(ots) - Reporter ohne Grenzen ist entsetzt über die
Verhaftung des langjährigen Korrespondenten der Organisation, Erol
Önderoglu. Ein Gericht in Istanbul verurteilte den Journalisten und
Menschenrechtsaktivisten am Montag wegen angeblicher
Terrorpropaganda, weil er eine pro-kurdische Zeitung unterstützt
hatte.
"Es ist unfassbar, dass die Türkei nicht einmal davor
zurückschreckt, ihre zutiefst undemokratischen Antiterrorgesetze
gegen derart prominente Verteidiger der Pressefreiheit einzusetzen",
sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr in Berlin. "Önderoglu
arbeitet seit 20 Jahren für Reporter ohne Grenzen. Wir fordern die
sofortige Freilassung unseres Korrespondenten und aller anderen in
der Türkei inhaftierten Journalisten."
ANKLAGE GEGEN MEHR ALS 30 JOURNALISTEN
Neben Önderoglu wurden am Montag auch die Vorsitzende der
türkischen Menschenrechtsstiftung, Sebnem Korur Fincanci, und der
Journalist und Autor Ahmet Nesin verhaftet. Zusammen mit 31 weiteren
Journalisten sind sie angeklagt, weil sie sich an einer
Solidaritätsaktion für die pro-kurdische Zeitung Özgür Gündem
beteiligt hatten. Seit dem Internationalen Tag der Pressefreiheit am
3. Mai hatten diverse Prominente symbolisch für einen Tag den Posten
der Chefredaktion übernommen, um ihre Solidarität mit der Zeitung zu
demonstrieren, die unter immer stärkerem Druck der Behörden steht.
Am 18. Mai veröffentliche Erol Önderoglu zudem mehrere Artikel in
Özgür Gündem, die sich mit Machtkämpfen innerhalb der türkischen
Sicherheitskräfte und dem Vorgehen der Behörden gegen kurdische
Rebellen in Südost-Anatolien beschäftigen. Zwei Tage später wurde
Anklage gegen ihn erhoben. Die Staatsanwaltschaft stützt sich dabei
auf die umstrittenen Antiterrorgesetze, welche die türkische
Regierung in großem Stil nutzt, um Kritiker und Oppositionelle
mundtot zu machen.
Erol Önderoglu ist seit 1996 Korrespondent und Repräsentant von
Reporter ohne Grenzen in Istanbul. Er verfasst Berichte über den
Stand der Meinungsfreiheit in der Türkei für die unabhängige
türkische Nachrichtenseite Bianet, arbeitet regelmäßig mit der OSZE
zusammen und ist Mitglied im Vorstand von IFEX (International Freedom
of Expression Exchange), einem weltweiten Netzwerk von NGOs, die sich
für die Meinungsfreiheit einsetzen.
CUMHURIYET-CHEFREDAKTEUR CAN DÃœNDAR ZU GAST IN BERLIN
Um auf die gravierenden Einschränkungen der Pressefreiheit unter
dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan aufmerksam zu machen,
hat Reporter ohne Grenzen den Chefredakteur der türkischen
Tageszeitung Cumhuriyet, Can Dündar, nach Berlin eingeladen. Dort
trifft er sich in der zweiten Wochenhälfte zu Gesprächen mit
hochrangigen Vertretern von Regierung und Opposition.
Dündar war am 6. Mai wegen der Veröffentlichung von
Staatsgeheimnissen zu fast sechs Jahren Haft verurteilt worden, muss
die Strafe aber bis zum Beginn des Berufungsverfahrens nicht
antreten. Ende Mai 2015 hatte seine Zeitung Belege für eine
Beteiligung des türkischen Geheimdienstes an Waffenlieferungen an
syrische Islamisten veröffentlicht. Präsident Erdogan drohte
daraufhin im Fernsehen, Dündar und seine Kollegen müssten dafür einen
hohen Preis bezahlen und erstattete persönlich Anzeige wegen Spionage
und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung.
Für Interview-Anfragen mit Can Dündar wenden Sie sich bitte an
presse(at)reporter-ohne-grenzen.de.
Auf der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne
Grenzen hat sich die Türkei zuletzt auf Platz 151 von 180 Staaten
verschlechtert.
Weitere Informationen über die Situation von Journalisten in der
Türkei finden sie unter www.reporter-ohne-grenzen.de/türkei.
Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Ulrike Gruska / Christoph Dreyer
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