 375 16 89
Mehr Demokratie:
Anne Dänner, presse(at)mehrdemokratie.de,
0178 / 816 3017, 030 / 420 823 70
Campact:
Jörg Haas, presse(at)campact.de, mobil 04231-957 590