PresseKat - Schuhe "Made in Europe" - zu Hungerlöhnen

Schuhe "Made in Europe" - zu Hungerlöhnen

ID: 1370533

(ots) - "Made in Europe" steht für Qualität und
faire Arbeitsbedingungen. Mehrere Recherchen der Clean Clothes
Campaign und der Initiative Change Your Shoes zeigen erstmals die
Realitäten in der europäischen Schuhindustrie auf: Von den Gerbereien
in Italien bis zu den Schuhfabriken in Mittel- und Südosteuropa. Dort
stellen zehntausende Arbeiter*innen "italienische" oder "deutsche"
Schuhe her - zu oft noch tieferen Löhnen als in China. Schuhmarken
kümmern sich bisher noch viel zu wenig darum, unter welchen
Bedingungen ihre Schuhe hergestellt werden.

Jeder Deutsche kauft im Durchschnitt pro Jahr 5,3 Paar Schuhe.
Ãœber 24 Milliarden Paar Schuhe wurden 2014 weltweit hergestellt, der
größte Teil davon in Asien, doch gerade bei hochpreisigeren
Lederschuhen ist der europäische Anteil bedeutend. Jedes fünfte Paar
Schuhe, das in Europa über den Ladentisch geht, ist auch in Europa
produziert.

"Made in Europe" ist oft nicht fair

Italien ist nicht nur das Schwergewicht der europäischen
Schuhproduktion, sondern gerbt auch 60 Prozent des in der EU
produzierten Leders. Der Bericht A though story of leather beleuchtet
anhand des Gerbereien-Distrikts Santa Croce in der Toskana die
Schattenseiten dieses harten Gewerbes, in dem vielfach Migranten
arbeiten: Immer wieder kommt es zu Unfällen, das Heben der schweren
Lasten führt zu Gelenkschäden und durch den ungeschützten Kontakt mit
giftigen chemischen Substanzen entwickeln die Arbeitenden Allergien
oder gar Tumore.

Die auf die Gerberei folgenden arbeitsintensiven Schritte der
Schuhproduktion werden oft in mittel- und südosteuropäischen Ländern
durchgeführt. Rund 200.000 Menschen sind in den untersuchten Ländern
Albanien, Bosnien-Herzegowina, Polen, Rumänien, Slowakei und
Mazedonien in der Schuhindustrie beschäftigt. Die Nähe zum




westeuropäischen Markt sorgt für kurze Lieferzeiten, die
Beschäftigten sind hoch qualifiziert, aber das Lohnniveau ist äußerst
tief. Der Bericht Labour on a Shoestring zeigt das Hauptproblem: Die
viel zu tiefen Löhne. Die Löhne in Albanien, Mazedonien oder Rumänien
liegen sogar noch unter dem in China. Sie müssten vier bis fünf Mal
höher sein, damit die Fabrikarbeitenden und ihre Familien davon leben
könnten. "Eine rumänische Schuhindustriearbeiterin muss sich auf
Jahre hinaus zu Wucherzinsen verschulden, um einen Kühlschrank oder
das Holz für die Winterheizung zu kaufen. Der Akkorddruck ist so
hoch, dass sie keine Atemmasken oder Schutzkleidung gegen den Gestank
von Leim und das Gift der Chemikalien tragen. Unter allen
europäischen Ländern, in denen wir bislang recherchiert haben, ist
Albanien wirklich das Bangladesch Europas.", erklärt Betina Musiolek
von der Clean Clothes Campaign, Ko-Autorin des Berichts. In vielen
südosteuropäischen Fabriken ist es im Sommer so heiß, dass immer
wieder Arbeiterinnen kollabieren. Eine Familie zu gründen scheint
nicht finanzierbar. "Meine Frau und ich arbeiten beide in einer
Schuhfabrik. Wir sind froh, dass wir eine Arbeit gefunden haben, aber
mit unseren niedrigen Löhnen können wir keine Kinder großziehen",
erzählt ein rumänischer Arbeiter im Interview. Es zeigt sich
eindeutig: Die endemischen Probleme der Bekleidungs- und
Schuhindustrie sind ein Problem globaler Lieferketten und machen
keineswegs halt vor Europa.

Die Bewertung der Schuhhändler macht deutlich, dass sich diese
Firmen zu wenig Gedanken über die Menschen machen, die ihre Schuhe
fertigen. Das gilt für alle Firmen, die wir für den Bericht Trampling
workers rights underfoot befragt haben: 11 Firmen gaben gar nicht
erst Auskunft, und auch jene 12, die antworteten, setzen Grundrechte
nicht effektiv um. Erhoben wurde u.a. ob existenzsichernde Löhne für
Arbeiter*innen vorgesehen sind und welche Arbeitsschutzmaßnahmen
vorausgesetzt werden. Von den 29 Unternehmen konnte keines der besten
Kategorie "im Laufschritt voraus" zugeordnet werden. Die Marken El
Naturalista, Eurosko und Adidas schafften es zumindest auf den
zweiten Platz "auf gutem Weg". Händler mit Hauptsitz in Deutschland,
die in beiden Reports genannt werden, sind Lowa, Deichmann, Ara,
Rieker und Gabor.

Konsument*Innen tappen im Dunkeln

"Transparenz in der Zulieferkette ist bei Schuhunternehmen noch
eine Seltenheit", stellt Bettina Musiolek fest. "Verbraucherinnen und
Verbraucher haben einfach kaum eine Chance sich für einen nachhaltig
produzierten Schuh zu entscheiden, da die Marken nicht glaubwürdig
informieren, geschweige real nachhaltig produzieren. 'Made in Europe'
zeigt dies jedenfalls keineswegs an."

Weitere Informationen
- "Labour on a shoestring" - Bericht und Zusammenfassung
- "Trampling workers rights underfoot" - Bericht und
Zusammenfassung
- "A Tough story of leather" und "Von der Kuh zum Schuh" über
Ledergerbung
- Albanien Länderprofil
finden Sie hier:
http://lohnzumleben.de/arbeitsrechte-mit-fuessen-getreten
http://lohnzumleben.de/neu-recherche-zu-loehnen-albanien



Pressekontakt:

Dr. Bettina Musiolek (Clean Clothes Campaign /
Entwicklungspolitisches Netzwerk Sachsen),
Ko-Autorin Labour on a Shoestring, 0178 877 32 98,
bettina.musiolek(at)einewelt-sachsen.de


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Datum: 20.06.2016 - 08:15 Uhr
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Kategorie:

Handel



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