(ots) - Der Brexit wird Spuren in Europa hinterlassen.
Wirtschaftliche. Aber auch politische. Einige Forschungsinstitute
reduzieren ihre ohnehin schon schwachen Wachstumsaussichten. "Sehr
viel wird aber davon abhängen, wie schnell der Austritt gelingt, wie
geregelt der zweijährige Ausstiegsprozess vonstattengeht und welchen
Status Großbritannien letztendlich erhält," so Dr. Frank Pörschke,
CEO JLL Germany. Pörschke weiter: "Kurzfristig werden auch
hierzulande die Finanzmärkte nervös bleiben. Damit bleibt auch die
Geldpolitik der Europäischen Zentralbank de facto für die nächsten
Jahre manifestiert. Je nach Fortgang der Verhandlungen wird die
Zentralbank ihre Politik des billigen Geldes nicht nur fortsetzen,
sondern mit Hilfe einer Ausweitung des Anleiheankaufsprogramms sogar
möglicherweise nochmals ausweiten. Insofern ist davon auszugehen,
dass das aktuell niedrige Zinsniveau auch die nächsten drei bis vier
Jahre fixiert ist. Denn neben dem Brexit gilt es, auch die anderen
immer noch schwelenden Risikoherde im Auge zu behalten. Für Europa
und auch für Deutschland ist dabei insbesondere die Wachstumsschwäche
in den Schwellenländern und vor allem in China zu nennen. Ein "hard
landing" in China hätte viel größere negative Effekte auf die
exportorientierte deutsche Wirtschaft und würde sich in deutlich
abgeschwächten Wachstumsraten niederschlagen."
Deutschlandweites Transaktionsvolumen zum Halbjahr nicht mehr mit
der Dynamik des Vorjahres
Nachdem bereits im ersten Quartal ein im Jahresvergleich
schwächeres Transaktionsvolumen konstatiert werden musste, hat sich
auch das zweite Quartal auf einem ähnlichen Niveau eingependelt. In
der Summe schlägt für das erste Halbjahr 2016 ein deutschlandweites
Transaktionsvolumen gewerblich genutzter Objekte von 18 Mrd. Euro zu
Buche. Gegenüber dem Vorjahreshalbjahr hat sich das Minus
mittlerweile auf 25 % erhöht, in erster Linie zurückzuführen auf ein
nicht vorhandenes adäquates Angebot. "Es lassen sich auch zur
Jahresmitte keine Anzeichen erkennen, dass eine rückläufige Nachfrage
ursächlich hierfür gewesen ist. Fakt ist aber, dass die
Transaktionsprozesse sehr viel Zeit in Anspruch nehmen und Objekte
sehr genau geprüft werden. Das ist zwar nicht neu, ist aber im
aktuellen Marktumfeld und der daraus entflammenden Blasendiskussion
wichtig, immer wieder zu betonen", so Timo Tschammler, Member of the
Management Board JLL Germany. Tschammler weiter: "Aus unserer Sicht
werden von den Verkäufern mittlerweile auch nur diejenigen Objekte
und Portfolien in den Verkaufsprozess gebracht, die in Bezug auf ihre
Ausstattung, ihren Vermietungsstand und ihren Standort erfolgreiche
Vermarktungsaussichten haben."
Große Transaktionen sind nach wie vor gefragt. Im ersten Halbjahr
2016 können 29 mit einem jeweiligen Volumen von 100 Mio. und mehr
bilanziert werden, damit knapp ein Drittel (5,8 Mrd. Euro) des
bundesweiten Transaktionsvolumens abbildend.
Tschammler: "Inwieweit sich im zweiten Halbjahr mögliche
Brexit-Folgen auch auf dem Investmentmarkt zeigen werden, bleibt
abzuwarten. Einerseits gibt es erste Anzeichen, dass asiatische
Investoren ihre gesamten europäischen Investmentaktivitäten
überprüfen. Sie sehen Europa als Ganzes und deshalb könnte auch
Deutschland von einer rückläufigen Nachfrage aus dieser Region
betroffen sein." Und weiter: "Andererseits erscheint es möglich, dass
sich Investoren aufgrund der unklaren und unsicheren Situation in
Großbritannien mehr auf Kontinentaleuropa fokussieren und
Kapitalströme dann auch nach Deutschland umgeleitet werden. In dieser
komplexen Gemengelage ist es schwierig, eine stichhaltige Prognose
für das Gesamtjahr zu treffen. Die zu Beginn des Jahres
prognostizierten 50 Mrd. Euro erscheinen angesichts des
Halbjahresergebnisses allerdings kaum mehr realisierbar, auch wenn
sich einige große Transaktionen in Verkaufsprozessen befinden."
Für die ersten sechs Monate bleibt festzuhalten, dass ausländische
Investoren ihre Aktivitäten in Deutschland im zweiten Quartal wieder
leicht erhöht haben, der Anteil für das erste Halbjahr dürfte sich
aber deutlich unter 50 % bewegen. Allein bei den großen "Tickets"
über 100 Mio. Euro ergibt sich ein leichtes Übergewicht der
ausländischen Investoren. In Bezug auf die Kapitalherkunft finden
sich die üblichen Kapitalquellenländer Großbritannien, USA oder
Frankreich.
Überproportionaler Rückgang bei Portfolios - Breite Streuung von
Akteuren und Assetklassen
Zwar haben die Abschlüsse im Portfolio-Segment im zweiten Quartal
wieder etwas zugenommen, dennoch entfallen rund 72 % (13,1 Mrd. Euro)
des gewerblichen Transaktionsvolumens im ersten Halbjahr 2016 auf
Einzeltransaktionen. Für Portfolios verbleiben 4,9 Mrd. Euro,
gleichbedeutend mit einem Minus von 43 % zum Vorjahreshalbjahr.
17 Portfolio-Transaktionen mit jeweils mehr als 100 Mio. Euro
wurden im ersten Halbjahr verkauft, diese Verkäufe machen allein 73 %
des gesamten Portfoliovolumens aus. Auffällig dabei ist die breite
Streuung, von Hotel-Portfolios über Fachmarktzentren und Fachmärkte
bis hin zu Pflegeheimen sind alle Assetklassen in den Top 10
vertreten. Ebenso breit ist die Streuung der Käufer dieser
Portfolios, von den klassischen institutionellen Investoren wie
Versicherungen bis hin zu Privat Equity Fonds. Ein Spiegelbild der
diversifizierten Investorenprofile im deutschen Markt und ein
Spiegelbild des Wunsches und der Notwendigkeit, das jeweilige
Portfolio möglichst breit und über alle Assetklassen hinweg
aufzustellen.
In Bezug auf die Assetklassen entfallen rund 42 % (etwa 7,6 Mrd.
Euro) auf Büroimmobilien, gefolgt vom Einzelhandel mit 23 % (4,1 Mrd.
Euro). Die verbleibenden Anteile verteilen sich auf Hotelimmobilien
mit fast 12 %, auf Lager-/Logistikimmobilien mit gut 10 %, gemischt
genutzte Immobilien (ca. 5 %) sowie andere Assetklassen und
Entwicklungsgrundstücke, die zusammen auf 7 % des Volumens kommen.
"Die derzeit rund laufenden Büro-Vermietungsmärkte sind eine gute
Basis für Investitionen in die Assetklasse Büroimmobilie und ziehen
immer häufiger auch Investoren an, die ein höheres Risiko
hinsichtlich Lage und Vermietungsstand akzeptieren", betont
Tschammler. Und weiter: "Gerade für Büroimmobilien gilt, dass der
laufende Miet-Cash Flow für Investoren immer wichtiger wird, denn nur
so lassen sich zukünftig gute Erträge erwirtschaften. Vor diesem
Hintergrund ist es zwingend erforderlich, dass sich der Fokus der
Investoren auf die Mieter und die Nutzer und deren Anforderungen
richten muss." In diesem Zuge gelte es auch zu hinterfragen, ob
althergebrachte Denkmuster aufrechterhalten werden können. "Nicht
wenige Investoren stellen sich bereits heute die Frage: Was ist
nachhaltiger, ein traditioneller 10- Jahres-Mietvertrag mit einer
Bank oder ein 5-Jahres-Vertrag mit einem Business Center-Betreiber?"
so Tschammler.
Transaktionsvolumen in den Big 7 und außerhalb der Hochburgen
sinkt gleichermaßen - Hamburg markiert positive Ausnahme
Nachdem sich zum ersten Quartal das Transaktionsvolumen außerhalb
der Big 7 im Jahresvergleich noch stabil zeigte, liegt es nun genauso
wie das Ergebnis der Big 7 um rund 26 % im Minus. Zum Halbjahr
summiert sich das Transaktionsvolumen in den Big 7 zusammen auf 9,6
Mrd. Euro. Nur eine Stadt stemmt sich gegen diesen Trend. In Hamburg
legte das Transaktionsvolumen um 10 % auf 2,1 Mrd. Euro zu. Erstmals
setzt sich der Norden damit an die Spitze im Ranking der Big 7
untereinander. In den anderen Hochburgen beläuft sich das Minus im
Bereich zwischen 12 % in Stuttgart und bis zu 53 % in Köln. Selbst in
Berlin, die letzten Quartale immer mit Erfolgsmeldungen, sank das
Transaktionsvolumen um ein Drittel auf etwas über 2 Mrd. Euro - ein
im 5-Jahresvergleich sehr gutes Ergebnis (1,56 Mrd. Euro).
Kräftige Renditekompression - wird "3" die neue "5" bei
Büroimmobilien?
Der im ersten Quartal beobachteten Verschnaufpause bei der
Renditeentwicklung folgt in den Monaten April bis Juni eine kräftige
Renditekompression. Im Bürobereich sind die Netto-Anfangsrenditen im
Mittel über alle Big 7 erstmals unter die 4 %-Marke gerutscht. Im
Schnitt werden aktuell 3,93 % erzielt, ein Rückgang um 20 Basispunkte
im Vergleich zum ersten Quartal des Jahres und zugleich die stärkste
Renditekompression innerhalb eines Quartals seit 2000. Büroimmobilien
kommen in ihrem Preisgefüge damit dem typischen High Street Objekt
mit Einzelhandelsnutzung in den 1A-Lagen der Städte immer näher. Hier
liegen die Spitzenrenditen im Mittel der Big 7 bei 3,70 % und auch
hier gab es einen, wenn auch nur leichten, weiteren Renditerückgang
(um 5 Basispunkte). Dies trifft auch auf die anderen
Einzelhandelsprodukten zu: Für Shopping Center und Fachmarktzentren
reduzierten sich die Renditen um jeweils 15 Basispunkte auf nunmehr
4,1 % bzw. 5,10 %, während einzelne Fachmärkte bei 5,50 % verharrten.
Nach den teilweisen kräftigen Renditeabschlägen in den vergangenen
Quartalen zeigten Lager-/Logistikimmobilien aktuell keine Bewegung,
hier werden nach wie vor im Mittel über die Big 7-Logistik-Regionen
5,27 % erzielt.
"Ein Ende des Preisauftriebs ist kurz- und mittelfristig noch
nicht abzusehen und wird sicherlich noch so lange anhalten, bis ein
Ende der "Null-Zins-Politik" der EZB zumindest abzusehen ist", so
Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany. Und weiter: "Mit dem
Brexit-Votum wurden aber nun gerade Fakten geschaffen, die ein Ende
der lockeren Geldpolitik erneut auf unbestimmte Zeit verschoben
haben. Dies in Kombination mit der daraus entstehenden Unsicherheit
treibt Investoren in sichere Anlagehäfen wie Immobilien und hier vor
allem in die typischen Core-Büroimmobilien in den Big 7." Im DAX 30
ließ sich diese Entwicklung sehr gut ablesen, immerhin lagen die
Aktien des Immobilienunternehmens Vonovia im Ein-Wochenvergleich im
Plus. Auch wenn es sich bei der Vonovia um ein
Wohnimmobilienunternehmen handelt, zeigt es doch, dass gerade jetzt
eher defensive und konservative Anlagen nachgefragt werden. Das gilt
sowohl für die indirekte Aktienanlage als auch für die direkte Anlage
in Gewerbeimmobilien.
Die kräftige Renditekompression zum Halbjahr macht sich sehr
deutlich in den Büro-Kapitalwerten bemerkbar. Im Ein-Jahresvergleich
ergibt sich über alle Big 7 hinweg ein kräftiges Plus von 14 %.
Allein im zweiten Quartal stiegen die Werte um 6,9 % an, das ist der
stärkste Quartalsanstieg seit Ende 2006. "Da wir bis Ende des Jahres
einen weiteren Rückgang der Renditen um 10 Basispunkte erwarten,
gleichzeitig auch die Spitzenmieten um 3 % steigen werden, wird das
Wachstum der Kapitalwerte auch in diesem Jahr zweistellig ausfallen
und mit knapp 12 % das Vorjahr noch einmal toppen", so Scheunemann.
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