(ots) -
Deutsche Großunternehmen produzieren im großen Stil eigene
"journalistische" Publikationen und versuchen, ihre Kunden und
Konsumenten verstärkt besonders online direkt zu erreichen. Mit ihren
medialen Produkten beeinflussen sie die öffentliche Meinung und
gefährden den unabhängigen Journalismus. Zu diesem Ergebnis kommt
eine neue Studie der Otto Brenner Stiftung (OBS). Verfasst hat sie
der Würzburger Kommunikationsforscher Prof. Dr. Lutz Frühbrodt.
Seit einigen Jahren betreiben Unternehmen so genanntes Content
Marketing. Dieser "Unternehmensjournalismus" wird inzwischen vor
allem über digitale Kanäle wie Internet-Themenseiten, Blogs, Videos
und Apps verbreitet. Als Vorreiter im deutschsprachigen Raum gelten
der Energydrink-Hersteller Red Bull und die Henkel-Tochter
Schwarzkopf.
Lutz Frühbrodt hat in seiner OBS-Studie ermittelt, inwieweit die im
Deutschen Aktienindex (DAX) notierten Großunternehmen schon
"Marketing mit journalistischen Mitteln" betreiben. Das Ergebnis der
Untersuchung: Alle 30 DAX-Konzerne setzen Methoden und Instrumente
des Content Marketing ein - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß.
Als besonders aktiv erwiesen sich die Deutsche Post DHL Group, die
Deutsche Telekom, der Wasch- und Pflegemittelhersteller Henkel, der
Technologiekonzern Siemens sowie die Automobilhersteller Daimler, BMW
und Volkswagen.
Eine zusätzliche Branchenanalyse ergab, dass auch zahlreiche
nicht-börsennotierte deutsche sowie ausländische Unternehmen mit
Content Marketing arbeiten. Auffällig war dabei, dass ein Teil der
Betreiber sich offenbar bewusst gegenüber den Mediennutzern nicht
öffentlich zu erkennen gibt. Autor Frühbrodt plädiert deshalb für
einen Verhaltenskodex für das Content Marketing, der von den
Produzenten unter anderem vollständige Transparenz einfordert.
Transparenz sei dringend geboten, so Frühbrodt, weil große Teile der
Medienrezipienten zwar solche Angebote nutzten, das Phänomen des
Content Marketing und damit sein Ziel der subtilen Beeinflussung aber
noch nicht kennen würden.
Frühbrodt interpretiert das Content Marketing der Unternehmen in
erster Linie als Ersatz für klassische Werbemethoden, die die
Mediennutzer immer weniger erreichen. Er warnt allerdings auch vor
den Auswirkungen, die der "Unternehmensjournalismus" auf die
Medienbranchen und die öffentliche Meinungsbildung haben könnte.
"Unternehmen könnten auf mittlere Sicht noch weniger Werbung
schalten, was die Einnahmen der klassischen Medienhäuser weiter
verringert", sagt Frühbrodt. "Außerdem sind die
quasi-journalistischen Publikationen der Konzerne allesamt kostenlos.
Sie kommen ausgerechnet zu einem Zeitpunkt auf, wo die Verlage
offensiver versuchen, Geld für ihre Online-Inhalte zu verlangen."
Dadurch könnte auch der Einfluss der Wirtschaft auf die öffentliche
Meinungsbildung noch größer werden. "Der klassische Journalismus
befindet sich eh schon stark unter Druck, vor allem durch das
Aufkommen von mehr oder minder professionellen Blogs und
Kommunikationsnetzwerken", sagt Frühbrodt. "Die Unternehmen setzen
mit ihren eigenen Publikationen vor allem beim Lifestyle- und
Verbraucherjournalismus an. Es gibt aber auch schon erste Tendenzen,
sich in politische Debatten einzumischen."
Für Jupp Legrand, Geschäftsführer der Otto Brenner Stiftung,
unterstreicht die Studie, "dass mit Content Marketing eine neue
Dimension der kommerziellen Kommunikation entsteht, die die volle
Klaviatur der digitalen Verbreitungskanäle ausnutzt". Zugleich weist
die Stiftung auf Gefahren hin, wenn sich unternehmenseigene Medien
ausbreiten und in die Bastionen des klassischen Journalismus
vordringen. "Die Zunahme des `Unternehmensjournalismus` ist ein
Indikator dafür, dass die Unabhängigkeit des Journalismus gefährdet
ist und damit - langfristig - eine wichtige Säule der Demokratie",
schreibt Legrand im Vorwort zur Studie.
Die OBS legt mit der Untersuchung über Content Marketing eine weitere
medienkritische Studie vor. OBS-Studien analysieren nicht nur
aktuelle Fehlentwicklungen im Medienbereich, sondern greifen auch mit
konkreten Vorschlägen medienpolitische Debatten auf. Die aktuelle
Studie zeigt nach Auffassung der Stiftung, dass Konsumenten mehr
Medienkompetenz brauchen, um besser erkennen zu können, welche
Inhalte unabhängig und welche interessengeleitet sind. Für Legrand
steht fest: "Bildungseinrichtungen müssen Angebote entwickeln, die
eine kritische Begleitung und bewusste Nutzung medialer Produkte
ermöglichen".
Lutz Frühbrodt hat die Studie mit dem Titel "Content Marketing: Wie
'Unternehmensjournalisten' die öffentliche Meinung beeinflussen"
zusammen mit Annette Floren verfasst, die als Kommunikationsberaterin
in Berlin arbeitet. Frühbrodt leitet den Studiengang
"Fachjournalismus und Unternehmenskommunikation" an der Hochschule
Würzburg-Schweinfurt.
Die Studie erscheint am 9. Juni. Online lesen, herunterladen oder
Printfassung bestellen: www.otto-brenner-stiftung.de. Material, das
für die Studie ausgewertet wurde, und weiterführende Infos zum Thema
der Untersuchung: www.content-marketing-watch.de
Pressekontakt:
Prof. Dr. Lutz Frühbrodt
Studiengangsleiter "Fachjournalismus und Unternehmenskommunikation"
Hochschule Würzburg-Schweinfurt
Tel.:(0931) 3511-8576
Lutz.Fruehbrodt(at)fhws.de
www.medienexperte.net
Otto Brenner Stiftung
Jupp Legrand
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Tel.: (069) 6693-2526
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