(ots) -
Eine neue Studie zeigt, warum so viele Ausbildungsverträge
zwischen Jugendlichen und Betrieben vorzeitig gelöst werden und was
man dagegen tun kann
Fast ein Viertel aller beruflichen Ausbildungsverträge wird jedes
Jahr vorzeitig gelöst. Einer der Hauptgründe dafür sind Konflikte,
die oftmals auf eine mangelnde oder misslungene Kommunikation
zwischen Auszubildenden und Betrieben zurückzuführen sind. Dies zeigt
eine Studie des Soziologischen Forschungsinstituts (SOFI) an der
Georg-August-Universität Göttingen, die von der Vodafone Stiftung
gefördert wurde. "Ein Ausbildungsabbruch ist für viele Jugendliche
eine schwere Phase, denn sie empfinden dies als Scheitern, werden
demotiviert und verlieren wertvolle Lebenszeit", so der
Geschäftsführer der Vodafone Stiftung, Dr. Mark Speich. Aber auch die
Unternehmen seien laut Speich sehr daran interessiert, die
Auszubildenden zu halten, denn aufgrund des demographischen Wandels
werde es immer schwerer, genug junge Menschen zu finden. Allein im
vergangenen Jahr konnten über 40.000 Ausbildungsplätze nicht besetzt
werden.
Die Studie hatte daher das Ziel die Ursachen für vorzeitige
Vertragslösungen in der Berufsausbildung zu ergründen, denn diese
lassen sich allein durch Auswertung amtlicher Statistiken nur schwer
erfassen. Zwar gibt es hierzu bereits Befragungen von Auszubildenden
und Betrieben, bei denen aber oft der jeweils anderen Seite die
Verantwortung für die Vertragslösung zugeschoben wird. "Deshalb haben
wir erstmals systematisch Ausbildungsbegleiter befragt, also externe
Vermittler, die Jugendliche und Betriebe beraten", so der
Studienleiter des SOFI, Dr. Harald Wolf. Diese außenstehenden, aber
erfahrenen Expertinnen und Experten haben laut Wolf nicht nur eine
unparteiische Sicht, sondern auch einen tiefen Einblick in viele
unterschiedliche Fälle und können somit auch Lösungswege aufzeigen.
Doch zunächst zu den Problemen, die der Einschätzung der
Ausbildungsbegleiter nach, immer wieder zu vorzeitigen
Vertragslösungen führen. Hierbei handelt es sich vor allem um drei
große Herausforderungen, die sich gegenseitig verstärken.
In Kleinbetrieben kommen viele Risiken zusammen
Klein- und Kleinstbetriebe, die fast die Hälfte aller
Ausbildungsplätze stellen, stehen oft unter hohem wirtschaftlichem
Druck und haben wenige Ressourcen, um eine Ausbildung zu gestalten.
Der Betrieb wird dann oft für den Auszubildenden kaum als Lernort,
sondern vor allem als Arbeitsort erlebt, an dem sie sich völlig den
Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen des Betriebes unterordnen
müssen, so die Beobachtung der Ausbildungsbegleiter. Zudem gebe es
oft eine strenge Hierarchie und der Ausbilder sei zugleich der
Betriebsleiter. Dies würde die Auszubildenden zusätzlich hemmen, ihre
Interessen deutlich zu machen, und eine sachliche Kommunikation bei
Konflikten werde erschwert.
Für die Jugendlichen ist die Ausbildung eine große Umstellung in
einem schwierigen Alter
Die Ausbildungszeit ist für die meisten Jugendlichen eine Phase
der Rollenfindung, als Erwachsene und Arbeitnehmer. Neue
Verhaltensanforderungen überfordern viele und das Risiko einer
Vertragslösung steigt, wenn Azubis sich schwer damit tun, sich in die
betrieblichen Regularien des Arbeitsalltags, wie Pünktlichkeit,
Umgang mit Arbeitsschutz, Einhaltung von bürokratischen Abläufen,
z.B. Krankmeldungen, einzugliedern.
Mangelnde Kommunikation führt zum Eindruck mangelnder
Wertschätzung
Für erfolgreiche Ausbildungsverhältnisse, die von Respekt und
Vertrauen geprägt sind, ist ein beidseitiger offener Meinungs- und
Interessensaustausch wichtig. Die Erfahrung der Ausbildungsbegleiter
zeigt, dass Ausbildungsverhältnisse eher scheitern, wenn in einem
Betrieb keine "Gesprächskultur" gepflegt wird. In diesen Fällen haben
die Auszubildenden keine klaren Ansprechpartner und es werden keine
regelmäßigen Anleitungs- und Feedbackgespräche geführt. Sie nehmen
einen Mangel an Kommunikation dann als fehlenden kollegialen Respekt
und als Ausdruck der eigenen Machtlosigkeit wahr. Da eben dieser
innerbetrieblichen Kommunikation eine Schlüsselrolle zukommt, um
Konflikte von vornherein zu entschärfen, empfehlen die befragten
Ausbildungsbegleiter genau dort anzusetzen. Hierfür geben sie unter
anderem folgende Anregungen, durch die Auszubildende wie auch
Ausbilder auf ihre Rollen vorbereitet werden können.
Schülern praxisnähere Berufsorientierung geben und Erwartungen
realistisch ausrichten
Schülerinnen und Schüler sollten in den letzten Schuljahren
bessere Möglichkeiten erhalten, die Betriebs- und Berufsrealitäten
kennenzulernen, um diese mit ihren eigenen Interessen und Fähigkeiten
abzugleichen. Hierfür sollten ihnen konkretere und umfassendere
Informationen über die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen in den
unterschiedlichen Berufen und Branchen zur Verfügung gestellt werden.
Außerdem bedarf es mehrerer sowie längerfristiger Praktika.
Externe Beratung für Auszubildende sowie Betriebe bündeln, stärken
und verstetigen
Um vor allem kleinere Betriebe dabei zu unterstützen, die
Ausbildung bei ihnen bestmöglich zu gestalten, gibt es bereits einige
Angebote für eine externe Ausbildungsberatung und -begleitung.
Allerdings handelt es sich hierbei bisher häufig nur um befristete
Projekte, die unterschiedlichsten Zuständigkeiten unterliegen. Dies
wird von Auszubildenden ebenso wie von Betrieben oft als kurzatmig
und unübersichtlich empfunden und erschwert den Kontakt zu geeigneten
Vertrauenspersonen bei Fragen oder Konflikten. Um hier eine größere
Transparenz und Stabilität zu schaffen, sollten solche
ausbildungsbezogene Dienstleistungen für jede Region durch zentrale
sowie dauerhaft finanzierte Informations- und Beratungsstellen
gebündelt werden.
Ausbilder in den Betrieben gezielt unterstützen und regelmäßig
weiterbilden
Um auch innerbetrieblich die Qualität und das Management der
Ausbildung zu stärken, sollte die Ausbilderrolle noch stärker
professionalisiert werden. Ein wichtiger Hebel hierfür ist die
bessere Qualifizierung des Ausbildungspersonals, beispielsweise durch
pflichtgemäße Fortbildungen, um sie im konstruktiven Umgang mit
Konflikten und anderen Kommunikationsfähigkeiten zu stärken. Diese
Angebote sollten so zugeschnitten sein, dass sie die zeitlichen
Kapazitäten der Ausbilderinnen und Ausbilder nicht übersteigen.
Eine Zusammenfassung des Forschungsberichts steht zum kostenlosen
Download bereit unter: www.vodafone-stiftung.de
Ãœber die Vodafone Stiftung Deutschland
Die Vodafone Stiftung ist eine der großen unternehmensverbundenen
Stiftungen in Deutschland. Unter dem Leitmotiv "Menschen und Ideen
fördern" unterstützt die Stiftung als gesellschaftspolitischer
Thinktank insbesondere Programme in den Bereichen Bildung,
Integration und soziale Mobilität mit dem Ziel, Impulse für den
gesellschaftlichen Fortschritt zu geben, die Entwicklungen einer
aktiven Bürgergesellschaft zu fördern und gesellschaftliche
Verantwortung zu übernehmen. Dabei geht es der Vodafone Stiftung
Deutschland vor allem darum, benachteiligten Kindern und Jugendlichen
den sozialen Aufstieg zu ermöglichen. www.vodafone-stiftung.de
Über das Soziologische Forschungsinstitut Göttingen (SOFI),
Georg-August-Universität
Das Soziologische Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) beschäftigt
sich seit seiner Gründung im Jahr 1968 als nichtkommerzielles,
universitätsnahes Institut vor allem mit Problemen der Arbeits-,
Industrie- und Berufsbildungssoziologie. Die aktuellen
Forschungsschwerpunkte liegen bei den Themen "Arbeit im Wandel",
"Wandel von Produktions- und Innovationsmodellen" und "Sozialmodell:
Arbeit-Bildung-Lebensweise im Umbruch". Das Institut beschäftigt
gegenwärtig rund 40 festangestellte Mitarbeiter. Es erhält eine
institutionelle Grundfinanzierung durch das Land Niedersachsen,
finanziert sich darüber hinaus aber überwiegend durch Mittel u.a. von
Landes- und Bundesministerien, anderen öffentlichen Einrichtungen,
der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Volkswagen-Stiftung, der
Hans-Böckler-Stiftung sowie anderen Stiftungen, der EU und in
geringem Maße auch von Verbänden und Unternehmen.
www.sofi-goettingen.de
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