(ots) -
Produkte, Rohstoffe und Informationen lassen sich immer günstiger
transportieren
- Unternehmen überdenken Produktionsprozesse, Mitarbeiter ihren
Wohnort
- Viele Ballungszentren und Vorstädte verlieren an Bedeutung, der
ländliche Raum gewinnt
- Die neue posturbane Ökonomie beschleunigt das Ende des
exportgetriebenen Wachstums
- Viele Unternehmen haben die Gefahren für ihr Geschäftsmodell
noch nicht erkannt
- Staaten müssen die sozialen Folgen der Transformation abfedern
Die Industrienationen stehen vor der Herausforderung des
Jahrhunderts. Die Entfernungskosten fallen dramatisch, Güter und
Dienstleistungen lassen sich so günstig transferieren wie noch nie,
lokale Produktionsstandorte ersetzen zentralisierte
Fertigungsprozesse. Das hat Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle
zahlreicher Unternehmen und Investoren - die aber sind sich der
Gefahren noch nicht bewusst. Zu diesem alarmierenden Fazit kommt die
internationale Managementberatung Bain & Company in ihrer aktuellen
Studie "Spatial Economics: The Declining Cost of Distance".
Walter Sinn, Deutschlandchef von Bain & Company, warnt: "Viele der
bisher so perfekt aufeinander abgestimmten Herstellungsprozesse und
industrielle Lieferketten werden in Zukunft nicht mehr funktionieren.
Deshalb führt kein Weg daran vorbei, sie von Grund auf zu überdenken.
Mehr denn je werden technologische Vorreiternationen die
wirtschaftlichen Spielregeln bestimmen. Gerade in Deutschland müssen
wir deshalb in Innovationen investieren."
Die extrem gesunkenen Kosten der räumlichen Distanz (Spatial
Economics) ziehen gravierende Veränderungen für Produktionsstandorte,
Beschäftigungsschwerpunkte und Mitarbeiterwohnorte nach sich. Die
Menschen und ihre Arbeitsstätten werden sich weiter voneinander
entfernen. Unternehmen stellen sich mit kleinen, effizienten
Produktionseinheiten schneller auf regionale Bedürfnisse ein, ihre
Mitarbeiter werden aus den Vorstädten in ländlichere Gebiete ziehen
(Abbildung 1). Diese neuen Ansiedlungsschwerpunkte bieten günstigeren
Wohnraum, Nähe zur Natur und die Möglichkeit von
Mehrgenerationenhäusern, die das Zusammenspiel von Beruf und Familie
erleichtern. Schon innerhalb der nächsten zehn Jahre werden in der
klassischen Pendlernation USA erstmals mehr Menschen auf dem Land
leben als in den Vorstädten. Diese Entwicklung zeigt sich noch
deutlicher in vielen europäischen Ländern. Dazu zählen Spanien,
Italien und Frankreich. Deutschland hingegen bildet noch eine
Ausnahme (Abbildung 2).
Die Treiber der ökonomischen Transformation
Die Kombination aus technologischem Fortschritt, effizienter
Kleinstproduktion, Hochgeschwindigkeitsinternet und fallenden
Transportkosten beschleunigt die ökonomische Transformation. So
ermöglichen etwa 3D-Drucker, Drohnen und selbstfahrende Autos eine um
bis zu 80 Prozent günstigere Auslieferung von Waren auf den letzten
Metern. Kleine Handels- oder Gastronomiebetriebe können dank
geringerer Kosten künftig mit 30 Prozent weniger Kunden profitabel
arbeiten und sich weiter entfernt von Großstädten ansiedeln
(Abbildung 3). Außerdem wird die Nutzung von Videokonferenzen und
Internetschaltungen in der Arbeitswelt noch weiter zunehmen. Derzeit
greifen 37 Prozent der Beschäftigten in den USA auf diese Form der
vernetzten Kommunikation zurück, 1995 waren es 8 Prozent.
Schwerwiegende Konsequenzen haben die fallenden Entfernungskosten
für die extrem exportorientierten aufstrebenden Volkswirtschaften.
Die flexiblen Produktionsbetriebe in den Industrienationen können
durch ihre nun wettbewerbsfähigen Preise den bisherigen Kostenvorteil
vieler Niedriglohnländer ausgleichen. Die Notwendigkeit von Importen
und Produktionsverlagerungen nimmt ab. Gerade die USA und Westeuropa
dürften von dieser Entwicklung profitieren. "Das Erfolgsmodell für
den Aufstieg vieler Schwellenländer, also exportgetriebenes Wachstum,
unterdrückter Binnenkonsum und hohe Sparquote, funktionierte bisher,
weil die Nachfrage der Industrienationen durch ihre billig
produzierten Waren befriedigt wurde", erklärt Sinn. "Doch die Spatial
Economics werden die globalen Spielregeln verändern. In Zukunft
werden Länder mit starker Binnennachfrage den Ton angeben."
Soziale Folgen der Transformation abfedern
Auf die Industrienationen kommen ebenfalls tiefgreifende
Umwälzungen zu. Neue Technologien und flexible Produktionsformen
werden zahlreiche alte Industrien ersetzen - und damit auch Millionen
Arbeitsplätze in Produktion und Service. Politik und Wirtschaft
müssen deshalb einen reibungslosen und fairen Übergang ermöglichen,
um die sozialen Unruhen früherer Transformationsprozesse zu
vermeiden. "Die Veränderungen in den etablierten Industrieländern
werden schneller, umfassender und turbulenter sein, als es die
heutige Generation von Unternehmenslenkern je erlebt hat", betont
Bain-Deutschlandchef Sinn.
Vier Handlungsfelder für Unternehmen und Investoren
Neben neuen Märkten und Geschäftsmodellen bringen die Spatial
Economics auch andere Formen von Karriere und Lebensführung mit sich.
Darauf müssen sich Unternehmen und Investoren einstellen und
entsprechend handeln:
- Zukunftsgerichtet investieren: Immobile Vermögenswerte wie
Büros, Einkaufszentren oder technische Infrastruktur verlieren
an Wert, wenn Millionen Menschen aus den Vorstädten in ländliche
Regionen umsiedeln. Um Fehlinvestitionen zu vermeiden, sind die
Bevölkerungswanderungen zu untersuchen und rechtzeitig neue,
flexible Multistandorte zu schaffen.
- Produktions- und Lieferketten an sinkende Kosten anpassen:
Unternehmen müssen auf die sich wandelnden Bedürfnisse der
Konsumenten reagieren. Es gilt, alle Geschäftsbereiche zu
analysieren, die besonders stark von den sinkenden
Entfernungskosten betroffen sind, und rechtzeitig Alternativen
auszuarbeiten.
- Neue Technologien testen: Das Top-Management muss sich an die
Spitze dieser Entwicklung stellen und 3D-Druck, Lieferdrohnen
oder Roboter in die Arbeitsabläufe integrieren. Denn es braucht
Zeit zu ermitteln, welche der disruptiven Technologien sich in
welchen Unternehmensbereichen einsetzen lassen.
- Mitarbeiter weltweit suchen und binden: Angesichts der massiven
Bevölkerungswanderungen lassen sich Top-Talente nur noch schwer
in einer Konzernzentrale bündeln. Stattdessen werden
spezialisierte Teams, zum Beispiel Technik oder Finanzen, von
verschiedenen Regionen aus arbeiten. Unternehmen müssen
sicherstellen, dass ihre weltweit tätigen Mitarbeiter auch
virtuell ohne Reibungsverluste zusammenarbeiten können.
Viele Unternehmen haben den Einfluss der Spatial Economics auf ihr
Geschäftsmodell noch nicht erkannt. Doch die Zeit drängt. "Die
ökonomischen Umwälzungen haben bereits begonnen", so Sinn. "Die
deutsche Wirtschaft muss die sich daraus ergebenden Chancen verstehen
und schon heute anfangen, Risiken zu minimieren und die
Kostenrevolution für eine nachhaltige Zukunftsstrategie zu nutzen."
Bain & Company
Bain & Company ist eine der weltweit führenden
Managementberatungen. Wir unterstützen Unternehmen bei wichtigen
Entscheidungen zu Strategie, Operations, Technologie, Organisation,
Private Equity und M&A - und das industrie- wie länderübergreifend.
Gemeinsam mit seinen Kunden arbeitet Bain darauf hin, klare
Wettbewerbsvorteile zu erzielen und damit den Unternehmenswert
nachhaltig zu steigern. Im Zentrum der ergebnisorientierten Beratung
stehen das Kerngeschäft des Kunden und Strategien, aus einem starken
Kern heraus neue Wachstumsfelder zu erschließen. Seit unserer
Gründung im Jahr 1973 lassen wir uns an den Ergebnissen unserer
Beratungsarbeit messen. Bain unterhält 53 Büros in 34 Ländern und
beschäftigt weltweit 6.400 Mitarbeiter, 750 davon im
deutschsprachigen Raum. Weiteres zu Bain unter: www.bain.de.
Pressekontakt:
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