Logistik-Indikator 2. Quartal 2016 / Kommentar von Prof. Dr.-Ing. Raimund Klinkner, Vorsitzender des Vorstands, Bundesvereinigung Logistik (BVL)
(PresseBox) - Am Ende dieser Woche wissen wir, ob das Vereinigte Königreich aus der Europäischen Union austreten wird und die EU damit erstmals einen ihrer derzeit 28 Mitgliedsstaaten verliert. Beigetreten sind die Briten am 1. Januar 1973, damals noch in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) mit zwölf Mitgliedern. Der mögliche Brexit ? und damit veränderte Spielregeln im Umgang mit dem drittwichtigsten Exportmarkt Deutschlands nach den USA und Frankreich ? trübt die Stimmung des Wirtschaftsbereichs Logistik im zweiten Quartal 2016 jedoch nicht, ganz im Gegenteil: der Logistik-Indikator, der im Mai erhoben wurde, zeigt nach drei Quartalen der Unentschlossenheit wieder eindeutig nach oben. Er erreicht sogar den optimistischen Wert aus dem Juni 2015.
?Die deutsche Wirtschaft wächst robust?, sagte denn auch Ifo-Präsident Clemens Fuest mit Blick auf den ebenfalls expansiven Geschäftsklimaindex seines Instituts. Fuest wird beim 33. Deutschen Logistikkongress im Oktober 2016 den Gastvortrag halten ? und bis dahin bleibt es spannend. Als Wissenschaftler prognostiziert Fuest aber auch, dass ein Austritt der Briten die gesamte deutsche Industrie treffen würde ? und damit auch die Logistik. An den Brexit scheinen die Logistiker aber nicht zu glauben: Im Moment sind sowohl die Einschätzung der aktuellen Lage als auch die Erwartungen für die Zukunft in Industrie, Handel und Logistikdienstleistung gleichermaßen nach oben gerichtet ? sowohl in der kurzen Dreimonatsperspektive als auch beim längerfristigen Blick auf die kommenden zwölf Monate. Mit Ausnahme des Seefrachtbereichs berichten die Dienstleister von insgesamt guter Auftragslage und insbesondere von einem starken Auftragseingang aus dem Ausland. Industrie und Handel spüren bei steigender Nachfrage eine Verknappung der Logistikkapazitäten. Anders als noch im ersten Quartal gehen die Logistikdienstleister davon aus, dass Personal eingestellt werden muss. Industrie und Handel, die vor drei Monaten schon recht optimistisch gestimmt waren, signalisieren nochmals verstärkten Personalbedarf.
Nicht zuletzt bei der Suche nach qualifiziertem Personal setzen die Unternehmen des Wirtschaftsbereichs verstärkt auf Markenführung. Die Antworten auf die Zusatzfrage zum Logistik-Indikator zeigt: Der Aufbau und die Pflege von Unternehmensmarken ist als strategisches Thema erkannt und wird überwiegend auf Top-Managementebene vorangetrieben. So ist ein einheitlicher Unternehmensauftritt mittlerweile fast selbstverständlich, Führungskräfte sind mit dem Unternehmensleitbild vertraut und die Mitarbeiter werden geschätzt als Botschafter ihres Unternehmens und der Marke.
Dies könnte ein gutes Vorbild für die Europäische Union sein: den Wert von Kommunikation und Markenführung stärker wahrzunehmen und zu beherzigen, um Sinn und Nutzen, Wert und Werte, Attraktivität und Relevanz dieser Staaten- und Wertegemeinschaft deutlicher zu vermitteln. Strategie und Kreativität sind nämlich Chefsache und gehören ganz oben auf die Tagesordnung.