(ots) - Selfies werden gepostet, hochgeladen, geshared und
geteilt. Soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram und YouTube machen
es möglich. Deren Nutzung geht fast immer mit einer umfangreichen
Selbstdarstellung einher. Was Menschen - insbesondere Kinder und
Jugendliche - dazu bewegt, sich öffentlich zu präsentieren, ihr
Privatleben zu offenbaren und die eigene Beliebtheit in Form von
Likes, Friends und Klicks zu messen, stand im Fokus der Veranstaltung
"Be yourSELFIE! Worauf junge Nutzer bei der Selbstdarstellung im Netz
achten sollten". 150 Teilnehmer diskutierten am 14. Juni auf der 2.
Fachtagung Jugendschutz und Nutzerkompetenz der Bayerischen
Landeszentrale für neue Medien (BLM) den souveränen und
verantwortungsbewussten Umgang mit der medialen Selbstdarstellung.
Martin Gebrande, der Geschäftsführer der Landeszentrale,
verdeutlichte in seinem Grußwort, dass sich 64 Prozent der
Jugendlichen zwischen 12 und 13 Jahren nach der aktuellen JIM-Studie
in Online-Communities wie beispielsweise WhatsApp und Snapchat sicher
fühlen. "Ein trügerisches Sicherheitsgefühl in Bezug auf die Daten,
von denen ein großer Teil Fotos zur Selbstdarstellung sind." Genau
hier setze die Tagung an: Es ginge um die Frage, worauf junge Nutzer
bei der Selbstdarstellung im Netz achten sollten. "Wir wollen das
Thema aber nicht nur unter dem Aspekt der Risiken betrachten, sondern
aus verschiedenen Perspektiven: aus der kunsthistorischen, der
medienpsychologischen und der gesellschaftspolitischen Perspektive",
erklärte Gebrande.
Schon in der Renaissance fertigten Künstler Selbstporträts von
sich an. Dank Smartphone kann sich heute jeder - auch ohne Künstler
zu sein -selbst in Szene setzen. Was das Kunstwerk mit dem Selfie
verbindet, erklärte der Kunsthistoriker Dr. Ulrich Blanché: "Jedes
Selbstporträt beinhaltet die Botschaften 'Ich - Hier - Jetzt'". Der
Wissenschaftler der Universität Heidelberg zog das Fazit: Obwohl ein
Selfie nicht immer mit dem Werk eines Künstlers gleichzusetzen ist,
knüpft der Selfie-Trend an die Selbstinszenierungen Dürers und Van
Goghs an.
Mit der Selbstinszenierung durch Text beschäftigte sich die
Sprachwissenschaftlerin Dr. Netaya Lotze von der Universität Münster.
Dabei ging sie auf die vielfältigen Variationen von Nicknames,
Emoticons und Abkürzungen ein, die Jugendliche zur Kommunikation und
Selbstdarstellung verwenden. Die Beispiele zeigten, wie der Einsatz
der Sprache das Foto-Selbstbildnis unterstützt und ergänzt.
Warum Menschen diese Form der Selbstinszenierung gerne nutzen und
welche Bedürfnisse dahinter stecken, erläuterte die Medienpsychologin
Dr. Astrid Carolus von der Universität Würzburg. Ab dem
Entwicklungsstadium, in welchem das Kind sein Selbst in Abgrenzung zu
anderen erkennt, entstehe ein Interesse am eigenen Bild. Auf der
Suche nach einem unverwechselbaren "Selbst" experimentieren der
Psychologin zufolge vor allem Jugendliche mit ihren
Online-Identitäten und probieren sich aus. "Kinder brauchen dabei
Unterstützung. Dann kann das Netz trotz vieler Risiken auch bei der
Weiterentwicklung des Selbst helfen."
Informationsmaterial und Anregungen für die Unterstützung von
Kindern und Jugendlichen bekamen die Teilnehmer der Veranstaltung an
den Stationen der Ideenbörse in der Mittagspause.
Fabian Frank, Rechtsanwalt bei iRights.Law, klärte über Urheber-
und Persönlichkeitsrechte auf. Beispielsweise darüber, dass "bei
Kindern bis sieben Jahren nur Erziehungsberechtigte über die
Veröffentlichung im Netz entscheiden dürfen". Er empfahl, die
Privatsphäre-Einstellungen Sozialer Netzwerke regelmäßig zu
überprüfen. "Es besteht ein enormes Risiko, dass Inhalte sich
verbreiten und Nutzer die Kontrolle auch in rechtlicher Sicht aus der
Hand geben." Jutta Schirmacher, Referentin im Bereich Medienkompetenz
und Jugendschutz der BLM, stellte die aktuellen Entwicklungen und
Ausprägungen von Selbstdarstellungen im Netz in den Mittelpunkt ihres
Vortrags. Dabei nahm sie Beispiele der Selbstdarstellung von
Prominenten und Politikern genauso in den Blick wie unterschiedliche
Darstellungsformen bei männlichen und weiblichen Jugendlichen.
Selfies seien eine "Form der Image-Pflege", sagte Schirmacher, "die
leicht auch schiefgehen kann."
Unter dem Stichwort "Fail" finden sich im Internet zahlreiche
Videos, die ungewollte Unfälle oder missglückte Stunts zeigen. Sonja
Schwendner, stellvertretende Bereichsleiterin Medienkompetenz und
Jugendschutz der BLM, zeigte dem Publikum Beispiele der medialen
Selbstinszenierung, die aus Jugendschutzsicht problematisch sind.
Hier geht es um Themen wie Pornografie, Gewaltdarstellungen,
selbstverletzendes Verhalten und Extremismus. Die Gefahr bei solchen
Angeboten sieht Schwendner im Nachahmungseffekt wie im
Empathieverlust. "Wir brauchen den Jugendschutz, weil es immer
Angebote geben wird, die Kinder und Jugendliche nicht verkraften
können", so Schwendner.
Was fehlende Empathie mit Menschen macht und warum die digitale
Welt ein neues Zeitalter der Aufklärung braucht, darüber diskutierten
zum Abschluss Dr. Astrid Carolus, die Medienethikerin Dr. Nina
Köberer und die Publizistin Anke Domscheit-Berg. Während Köberer aus
medienethischer Sicht an die Bedeutung der Verantwortung jedes
Einzelnen bei der täglichen Praxis medialen Handelns appellierte,
machte Domscheit-Berg deutlich, vor welchen Herausforderungen die
Gesellschaft heute steht: "Unsere Jugend ist die erste Generation,
die total überwacht ist". Gemeinsam mit ihren Podiumskolleginnen
forderte sie deshalb mehr kundige Gesprächspartner für die Generation
Selfie.
Die Landeszentrale will pädagogisch Tätige und Eltern bei der
Medienerziehung unterstützen. Mit der aktuell erschienenen Broschüre
"Selbstdatenschutz! Tipps, Tricks und Klicks" bietet die
Landeszentrale verständlich aufbereitete Informationen für einen
selbstbestimmten und kompetenten Umgang mit den eigenen Daten. Die
Broschüre kann unter
https://www.blm.de/aktivitaeten/medienkompetenz/materialien.cfm
bestellt und heruntergeladen werden.
Fotos und weitere Informationen zur Fachtagung finden Sie unter
www.medienpuls-bayern.de
Pressekontakt:
Dr. Wolfgang Flieger
Pressesprecher
Tel.: (089) 638 08-313
wolfgang.flieger(at)blm.de