(ots) - Studie von Stifterverband und McKinsey:
Digitalisierung verändert akademische Berufswelt dramatisch - Studium
muss angepasst werden - Gesamtindex zeigt auch positive Entwicklungen
in der Hochschulbildung: Jeder vierte Studienanfänger an ostdeutschen
Unis kommt mittlerweile aus dem Ausland
Die akademische Berufswelt steht vor erheblichen Veränderungen:
Die Digitalisierung verändert zunehmend auch technikferne Berufe,
viele akademische Tätigkeiten werden durch Automatisierung ersetzt
werden können. Hochschulen bereiten die Studierenden jedoch nicht
ausreichend genug auf die neuen Anforderungen einer Arbeitswelt 4.0
vor. Dies sind die zentralen Ergebnisse des
"Hochschul-Bildungs-Reports 2020", dessen aktuelle Ausgabe mit dem
Schwerpunkt "Hochschulbildung für die Arbeitswelt 4.0" am Montag in
Berlin vom Stifterverband und McKinsey & Company vorgestellt wurde.
"Die Digitalisierung verändert nun auch technikferne und damit
zunehmend akademische Berufe", erläuterte McKinsey-Seniorpartner
Jürgen Schröder die Ergebnisse. Der Report basiert u.a. auf einer
repräsentativen Umfrage unter 300 Unternehmen in Deutschland. Danach
gehen 75 Prozent von ihnen davon aus, dass Verwaltungstätigkeiten
automatisiert werden. 39 Prozent rechnen mit dem Wegfall akademischer
Berufe und deren Ersatz durch Maschinen. McKinsey-Berater Schröder
erwartet allerdings weniger den Wegfall ganzer akademischer Berufe,
sondern mehr die Veränderung der Berufsbilder durch digitale
Unterstützung. Schröder: "Akademiker benötigen mehr und tiefergehende
digitale Kompetenzen als bisher, beispielsweise in der Auswertung von
Statistiken oder in der digitalen Analyse und Beurteilung großer
Datenmengen." Die Unternehmen fordern zunehmend den Nachweis solcher
Kompetenzen in den Lebensläufen, wie die Befragung zeigt. Wichtig
sind zudem Praxiserfahrung und Fremdsprachen; weniger relevant werden
hingegen der reine Notenschnitt oder der Ruf einer Hochschule.
"Die meisten großen Arbeitgeber suchen Talente mit den relevanten
digitalen Fähigkeiten bereits auch international, damit der knappe
Talentpool für sie breiter wird", beurteilt Solveigh Hieronimus,
McKinsey-Partnerin und internationale Arbeitsmarktexpertin, die
aktuelle Entwicklung. Damit steige auch der Wettbewerb für
Studierende aus dem Inland.
"Unsere Hochschulen bereiten Akademiker nicht ausreichend auf die
Arbeitswelt 4.0 vor", sagte Volker Meyer-Guckel, der stellvertretende
Generalsekretär des Stifterverbands. Fallen in Zukunft vor allem
akademische Routinetätigkeiten weg, dann werde mehr selbstständiges
und kollaboratives Arbeiten verlangt. Deshalb sollten Hochschulen
ihren Studierenden mehr Wahlmöglichkeiten und Raum für individuelle
Schwerpunkte bieten. Wichtig für ein solches individuelles Studium
sei die begleitende Einführung eines Kompetenzcoachings, das
Studierende bei der Wahl von Modulen berät. Schon heute gebe es erste
Schritte in diese Richtung, beispielsweise das Studium Individuale
der Leuphana Universität in Lüneburg oder auch das Modell der
Technischen Universität Hamburg-Harburg mit der erweiterten
Studieneingangsphase. Individuelleres und praxisorientiertes Lernen
werde außerdem durch mehr Flexibilität bei der Wahl der Lernorte
möglich: Hochschulen sollten Meyer-Guckel zufolge deshalb künftig
stärker mit anderen Hochschulen, Berufsschulen, privaten
Bildungsanbietern und Unternehmen kooperieren.
An die neuen Anforderungen der Arbeitswelt 4.0 müsse sich auch die
Didaktik an den Hochschulen anpassen, so Meyer-Guckel: "Wir müssen
weg vom konsumierenden, hin zu einem aktiven, kreierenden und auch
forschenden Lernen." Als Beispiele nannte er dafür interaktive
Lernformate wie das "Blended Learning", das verschiedene Medien und
Methoden wie Präsenzunterricht und E-Learning kombiniert. Auch die
Diskussion um das lebenslange Lernen erhalte durch die Anforderungen
der Arbeitswelt 4.0 eine noch stärkere Bedeutung. "Deshalb sollten
Hochschulen auf dem Weiterbildungsmarkt eine viel stärkere Rolle als
bisher spielen", empfahl Meyer-Guckel. Aus Sicht von Arbeitnehmern
seien Abschlüsse von Hochschulen - anders als Zertifikate aus
innerbetrieblichen Weiterbildungen - auch über den aktuellen Job
hinaus attraktiv.
Insgesamt untersucht der Hochschul-Bildungs-Index, den
Stifterverband und McKinsey seit 2013 jährlich erheben, sechs
Handlungsfelder: chancengerechte Bildung, beruflich-akademische
Bildung, quartäre Bildung, internationale Bildung, Lehrer-Bildung und
MINT-Bildung. Unterm Strich hat sich der Index im vergangenen Jahr
zwar positiv entwickelt, aber nicht schnell genug. Eine Punktlandung
gibt es beim Akademikerbedarf, das heißt: Nach aktuellem Stand wird
der für Deutschland notwendige Bedarf an Akademikern langfristig
gedeckt werden können. Eine weitere positive Entwicklung gibt es bei
der internationalen Bildung: Mittlerweile stammt jeder vierte
Studienanfänger an ostdeutschen Universitäten aus dem Ausland. Die
Hochschulen haben sich beispielsweise durch mehr englischsprachige
Studiengänge und eine ausgeprägte Willkommenskultur attraktiv für
ausländische Studierende gemacht.
Hintergrund und Methodik
Der Hochschul-Bildungs-Report erscheint seit 2013 jährlich. Er
liefert messbare Ziele für das Jahr 2020, die im Dialog mit Experten
aus den Stifterverbands-Mitgliedsunternehmen,
Wissenschaftsorganisationen und Vertretern der Zivilgesellschaft
formuliert wurden. Er gibt Empfehlungen, wie diese Ziele zu erreichen
sind. Dazu wird jedes Jahr der Status quo des Hochschulsystems in
sechs Handlungsfeldern anhand von 71 Indikatoren analysiert. Für den
diesjährigen Report befragte das Forschungsinstitut Innofact im
Auftrag von Stifterverband und McKinsey mehr als 300 Unternehmen,
repräsentativ für die deutsche Wirtschaftslandschaft nach Größe und
Branche. Ergänzt wurde die Umfrage um eine Vielzahl von
Expertengesprächen mit Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und
Politik sowie einer umfangreichen Auswertung des aktuellen
Forschungsstands rund um das Thema Arbeitswelt 4.0.
Den Hochschul-Bildungs-Report zum Download und das gesamte zu
Grunde liegende Datenmaterial finden Sie im Internet unter
www.hochschulbildungsreport2020.de
Pressekontakt:
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:
McKinsey & Company
Kirsten Best, Telefon: 0211 136-4688,
E-Mail: Kirsten_Best(at)mckinsey.com
Stifterverband
Moritz Kralemann, Telefon: 030 322 982-527,
E-Mail: moritz.kralemann(at)stifterverband.de