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Bain-Studie zur Zukunft von Konsumgüterherstellern / Agile Marken kontern die Umwälzungen im Lebensmittelhandel

ID: 1378509

(ots) - Das Geschäftsmodell vieler großflächiger
Lebensmittelhandelsketten funktioniert nicht mehr

- Hypermärkte werden bis 2025 verlieren, kleinere Formate gewinnen
- Margen im Lebensmitteleinzelhandel brechen spürbar ein
- Auch die Gewinnspannen der Konsumgüterhersteller sind bedroht
- Bain zeigt fünf Erfolgsstrategien für Produktportfolio, Vertrieb
und digitale Transformation auf

Die Hersteller von Markenprodukten stehen vor einem
einschneidenden Wandel. Ursächlich dafür sind die gravierenden
Probleme vieler europäischer Lebensmittelhandelskonzerne. Erodierende
Gewinnspannen, schrumpfende Verkaufsflächen und ausgedünnte
Produktportfolien werden den Lebensmittelhandel bis 2025 prägen. Zu
diesem Schluss kommt die aktuelle Studie "How Brands Can Prepare for
Retailing´s Tectonic Shifts" der internationalen Managementberatung
Bain & Company.

Auch die Lebensmittelhändler in Deutschland und der Schweiz müssen
sich auf diesen Wandel einstellen. Die deutschen Discounter werden
ihre Marktdominanz verteidigen. Hierzulande ist ihr Marktanteil mit
derzeit 29 Prozent fast dreimal so hoch wie in der Schweiz mit 11
Prozent. Deutsche Konsumenten loben insbesondere die schnellen und
unkomplizierten Einkaufsmöglichkeiten bei Discountern. Dagegen
verlieren die großen Einkaufsformate - allen voran Hypermärkte -
deutlich. Stark wachsen wird in Zukunft auch in Deutschland der
Lebensmittelonlinehandel.

Noch unterschätzen viele der globalen Markenartikler das Ausmaß
dieser Eruptionen im europäischen Lebensmittelhandel. Miltiadis
Athanassiou, Partner bei Bain & Company und Leiter der Praxisgruppe
Handel und Konsumgüter im deutschsprachigen Raum, stellt fest:
"Offenbar haben nur sehr wenige Führungskräfte die kumulativen
Effekte dieser Entwicklung bereits vollständig erfasst - und damit




auch die Bedrohungen für ihr eigenes Geschäftsmodell."

Üppige Margen gehören der Vergangenheit an

Nach einem extrem erfolgreichen Jahrzehnt mit Gewinnspannen von
durchschnittlich 13 bis 15 Prozent müssen sich die globalen
Konsumgüterhersteller nun für harte Zeiten rüsten. Denn im gleichen
Zeitraum sanken die Margen der für sie maßgeblichen
Lebensmittelhändler auf unter vier Prozent - und sie werden weiter
abschmelzen. "Besonders aufschlussreich ist dabei die Analyse des
europäischen Lebensmitteleinzelhandels", merkt Bain-Partner und
Handelsexperte Serge Hoffmann an. "Er bündelt die Probleme der
Branche wie unter einem Brennglas."

So verschärft sich zum einen die Krise der Hypermärkte und
Supercenter. Die Zahl der in einem Haushalt gemeinsam lebenden
Menschen nimmt ab, der Großeinkauf am Wochenende gehört der
Vergangenheit an. Viele großflächige Märkte verzeichnen bereits
negative Renditen, und die Abwärtsspirale aus Sparzwang,
Servicemängeln sowie abwandernden Kunden dreht sich immer schneller.

Zum anderen setzt sich der Aufstieg sogenannter Value-Märkte fort.
Unternehmen wie Colruyt in Belgien oder Mercadona in Spanien haben
das Vertrauen der Kunden durch Markenprodukte und ein angenehmes
Einkaufserlebnis gewonnen. Gleichzeitig wachsen die deutschen
Discounter Aldi und Lidl in Europa weiter. Bestes Beispiel ist die
erfolgreiche Entwicklung in Großbritannien.

Und schließlich erobert der Internethandel langsam, aber sicher
auch das Lebensmittelsegment. Der Onlinemarktanteil für Tierfutter
und Babynahrung etwa wird sich in Westeuropa bis 2020 auf 12 Prozent
verdoppeln (Abbildung 1).

Kumulative Effekte verschärfen das Bedrohungsszenario

Diese drei Trends treffen die Lebensmittelhändler gebündelt, ihre
disruptive Wirkung potenziert sich. Um das volle Ausmaß zu
verdeutlichen, hat Bain für den europäischen Lebensmittelmarkt bis
2025 zwei Szenarien entwickelt. Bei der Basisannahme wächst der
Lebensmittelhandel wie bisher, Hypermärkte schrumpfen mäßig und das
Internet legt kontinuierlich zu. Bei der beschleunigten Entwicklung
mit gleichem angenommenen Marktwachstum verlieren Hypermärkte stark,
während Onlinehandel und Value-Märkte rasant wachsen.

Die wichtigsten Ergebnisse dieser Szenarioanalyse sind (Abbildung 2):

- Der Marktanteil der bisher dominierenden Super- und Hypermärkte
fällt in Westeuropa von 70 auf 59 Prozent, im beschleunigten
Szenario sogar auf 48 Prozent. Gleichzeitig erobern die
Herausforderer Internethandel und Value-Märkte die
Marktführerschaft.
- In Deutschland behaupten in beiden Szenarien die Discounter ihre
Marktdominanz (zwischen 35 und 42 Prozent), während der
Internethandel mit einem Marktanteil von 5 bis 10 Prozent
deutlich zulegt.
- Insgesamt lässt der Trend hin zu kleineren Handelseinheiten die
Verkaufsfläche im Lebensmittelhandel um 10 Prozent sinken, im
Extremfall sogar um 30 bis 35 Prozent.
- Das Sortiment schrumpft um 15 bis 25 Prozent, bei beschleunigter
Entwicklung halbiert sich die Produktpalette sogar von 8.000
Einheiten auf 4.000 bis 5.000.
- Die Margen im Lebensmittelhandel brechen weiter ein - um 20
Prozent im Basismodell und um bis zu 40 Prozent im Extremfall.

Diese Eruptionen in der Lebensmittelbranche bleiben nicht ohne
Folgen für die Markenhersteller. "Ganz gleich, welches der beiden
Szenarien eintritt, das sich rasant ändernde Umfeld im
Lebensmittelhandel zwingt die Konsumgüterhersteller zu neuen
Geschäftsmodellen", so Bain-Experte Athanassiou. "Selbst für die
großen Marken dürfte es schwieriger werden, ihre komfortablen
Gewinnspannen zu verteidigen."

Umdenken tut not

Bain hat fünf Strategiekonzepte identifiziert, die die
Konsumgüterhersteller stärken:

1. Die eigenen Ressourcen nach Umsatztreibern und Gewinnbringern
ausrichten. Jeder Hersteller muss seine Verkaufskanäle genau
analysieren. Nur so kann er erkennen, in welchen Regionen oder
Handelssegmenten Risiken drohen. Viele Marken konzentrieren sich zu
stark auf die gefährdeten Hypermärkte. Sie liefern Großpaletten für
riesige Verkaufsflächen und beschäftigen Heerscharen von
Regalauffüllern. Um den Wünschen ihrer Handelskunden von morgen,
sprich: Discounter und Value-Märkte, Rechnung tragen zu können,
sollten sie neuartige flexible Multimarkenpaletten ausprobieren.

2. Einfacheres und schlagkräftigeres Produktportfolio entwickeln.
Die neuen, kleineren Handelsmärkte für Lebensmittel brauchen deutlich
weniger Produktvielfalt. Sie konzentrieren sich auf ihre Umsatz- und
Gewinnbringer. Das wiederum heißt für die Konsumgüterhersteller, ihr
Sortiment zu durchforsten, Starmarken zu stärken und
Produktnachzügler zu eliminieren. Tatsache ist: Gewinnermarken
handeln, bevor der Lebensmittelhandel sie dazu zwingt. Die
Produktkonsolidierung dürfte zu weiteren Fusionen und Übernahmen
unter den Herstellern führen.

3. Neue Formen der Zusammenarbeit mit Super- und Hypermärkten
finden. Auch wenn die Flächenriesen angeschlagen sind, so bleiben sie
doch eine signifikante Größe. Dennoch sollten sich die Marken auf
diejenigen Händler konzentrieren, die sich behaupten oder neu
erfinden können. Allerdings werden sich im Überlebenskampf viele
Handelskonzerne verbünden, Einkaufskonditionen austauschen und von
den Herstellern Bestpreise einfordern. Vor diesem Hintergrund müssen
die Markenproduzenten ihre Kosten weiter senken. Nur so können sie
auskömmliche Gewinnspannen realisieren und Zukunftsinvestitionen
finanzieren.

4. Neue Verkaufskanäle ausprobieren und entwickeln. Lieferungen an
Discounter und Internethändler bieten Markenherstellern die Chance,
gemeinsam mit diesen Verkaufskanälen zu wachsen. Darüber hinaus
sollten sie alternative Vertriebsmodelle testen. Dazu gehören
Fachhändler, Drogeriemärkte oder der Direktverkauf an den
Verbraucher.

5. Eine umfassende digitale Transformation wagen. Erfolgreiche
Konsumgüterproduzenten werden die neuen digitalen Errungenschaften in
möglichst vielen Geschäftsbereichen einsetzen. Das bedeutet
zusätzliche Managementaufgaben. Wer sich im Internethandel engagiert,
muss die Spielregeln für den Umgang mit Onlinegiganten wie Amazon
oder Alibaba kennen. Und wer mit Verbrauchern in Kontakt treten will,
benötigt effektive Business-Analytics-Programme.

Wollen sich die großen Marken auch in Zukunft im
Lebensmittelhandel behaupten, müssen sie jetzt völlig neu denken.
Betont Athanassiou: "Wer sich lediglich auf den Erfolgen der
Vergangenheit ausruht, läuft Gefahr, von der Konkurrenz abgehängt zu
werden."

Bain & Company

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