(ots) - Richter erwarten nach Neufassung des
Sexualstrafrechts beträchtliche Probleme in der Praxis
Verbandsvorsitzender Jens Gnisa: Reform wird nicht zu mehr
Verurteilungen führen - "Schnelligkeit vor Sorgfalt"
Osnabrück. Die gestern vom Bundestag beschlossene Reform des
Sexualstrafrechts ("Nein heißt nein") wird nach Ansicht des Deutschen
Richterbundes zu beträchtlichen Problemen in der Praxis führen. Der
Verbandsvorsitzende Jens Gnisa sagte in einem Gespräch mit der "Neuen
Osnabrücker Zeitung" (Freitag), zwar begrüße er das Ziel, den Schutz
der sexuellen Selbstbestimmung zu stärken. Aber: "Die Öffentlichkeit
muss sich bewusst sein, dass die Reform nicht zu einem signifikanten
Anstieg der Verurteilungen führen dürfte." Solche Verfahren, bei
denen künftig ein "Nein" des Opfers für eine Bestrafung eines
Sexualtäters ausreichen soll, seien kompliziert. Gnisa sagte: "Diese
Prozesse werden in der Regel schwierig zu führen sein, weil Aussage
gegen Aussage steht und es keine weiteren Indizien gibt." Die Tat
habe schließlich ohne Widerstand oder Gewalt stattgefunden; sonst
wäre es eine Vergewaltigung.
Der Vorsitzende des Richterbundes kritisierte, dass "das Gesetz
überstürzt verabschiedet worden ist, so dass erhebliche Probleme bei
der Anwendung der neuen Vorschriften gerade in diesem sensiblen
Gebiet des Strafrechts zu befürchten sind". Die Tatbestände seien
unzureichend aufeinander abgestimmt. Gnisa kritisierte: "Hier ist
offensichtlich Schnelligkeit vor Sorgfalt gegangen, weil die Reform
unbedingt noch vor der Sommerpause verabschiedet werden sollte." Der
Richterbund rechnet allerdings nicht damit, dass es infolge der
Reform vermehrt zu falschen Beschuldigungen wegen sexueller
Übergriffe kommen wird. Gnisa sagte: "Der Anteil vorsätzlicher
Falschbezichtigungen ist bei Sexualstraftaten mit drei bis zehn
Prozent ohnehin relativ gering."
Der Deutsche Richterbund (DRB) ist der Berufsverband der Richter
und Staatsanwälte in Deutschland mit mehr als 16.000 Mitgliedern.
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