(ots) - Deutschland hat das weltweit größte und in weiten
Teilen intakteste Mehrweg-Getränkesystem der Welt - Während die
Mehrwegquote bei Bier bei den gesetzlich vorgegebenen 80 Prozent
liegt, hat sich die für Mineralwasser und Erfrischungsgetränke auf 40
Prozent und weniger halbiert - Bundesumweltministerin Hendricks plant
Abschaffung der Mehrwegschutzquote - Deutsche Umwelthilfe und
Stiftung Initiative Mehrweg fordern Beibehaltung einer verbindlichen
Mehrwegquote für Getränkeverpackungen, klare Kennzeichnung von
Mehrweg und Einweg auf dem Produkt sowie eine 20 Cent Lenkungsabgabe
auf Dosen und Plastikflaschen - Deutschlandweit werden aktuell mehr
als 17 Milliarden Getränke umweltbelastend in Plastik-Einwegflaschen
verkauft
Der Entwurf des neuen Verpackungsgesetzes stellt einen Wendepunkt
in der deutschen Abfallpolitik dar. Der Entwurf sieht vor, die unter
dem ehemaligen Umweltminister Klaus Töpfer und seinem beamteten
Staatssekretär Clemens Stroetmann eingeführte Mehrwegschutzquote
ersatzlos zu streichen. Exakt vor 25 Jahren, im Sommer 1991, wurde
die entsprechende Rechtsverordnung als "Verordnung über die
Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen" im
Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Ein Vierteljahrhundert später, im
Sommer 2016, legte die Bundesumweltministerin ernsthaft ein
Verpackungsgesetz vor, das ausdrücklich auf das wichtigste Ziel im
Titel wie im Inhalt verzichtet: den Ressourcenschutz durch Vermeidung
von Abfällen. Stattdessen hält Barbara Hendricks die jährlich mehr
als 17 Milliarden Einweg-Plastikflaschen und drei Milliarden
verkauften Getränkedosen für akzeptabel. Diese Bankrotterklärung an
den Umweltschutz nehmen die Deutsche Umwelthilfe (DUH), der ehemalige
Bundesumweltminister Jürgen Trittin und die Stiftung Initiative
Mehrweg (SIM) zum Anlass, um die aktuelle Umweltministerin Barbara
Hendricks gemeinsam zu einer konsequenten Mehrwegschutzpolitik
aufzufordern. Hierzu gehören die Festlegung einer verbindlichen
Mehrwegquote im Verpackungsgesetz, eine klare Kennzeichnung von
Mehrweg und Einweg auf dem Produkt sowie die Einführung einer
Lenkungsabgabe auf pfandpflichtige Einweggetränkeverpackungen in Höhe
von mindestens 20 Cent.
"Barbara Hendricks macht die Merkel. Weil die Handelskonzerne und
großen Abfüller sich nicht ans Gesetz halten, wird einfach das Gesetz
geändert. Frau Merkel hatte sich noch damit begnügt, die Quote zu
senken, Frau Hendricks schafft sie gleich ganz ab. Was wir dagegen
brauchen, ist ein wirksamer Schutz für Mehrweg. Und den gibt es nur
mit einer Einwegabgabe neben dem Pfand", sagt Jürgen Trittin, Grünen-
Bundestagsabgeordneter und ehemaliger Umweltminister.
Deutschland ist mit 213 kg pro Kopf und Jahr Europameister bei
Verpackungsabfällen und liegt damit sogar 20 Prozent über dem
europäischen Durchschnitt. Dieser Trend wird durch den
deutschlandweiten Jahresverbrauch von mehr als 500.000 Tonnen
Kunststoff für die Herstellung von Einwegplastikflaschen weiter
vorangetrieben. Discounter bieten mit wenigen Ausnahmen
ausschließlich Getränke in Einweg an und auch Coca-Cola hat sich
weitgehend von der Abfüllung in Mehrwegflaschen verabschiedet. Doch
statt sich dieser besorgniserregenden Entwicklung in den Weg zu
stellen und entsprechende einstimmige Resolutionen der
Landesumweltminister für einen besseren Mehrwegschutz umzusetzen,
setzt Bundesumweltministerin Hendricks ihren Schmusekurs mit
Discountern und einigen großen Handels- und Industriekonzernen fort.
Der für die Entwicklung der Verpackungsverordnung vor 25 Jahren
maßgeblich verantwortliche beamtete Staatssekretär Clemens Stroetmann
und der - wegen Wortbruchs von großen Teilen des Handels und der
Industrie - für die Auslösung des Einwegpfandes verantwortliche
damalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin, sprechen sich für eine
konsequente Fortsetzung der Mehrwegschutzpolitik aus. Für Mehrweg
spricht die bis zu 50-malige Wiederbefüllung der Flaschen, der
dadurch praktizierte Ressourcen- und Klimaschutz sowie die Vermeidung
von Littering in der Landschaft, in Seen, Flüssen und Meeren.
Das heutige, weltweit größte und - noch - intakteste Mehrwegsystem
für Getränkeverpackungen, hat sich gegenüber 1991 ökologisch
erheblich weiterentwickelt, so seinen ökologischen Vorteil gegenüber
Einweg durch Innovationen erhalten und zum Teil sogar erheblich
ausgebaut. So wurde das Gewicht wiederbefüllbarer Glasflaschen bei
gleicher Umlaufhäufigkeit verringert, der Wasser- und Laugenverbrauch
für Spülprozesse auf einen Bruchteil der ursprünglichen
Verbrauchsmengen reduziert und auch der Energieeinsatz für Abfüll-
und Logistikprozesse optimiert.
"Angela Merkel kündigte im Sommer letzten Jahres beim G7-Gipfel in
Elmau eine neue Ressourcenschutzpolitik an, die eine ähnliche
Bedeutung wie der Klimaschutz bekommen werde. Offensichtlich
intervenierten daraufhin einige Oberlobbyisten multinationaler
Konzerne und führten Umweltministerin Hendricks erfolgreich die Hand
bei der geplanten Streichung der seit 25 Jahren geltenden
Mehrwegschutzquote", kritisiert DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen
Resch.
Die DUH fordert die Bundesländer dazu auf, auf die Beibehaltung
einer Mehrwegschutzquote für Getränkeverpackungen zu drängen und
ehrgeizige Zwischenziele zum Wiederanstieg von heute 40 Prozent auf
die noch geltende Höhe von 80 Prozent zu beschließen.
Die Rückkehr zu einer ökologisch besseren Zukunft ist anzumahnen.
Klaus Töpfer wollte 1991 nicht ein unverbindliches "schauen wir mal",
sondern ein verpflichtendes, die Produktverantwortung umsetzendes
Gebot, dessen Verletzung Sanktionen nach sich zieht. "Neben der
Festlegung einer verbindlichen Mehrwegquote, muss deren
Unterschreitung deshalb auch mit Konsequenzen verbunden werden. Wegen
der aktuellen Nichterfüllung der Mehrwegquote fordert die
Mehrwegallianz eine Abgabe auf pfandpflichtige
Einweggetränkeverpackungen in Höhe von 20 Cent. Dadurch erhalten auch
Discounter wie Aldi oder Lidl einen Anreiz Mehrwegflaschen anzubieten
und sich so an den gesamtgesellschaftlichen Aufgaben von
Abfallvermeidung und Klimaschutz zu beteiligen", erklärt der
Geschäftsführer der Stiftung Initiativ Mehrweg und ehemalige
Staatssekretär des Bundesumweltministeriums Clemens Stroetmann.
Eine aktuelle Studie der DIW Econ GmbH im Auftrag des
Lobbyverbandes der Einwegindustrie "BGVZ - Bund Getränkeverpackungen
der Zukunft" - der ausschließlich auf Einweg setzt und deshalb schon
die Mogelpackung im Namen trägt - belegt eindrucksvoll die
Lenkungswirkung einer Abgabe auf pfandpflichtige
Einweggetränkeverpackungen in Richtung Mehrweg. Die Studienersteller
gehen von Absatzrückgängen zwischen 2,7 und 10,8 Milliarden Litern
bei der Einwegabfüllung von Wasser, Erfrischungsgetränken und Bier
aus. Die DUH geht davon aus, dass dies zu Absatzsteigerungen in
gleicher Höhe bei den Produzenten und Händlern von Mehrweggetränken
führt. Neben der Schonung von Ressourcen und dem Schutz des Klimas
entstünden durch die Verlagerung von Abfüllkapazitäten in den
Mehrwegbereich bis zu 8.300 neue Arbeitsplätze.
Eine aktuelle Umfrage der TNS Emnid Medien- und Sozialforschung
GmbH belegt, dass auch 13 Jahre nach der Einführung des
Einweg-Pfandes nur 45 Prozent der Bevölkerung wissen, dass es neben
bepfandeten Mehrwegflaschen auch bepfandete Einwegflaschen gibt. Um
die bestehenden Verwechslungsrisiken zwischen Mehrweg- und
Einweggetränkeverpackungen für Verbraucher zu minimieren, ist eine
deutliche und rechtlich bindende Verbraucherkennzeichnung auf der
Verpackung dringend erforderlich.
Informationen und Hintergründe:
Hintergrundpapier "Informationen zum deutschen Mehrwegsystem":
http://l.duh.de/y3z6g
Kampagne "Mehrweg ist Klimaschutz"
http://www.duh.de/mehrweg_klimaschutz0.html
Flyer "Mehrweg ist Klimaschutz": http://l.duh.de/7szm3
Kontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
0171 3649170, resch(at)duh.de
Jürgen Trittin, Mitglied des Bundestages/Bündnis90/DIE GRÜNEN und
Umweltminister a.D.
030 227 72247, juergen.trittin(at)bundestag.de
Clemens Stroetmann, Geschäftsführer Stiftung Initiative Mehrweg SIM
und Staatssekretär a.D.
030 330083850, info(at)stiftung-mehrweg.de
DUH-Pressestelle:
Daniel Hufeisen, Ann-Kathrin Marggraf, Laura Holzäpfel
030 2400867-20, presse(at)duh.de, www.duh.de
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