(ots) -
Die zu lange vernachlässigte Neubautätigkeit in Deutschland ist
bekanntlich eine wesentliche Ursache für die in vielen Städten
entstandenen Engpässe auf dem Wohnungsmarkt und die damit
einhergehenden Preis- und Mietsteigerungen. Inzwischen sind die
Knappheitssignale am Markt angekommen: Auch getrieben durch das
extrem niedrige Zinsniveau und fehlende Anlagealternativen springt
die Bautätigkeit kräftig an. Wie LBS Research auf Basis einer
Auswertung der amtlichen Bautätigkeitsstatistik mitteilt, findet die
größte Dynamik dabei allerdings nicht beim Bau von Ein- und
Zweifamilienhäusern statt, sondern im Geschosswohnungsbau.
Selbstnutzer haben hier häufig das Nachsehen.
Beim Mehrfamilienhausbau, also Objekten mit mehr als drei
Wohneinheiten, ist zu unterscheiden zwischen dem klassischen
Mietwohnungsbau und dem Bau von Eigentumswohnungen als
Einzeleigentum, die vom Käufer entweder selbstgenutzt oder vermietet
werden. Typischerweise geht gut die Hälfte der neu entstehenden
Eigentumswohnungen in die Vermietung. Die Analyse der
Baugenehmigungszahlen zeigt: Der Geschosswohnungsbau in Deutschland
breitet sich aus - und damit auch das Wohnen zur Miete. Gegenüber
2010, dem ersten Jahr mit wieder spürbar wachsender Bautätigkeit in
Deutschland, hat sich der Neubau von Mietwohnungen (reine
Mietwohnungen und vermietete Eigentumswohnungen) mit 106 Prozent mehr
als verdoppelt, selbstgenutzte Objekte (Eigenheime und
Eigentumswohnungen) hingegen legten lediglich um 31 Prozent zu (siehe
Grafik).
Die Entwicklung der Baugenehmigungszahlen zeigt nach Ansicht der
Immobilienexperten von LBS Research, dass die Bundesrepublik beim
Neubau zwar quantitativ auf dem richtigen Weg ist.
Expertenschätzungen gehen davon aus, dass bis 2020 jährlich zwischen
350.000 und 400.000 neue Wohnungen entstehen müssen, um den
Wohnungsbedarf in Deutschland decken zu können. Die Zahl der
genehmigten Wohnungen belief sich im vergangenen Jahr insgesamt, also
einschließlich der neu geschaffenen Wohnungen in bestehenden Gebäuden
(z. B. Dachgeschossausbau) und den Wohnungen in sogenannten
Nicht-Wohngebäuden, bereits auf 309.000 - mit klar steigender
Tendenz. Anlass zur Sorge gebe allerdings die immer deutlicher
werdende Verschiebung der Bautätigkeit hin zu einem von Mietwohnungen
geprägten Geschosswohnungsbau.
Denn diese, so die Forscher, sei ein klares Zeichen, dass es den
Städten bisher nicht in ausreichendem Maße gelingt, bezahlbare
Angebote für Selbstnutzer zu schaffen. Vielmehr führe die Flucht ins
"Betongold" durch hiesige, aber auch durch internationale
Kapitalanleger dazu, dass vorwiegend der Bestand an Mietwohnungen
ausgedehnt wird. Unterstellt man auf Basis der jüngsten
Mikrozensus-Erhebung, dass gut 40 Prozent der genehmigten
Eigentumswohnungen für Selbstnutzer gebaut werden, so entstehen im
Geschosswohnungsbau derzeit zu 80 Prozent Mietwohnungen und nur zu 20
Prozent Wohnungen für Selbstnutzer.
Das übergeordnete Ziel, die Wohneigentumsquote gerade auch in den
Städten zu verbessern, wird damit nicht erreicht werden, konstatieren
die Immobilienexperten von LBS Research. Eine Verfestigung oder gar
eine noch stärkere Ausprägung der aktuellen Struktur der Bautätigkeit
werde vielmehr dazu führen, dass der Anteil der Haushalte, die in den
eigenen vier Wänden wohnt, weiter niedrig bleibt. Eine Sonderanalyse
der EVS hatte jüngst gezeigt, dass die Wohneigentumsquote in
Deutschland bereits seit 10 Jahren bei 43 Prozent verharrt (West: 46
Prozent, Ost 36 Prozent). Die Bundesrepublik ist damit Schlusslicht
in Europa; nur die Schweiz hat mit 38 Prozent einen noch geringeren
Anteil. In vielen europäischen Ländern liegt der Anteil der
Selbstnutzer zwischen 60 und fast 80 Prozent.
Als Hauptgrund für die nicht vorankommende Wohneigentumsbildung in
den Brennpunkten der Wohnungsnachfrage nennen die Immobilienexperten
LBS Research das Engagement der Kapitalanleger im gegebenen
Nullzinsumfeld. Die Suche nach Anlagemöglichkeiten im als sicher
geltenden Hafen "Immobilienmarkt Deutschland" habe insbesondere beim
Neubau von Eigentumswohnungen zu stark gestiegenen Preisen geführt.
Haushalte mit durchschnittlichem Einkommen, die als Selbstnutzer in
Betracht kämen, können sich diese Wohnungen häufig nicht mehr leisten
- trotz der derzeit günstigen Finanzierungsbedingungen. Sie müssten
deshalb, wenn sie in der Stadt bleiben wollen, auf eine meist teure
Mietwohnung ausweichen oder werden ins Umland getrieben. Bei den
Käufern der neu entstehenden Eigentumswohnungen handelt es sich
dagegen oft um Bezieher höherer Einkommen.
Bei der weiteren, notwendigen Ausweitung des Wohnungsangebots, so
das Fazit von LBS Research, sei darauf zu achten, dass die
Selbstnutzer wieder in den Fokus gerückt werden - eine Aufgabe, bei
der insbesondere die Kommunen gefragt sind, wenn sie Bauflächen
ausweisen, erschließen und neue Quartiere schaffen. Wenn es nicht
gelingt, die weiter nach oben gerichteten Immobilienpreise zu
bremsen, seien auch Bund und Länder in der Verantwortung, die
Wohneigentumsbildung für kleine und mittlere Einkommensbezieher durch
eine gezielte Selbstnutzerförderung zu verbessern.
Verlinkungen:
Wohneigentumsquote in Deutschland bereits seit 10 Jahren bei 43
Prozent = http://ots.de/4dSjA
Schlusslicht Europa = http://ots.de/N9XZB
* Im Rahmen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) befragt
das Statistische Bundesamt alle fünf Jahre private Haushalte zu ihren
Einnahmen und Ausgaben, zur Vermögensbildung, zu Ausstattung mit
Gebrauchsgütern und zur Wohnsituation. Die jüngste EVS wurde im Jahr
2013 erhoben.
Pressekontakt:
Dr. Ivonn Kappel
Bundesgeschäftsstelle Landesbausparkassen
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