(ots) -
Mittwoch, 31. August 2016, 1:10 Uhr
Ein Jahr Flüchtlingskrise
Zerreißprobe für Deutschland und Europa
Film von Wolf-Christian Ulrich
"Wir schaffen das!" - am 31. August 2015 sagt Angela Merkel den Satz,
der in Europa bis heute nachhallt. Wolf-Christian Ulrich will ein
Jahr später wissen, was er bewirkt hat.
Was ist seitdem passiert? Wie hat sich Deutschland verändert? Ulrich
zeichnet die wichtigsten Stationen der letzten zwölf Monate nach -
ein Rückblick, der zugleich Analyse und auch Ausblick ist. Denn klar
ist: Die Flüchtlingskrise wird uns noch viele Jahre beschäftigen.
Wolf-Christian Ulrich trifft auf den Journalisten Hajo Schumacher.
Er setzt sich seit Jahren mit Merkels Machtphysik auseinander.
Schumacher erklärt, wieso die ansonsten eher kühl kalkulierende
Kanzlerin sich plötzlich von Emotionen leiten ließ. Wieso sie in der
Nacht vom 4. auf den 5. September, beeindruckt von den dramatischen
Bildern in Ungarn, die Grenzen für tausende Flüchtlinge öffnete.
Wieso sie bereit ist, ihre Kanzlerschaft ausgerechnet mit dem Erfolg
ihrer Flüchtlingspolitik zu verknüpfen. Der Streit innerhalb der
Union ist seitdem eskaliert. Die CSU drohte mit der Verfassungsklage.
Eine unkontrollierte Zuwanderung macht auch vielen Menschen in
Deutschland Angst. Es schien, als sei der Staat nicht mehr Herr der
Lage. Auch deshalb verlor die CDU, seit Menschengedenken Garant der
inneren Sicherheit, dramatisch an Zustimmung. Während die AfD sich
als politische Kraft rechts der Union zu etablieren schien. In der
Union fürchteten viele, Merkels Haltung in der Flüchtlingskrise
könnte die CDU so nachhaltig schädigen wie Schröders Agenda 2010 die
SPD.
Umgekehrt gibt es in Deutschland eine Hilfsbereitschaft, deren Ausmaß
uns - und andere - bis heute überrascht. Auch Alea Horst, eine junge
Fotografin aus dem Westerwald, hat das Gefühl, sich einbringen zu
müssen. Sie reist nach Lesbos, hilft dort zwei Wochen vor Ort.
Zuhause in Diez kümmert sie sich ehrenamtlich um die Integration von
Flüchtlingen.
Der unabhängige Politikberater Gerald Knaus entwickelt ein Konzept,
das Merkels Flüchtlingspolitik verändern und gleichzeitig retten
soll. Auch Knaus lassen die Bilder, die die Flüchtlingskrise
produziert, nicht los. Am 2. September 2015 ging das Foto des
dreijährigen syrischen Jungen Alan Kurdi um die Welt, der tot an
einem Strand nahe der türkischen Stadt Bodrum angespült wurde. Knaus,
der eine kleine, von ihm selbst gegründete Denkfabrik namens
"European Stability Initiative" (ESI) leitet, ist der Gedanke, das
Mittelmeer könne sich unter der Aufsicht der europäischen Politik in
ein Massengrab verwandeln, zutiefst zuwider.
Er entwarf den Plan, der bald als "Merkel-Plan" bekannt werden
sollte: Jeder Flüchtling, der in Griechenland an Land geht, soll in
einem geordneten Verfahren zurück in die Türkei geschickt werden.
Dafür soll die EU der Türkei im Gegenzug syrische Flüchtlinge
abnehmen. Soweit die Theorie. Die Praxis sieht anders aus. Jetzt
kämpft Knaus darum, dass der Plan in den Mühlen der europäischen
Politik nicht zermalmt wird. Dass er im Spannungsfeld eines
Merkel-Europa und eines Orban-Europa Wirklichkeit werden kann. Denn
auch er ist überzeugt, dass wir das nicht nur schaffen können.
Sondern, dass wir es vor allem schaffen müssen.
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