Als Nicolae Ceausescu am 22. Dezember 1989 in Panik per Hubschrauber aus Bukarest floh, waren die Piloten bereits im Bund mit den Revolutionären. Auch 20 Jahre danach ist unklar, wie der Sturz der Diktatur zustande gekommen ist. Nach der Serie der "samtenen" Revolutionen im Wendejahr 1989 kam das Ende des Kommunismus in Rumänien gewaltsam und blutig. Warum der Umsturz hier im Dezember 1989 mit vielen Todesopfern einherging und warum Diktator Nicolae Ceausescu und seine Frau Elena in einem international kritisierten Verfahren hingerichtet wurden, ist unklar. Denn die Archive der gefürchteten früheren kommunistischen Geheimpolizei Securitate sind noch immer nicht vollständig geöffnet. Zur Initialzündung kam es am Abend des 16. Dezember in der westrumänischen Stadt Temeswar (Timisoara), als sich Demonstranten vor dem Haus des ungarisch-protestantischen Pastors Laszlo Tökes versammelten. Sie protestierten gegen die von den kommunistischen Behörden angeordnete Versetzung des Pastors. Die Kundgebung entwickelte sich zu einer Demonstration gegen Ceausescu. Es folgten Attacken auf Schaufenster von Buchhandlungen, in denen die Werke Ceausescus auslagen, danach tagelange Straßenkämpfe mit der Armee, verstärkt durch zusätzliche Truppen, die Ceausescu nach Temeswar schickte. Insgesamt 1104 Menschen starben, davon 942 nach der Flucht des Diktators vom 22. Dezember.(s. Stern 22.12.04)
(firmenpresse) - Betrachtungen von Dieter Topp
Seit den Tagen der Revolution sind jetzt 20 Jahre vergangen. Rumänien hat einen radikalen Transformationsprozess und einen mühseligen Weg Richtung Europäische Union hinter sich, in der es als Mitglied angekommen ist. Es ist fraglich, ob die Bewohner der restlichen Union schon in Rumänien angekommen sind. Dazu versucht das KulturForum Europa (www.kfe.de) seit nunmehr drei intensiven Jahren einen Beitrag zu leisten. Rumänien ist mehr ... so lautet der Slogan, unter dem auf kultureller Schiene positive Nachrichten, Neuigkeiten und Bilder in die restlichen Staaten der EU transportiert werden. Ein mühseliges Unterfangen für die Pressestelle der Europa-Vereinigung und die assoziierte Presseagentur PPS-Promotion-Presse-Service, denn bislang verkaufen sich Sex und Crime aus Rumänien bestens. Positiva tun sich schwer, offene Ohren zu finden. "Erzähl mir von Rumänien, dem Land der Vampire, der Straßenräuber, der Pferdekutschen, vom tiefen Romanistan. Erzähl mir von Siebenbürgen, dem Land hinter den Wäldern, von den Kirchenburgen der Sachsen, von den Ländlern und vom Széklerland. Erzähl mir von der Walachei mit ihren Ochsenwagen, vom Land der Überschwemmungen und dem Delta des Donaustroms. Erzähl mir von der Moldau mit ihren Klöstern und Popen und von Iasi, dem Hort des Geistes. Erzähl mir von Bukarest". "ORF- Rumänien nach der Revolution, Erstaunliches über Rumänien)
Festival-Managerin Cristina Modreanu, die 2009 ihr zweites Festival zusammenstellte, war mir im vergangenen Jahr mit ihrer Freude über den Aufbruch des rumänischen Theaters nach Europa in Erscheinung getreten und erntete große Nachfrage aus den anderen Staaten, sich in Rumänien zu präsentieren. Sie war den künstlerischen Austausch anstrebend aufgefallen, rumänisches Theatergeschehen der erfolgreichen Filmarbeit ihres Landes gleich zu setzen. Doch da musste sie eine herbe Enttäuschung entgegennehmen, man hatte der engagierten künstlerischen Leiterin 75% des Budgets aus Gründen der weltweiten ökonomischen Krise einfach gestrichen. Anderes Festival-Geschehen hingegen wurde hundertprozentig von Seiten des Kulturministeriums gefördert. Wie kommt es dazu, muss man den (noch) amtierenden zuständigen Minister Theodor Paleologu fragen, den ich doch allabendlich im Musikfestival gesehen hatte, der meinen Agentur-Journalisten überschwänglich positive Interviews über die Bedeutung eines Festivals für sein Land deklarierte, der Sträußchen und Küsschen an die Musiker verteilte und sich beim Theaterfestival lediglich zur Eröffnung blicken ließ und das auch nur zu einer französischen Aufführung, dem einzigen europäischen Gast.
Ein Politiker sollte doch wissen, dass das Theater die zeitgenössische politische Bühne für sein Land bedeutet. Auf den Brettern der Bühne des Theaterfestivals spiegelt sich 2009 wider, was im ganzen Land Rumänien an neuen Tendenzen, an europäischen und internationalen Engagements in Sachen Kultur betrieben wird: ein kulturelles Schaufenster der Arbeit seines Landes, das zeigt, wo Rumänien steht, wohin es will und was seine Sorgen sind. Die Entschuldigung, er habe kein Geld, zieht nicht. Eine derartige Aussage gehört eher in die aristokratische Denkweise einer längst nicht mehr evidenten Gesellschaft. Ein Kulturminister vergibt keine Gelder aus dem staatlichen Füllhorn, das hätten ihm seine mehr als 20 (!) Berater, die er auch nicht weiß zu bezahlen, längsten soufflieren müssen. Das moderne, zeitgemäße Management eines Ministeriums geht anders. Das haben seine Kollegen rund um die EU schon längst begriffen. Wo sind die "runden Tische", an die die Vertreter der Industriegesellschaft geladen werden, um sich mit den Kulturprofis über Kooperation und Sponsoring auszutauschen? Der Minister, der selber sagt, er habe dieses Amt nicht gewollt, hat bei diesem Festival kläglich versagt und war wohl auch deshalb nicht bereit, auf mein Anschreiben zu reagieren, wohlweislich, dass dies kein nettes, liebevolles Interview über Musik werden würde.
Cristina Modreanu hingegen hat Beachtliches geleistet. Ein radikal gekürzter Etat gab ihr Rätsel auf, wie sie den Level des Festivals, das sie letztes Jahr als künstlerische Leiterin zum Erfolg geführt hatte, in dieser Ausgabe halten könnte. Ihr und ihrer Crew ist Außergewöhnliches gelungen. Zwar musste die internationale Beteiligung abgesagt werden, aber sie hatte es geschafft, Journalisten aus über 20 Ländern nach Bukarest einzuladen und ganz sicher die Bedeutung internationaler Resonanz auf das rumänische Theatergeschehen begriffen. Und die Art-Manager, Theaterdirektoren, Festivalverantwortlichen und Theaterkritiker haben ihr recht gegeben: Das Bukarest Theaterfestival zeigt, dass die Theater in den rumänischen Städten der Hauptstadt ebenbürtig sind, und dass rumänisches Theaterschaffen in Europa und international angekommen ist. So ist es letztlich ihr zu verdanken, wenn 2010 ein zeitgenössisches rumänisches Stück, von einem Rumänen inszeniert, zum Festival neuer europäischer Theaterstücke nach Wiesbaden eingeladen werden wird, dass Redakteurin Medana Weident einen breiten Festival-Überblick über die Deutsche Welle ausstrahlen wird und dass ein neues Festival in der deutsch-niederländischen Region bei Aachen daran arbeitet, Rumänien als Kulturpartner ins Boot zu nehmen. Und das hat seinen Grund.
Auf drei Rubriken des diesjährigen Festivals möchte ich mich hier beschränken. Da ist der Überblick über das rumänische Theater, die Festival-Neuerscheinungen und erstmalig die Opern-Beiträge. Letztere hatten mit Ausnahme von "Orpheus und Eurydike" im Bulandra Theater nicht den Level des Festivals und gehörten eher in die unterhaltsame Samstagabendvorstellung, in der sich der Besucher zurücklehnen, gemütlich entspannen oder gar einschlafen darf. Regie-Theater ist im Bukarester Opernhaus noch kein Begriff.
Das Festival bot die einmalige Chance, sich einen Überblick über die Qualität von Theater im ganzen Land zu verschaffen. Und diese ist recht hoch. Nationale und internationale Autoren wurden in zeitgenössischer Bearbeitung und Umsetzung vom Odeon Theater, dem Bulandra Theater, dem Kleinen Theater Bukarest geboten und erhielten rege Konkurrenz in der Gunst der Besucher zu den Vorstellungen aus Sibiu, Iasi, Ploiesti, Braila und vor allem dem Staatstheater Cluj, das mit der Inszenierung von Razvan Popescu "Psychosis 4.48" nach Sarah Kane einen bewegenden Eindruck hinterließ. Es sei die Ada Lupo Inszenierung von Tschechows "Drei Schwestern" des Nationaltheaters Timisoara genannt, eine gelungene Kerzen beleuchtete atmosphärische Inszenierung in modernem Gewand. Das Theater war nicht umsonst in diesem Jahr zusammen mit dem Regisseur Radu Afrim für seine Verdienste um Toleranz, Akzeptanz und Diversity mit dem Kulturpreis Europa ausgezeichnet worden. Aus diesem Haus kam auch Alexander Hausvaters Inszenierung von Shakespeare's "Wintermärchen", das als einziges für den Besucher eine politische Nähe zum 20. Gedenktag an die Revolution zuließ, was meine Eingangsfrage auf der Suche nach dem politischen Stellenwert des Theaters in Rumänien beantwortet. Eine aufregend mitreißende Vorstellung, in die der Besucher hinein gesogen wird und der "Choreographie der Grausamkeiten" nur wieder entfliehen kann, wenn er sich zu Bewusstsein führt, dass es ja nur ein Märchen sein soll. Oder?
Wenn auch aus der Stadt, in der 1989 die ersten Schüsse die Revolution auslösten, kein politisches Statement kam, so sei Theaterdirektorin Ada Hausvater beglückwünscht, auch mit einem dritten Stück das Festival bereichert zu haben. Michaela Michailovs Stück "Wie Barbie die Weltkrise überwindet" in der flippigen Workshop Show von Alexandra Badea zeigte stellvertretend für Rumänien, welche Richtung das zeitgenössische Theater augenblicklich verarbeitet. Konsum, Gesellschaft und zwischenmenschliche Probleme werden von allen Seiten beleuchtet, Lösungen gekonnt angedacht oder ad absurdum geführt, von Tagespolitik keine Spur. Sich nicht mit diesem Thema auseinanderzusetzen mag ein rumänischer Restkomplex sein oder ist es gar die immerwährende Entschuldigung, man könne eh nichts ändern? Dass es anders geht, haben die Türken in diesem Jahr mit der Istanbul Biennale bewiesen, wo die vier verantwortlichen, jungen kroatischen Kuratorinnen Bertolt Brecht zitierten: "Denn wovon lebt der Mensch ..." , eine politische Aufforderung, der über 600 Kritiker und Journalisten folgten. Die Türkei und ihre intellektuelle Schicht ist erst auf dem Weg nach Europa. Rumänien ist darin.
Zum Trost und auch als Highlight möchte ich in dieser Festivalausgabe einige Inszenierungen benennen. David Schwartz lieferte mit "Make Room" und besonders "küsse dich, Rumänien" eine vielbeachtete Leistung ab, die sicherlich eine weitere Einladung ins europäische Ausland zur Folge haben wird, wozu ihm hiermit gratuliert sei. Dass Radu Afrims Inszenierung des "Pillowman" aus Braila auf dem Programmzettel stand, mag der informierte Besucher zu interpretieren wissen, denn just dieses Werk von Martin McDonagh wurde versucht zu boykottieren. Mit der Begründung, die dargestellte soziale Härte verderbe die rumänische Jugend, wollte sich ein Lokalpolitiker die rechten Stimmen für seinen Wahlkampf sichern. Also ist das rumänische Theater doch politischer als sein Ruf? Zumindest erntete Regisseur Afrim dafür europäische und demokratische Zustimmung.
Abschließend seien noch zwei Außenseiteraufführungen angeführt. Wieder zurück nach Temeswar, wo 1989 alles begann. Das bisher eher provinziell dahin dümpelnde deutsche Staatstheater Timisoara, sorgte 2009 für gleich zwei Stücke im Festival. Zum einen konnte im Ionesco-Jahr "Die kahle Sängerin" in deutscher Sprache inszeniert von Alexandru Dabija sich mit den gleichnamigen Stücken der französischen Produktion Cie Les Intempestifs aus Besançon und dem Nationaltheater Cluj messen, was dem Vergleich standhielt.
Die Newcomer Regiearbeit von Alexandru Mihaescu des Mark Ravenhill Stücks "Pool, No Water!" stellte jedoch alle Leistungen dieses Theaters in den Schatten. Hier lieferte der junge Regisseur, der schon vorher mit seiner Arbeit "The Concretes" nach Vladimir Sorokin im Green Hours Monday Theatre beachtlichen Erfolg erntete, eine große Leistung ab. Er verlangte seinen Schauspielern physisch alles ab, was ihre Körper nur in der Lage waren herzugeben. Hier kam dem Besucher das in Rumänien seltene Glück zuteil, von Bewegung und Visuellem in bestens ineinandergreifenden Ablauf hinein gesogen zu werden, so wie die Darsteller vom Wort in die Bewegung bis zur unweigerlichen Erschöpfung agierten und das Ganze in einem Rausch voll blauer alienhafter Flüssigkeit exaltierte. Die weißen Anstaltswände mit ihren interaktiven Gucklöchern, die raren Requisiten schienen allesamt der Temposteigerung und dem explosiv kollabierenden Ende des Ganzen zu dienen. Ein Ravenhill von "aggressiv körperlicher Ästhetik", wie M. Michailov in ihrer Kritik punktgenau bemerkte.
Dem deutschen Theater ist mit dem in Timisoara geborenen und in Bukarest lebenden Alexandru Mihaescu ein Glücksfall zuteil geworden, von dem man hoffen mag, dass er sich wiederholt. Dies würde aus dem Status eines eher unbedeutenden Stadttheaters heraushelfen und dem benachbarten und erfolgreichen Nationaltheater gleichkommen können, und Regisseur Mihaescu hat genug Auslandserfahrung - er arbeitete auch intensiv in Deutschland - um diesen Level in weiteren Inszenierungen aufrecht zu erhalten.
Zum 19. Theaterfestival habe ich mich nach Bukarest aufgemacht, um erneut zu recherchieren, ob und in welcher Form die Revolution ihren Niederschlag, die Verarbeitung in den Werken und Inszenierungen der rumänischen Theaterelite 2009 gefunden hat. Was beschäftigt die Profis heute, wofür steht zeitgenössisches Theater in Rumänien und wie ist Theater heute in den Staatsapparat eingebunden? Fragen habe ich gestellt, nach Antworten gesucht und einige auch gefunden.
Fotos: Radu Afrim und PPS
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