(ots) - Volker Enkerts, Präsident des
Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister (BAP), im
BAP-Serieninterview "Drei Fragen an..."
Die deutsche Konjunktur ist aktuell stabil, der Arbeitsmarkt mehr
als robust, die Nachfrage nach Fachkräften hoch. Doch mit
Digitalisierung, demografischem Wandel und der Integration von
Hunderttausenden von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt steht die
deutsche Wirtschaft vor enormen Herausforderungen. Trotzdem will die
große Koalition die dringend benötigte Flexibilität der deutschen
Wirtschaft beschränken: Einschneidende Gesetzesänderungen - unter
anderem Equal Pay nach neun Monaten und die Festlegung einer
Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten - werden auf die Zeitarbeit
zukommen. Der Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister
(BAP) sprach mit seinem Präsidenten Volker Enkerts über die
Notwendigkeit des Vorhabens und was diese neuen Einschränkungen für
die Branche und ihre Kundenunternehmen bedeuten.
Herr Enkerts, die Bundesregierung hat einschneidende
Beschränkungen für die Zeitarbeit beschlossen, die zum 1. Januar 2017
greifen sollen. Wie bewerten Sie diese?
Enkerts: Der BAP lehnt das Gesetzesvorhaben ohne Wenn und Aber ab,
denn die Regulierung unserer Branche ist unnötig: Zeitarbeit
unterliegt vollständig dem deutschen Arbeitsrecht, wird zudem
staatlich kontrolliert und ist auch noch erlaubnispflichtig. Die
Zeitarbeitsunternehmen sind vollwertige Arbeitgeber mit allen
entsprechenden Pflichten. Zeitarbeitnehmer sind deshalb in
Deutschland fest angestellt und nicht nur - wie beispielsweise in
Ländern wie Frankreich und Großbritannien - befristet für den
jeweiligen Arbeitseinsatz. Zeitarbeitnehmer haben damit Anspruch auf
Lohnfortzahlung bei Urlaub, Krankheit und fehlenden
Einsatzmöglichkeiten. Sie werden zu nahezu 100 Prozent nach
Tarifverträgen bezahlt, die mit den DGB-Gewerkschaften abgeschlossen
wurden. Und seit einigen Jahren führen Branchenzuschlagstarifverträge
Zeitarbeitnehmer in wichtigen Einsatzbereichen in Stufen an die
Bezahlung der Stammmitarbeiter heran - ein System, das ebenfalls mit
den DGB-Gewerkschaften vereinbart wurde. Zeitarbeitnehmer in
Deutschland gehören damit zu den am besten geschützten in Europa. Im
Übrigen konnte die Wissenschaft keinen Nachweis dafür finden, dass
durch Zeitarbeit Stammarbeitsplätze verdrängt worden wären. Es gibt
also wirklich keinen Grund für neue Einschränkungen!
Welche Herausforderungen kommen sowohl auf die
Personaldienstleister als auch auf die deutsche Wirtschaft mit den
neuen Regulierungen zu?
Enkerts: Mit Equal Pay werden die Personaldienstleister und ihre
Kunden massiv weiteren bürokratischen Belastungen ausgesetzt. Denn
zunächst gilt es, den vergleichbaren Stammmitarbeiter zu ermitteln -
was in vielen Fällen gar nicht so einfach sein wird. Aber was
passiert, wenn es diesen gar nicht gibt? An welchen vergleichbaren
Mitarbeiter sollen sich Personaldienstleister und deren Kunden dann
orientieren? Klar ist, dass dieses Verfahren zu erheblichem
Mehraufwand sowohl beim Kundenunternehmen als auch den
Personaldienstleistern führen wird. Und dann hat die Bundesregierung
Equal Pay im Gesetz noch nicht einmal sauber definiert, sondern nur
in der Gesetzesbegründung einen hochkomplexen Equal Pay-Begriff
verankert, der sogar Sachleistungen umfassen soll und so nicht
rechtssicher zu handhaben ist.
Gleichzeitig wird die Flexibilität der deutschen Wirtschaft mit
diesem Gesetz erheblich gedrosselt. So sind zum Beispiel
längerfristige Projekteinsätze im hochqualifizierten Bereich wie bei
IT- oder Ingenieurdienstleistungen nicht mehr möglich. Gleiches gilt
für Vertretungen in Eltern- oder Pflegezeit. Die Forderung nach
besserer Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird hiermit schlicht
unterlaufen. Die große Koalition tut dem Wirtschaftsstandort
Deutschland mit diesen Änderungen wahrlich keinen Gefallen. Dass
Zeitarbeitnehmer nach 18 Monaten ihren Einsatzbetrieb verlassen
müssen - zu einem Zeitpunkt, an dem Equal Pay gerade mal neun Monate
gegriffen hat - kann übrigens auch nicht im Interesse dieser
Arbeitnehmer sein. Der Gesetzentwurf verdammt diese Arbeitnehmer
dazu, in einem neuen Einsatzbetrieb wieder von vorne anzufangen, um
auf ein Equal Pay zu kommen. Welch ein Zynismus.
Sie wurden bereits zum dritten Mal zum Präsidenten des BAP
gewählt. Welche Aufgaben stehen in Ihrer Amtszeit auf der Agenda?
Enkerts: Ich will hier nur die beiden wichtigsten nennen: An
erster und aktuellster Stelle stehen - und das ist ganz klar -
Forderungen nach Verbesserungen im Gesetzentwurf der Bundesregierung
für die Zeitarbeit. Dazu gehören eine rechtssichere Equal
Pay-Definition und klare Kriterien bei den massiven Sanktionen, die
völlig unverhältnismäßig sind. Es kann doch nicht sein, dass bereits
bei kleinsten Verstößen gegen Equal Pay und Höchstüberlassungsdauer
der Entzug der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis droht. Das kommt
einem Berufsverbot gleich, denn ohne diese Erlaubnis darf niemand in
Deutschland ein Zeitarbeitsunternehmen betreiben. Gleichzeitig werden
wir natürlich prüfen lassen, ob das Gesetz gegen Verfassungs- oder
Europarecht verstößt. Entsprechende Bedenken wurden ja bereits von
führenden Juristen und sogar von der Bundesrechtsanwaltskammer
geäußert.
Das zweite große Thema wird die Integration der Flüchtlinge in den
Arbeitsmarkt sein. Dafür hat der BAP eigens eine Arbeitsgruppe
eingerichtet, die Eingliederungsmodelle durch Zeitarbeit entwickeln
und sich eng mit der Bundesagentur für Arbeit abstimmen wird. Die
Öffnung der Branche für Asylsuchende durch das neue
Integrationsgesetz war der hierfür notwendige erste Schritt.
Angesichts der Zuwanderung und der damit verbundenen Herausforderung
ist es deswegen umso unverständlicher, dass die Zeitarbeit mit neuen
Regulierungen eingeschränkt werden soll. Denn dass wir
Personaldienstleister eine große Expertise darin haben, auch
sogenannte Problemgruppen in Arbeit zu bringen, belegen seit Jahren
Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Diese Chance sollte die
Bundesregierung mit den neuen Regulierungen nicht einfach so vertun!
Ãœber den BAP:
Der Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e. V. (BAP)
ist die führende Interessenvertretung der Zeitarbeitsbranche in
Deutschland. Im BAP sind ca. 2.000 Mitglieder mit über 4.800
Personaldienstleistungsbetrieben organisiert. Informationen zum
Verband finden Sie unter www.personaldienstleister.de.
Pressekontakt:
Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e.V. (BAP),
Ulrike Heine,
Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit,
Universitätsstr. 2-3a,
10117 Berlin,
Tel.: 030 / 20 60 98 - 30,
Mail: presse(at)personaldienstleister.de,
Website: www.personaldienstleister.de