(ots) - Zum Jubeln zu früh
Frieden nach mehr als 50 Jahren Bürgerkrieg, die älteste Guerilla
in Lateinamerika gibt den bewaffneten Kampf auf: Das Abkommen in
Kolumbien ist ganz ohne Frage ein historischer Moment, gerade in
diesen Zeiten, in denen man gar nicht weiß, mit welchem Konflikt man
sich zuerst befassen soll. Allerdings ist der Jubel im Ausland
deutlich lauter als im Land selbst. Das Friedensabkommen ist zwar ein
Meilenstein, aber für den Jubel ist es noch zu früh. Denn schon die
nächste Hürde ist höher, als man annehmen würde: Die Volksabstimmung
Anfang Oktober.
Wieso aber sollte das kolumbianische Volk "nein" zum Frieden
sagen? An mangelnder Beteiligung wird es nicht scheitern, die Hürde
wurde vom Obersten Gerichtshof mit 13 Prozent ziemlich niedrig
angesetzt. Allerdings sehen jüngste Umfragen die Gegner des Abkommens
vorn. Mit den Gründen muss man sich auseinandersetzen. Von einigen
wird die Volksabstimmung auch als Votum über Präsident Santos benutzt
werden - und mit dem ist nur eine Minderheit zufrieden.
Entscheidender sind aber inhaltliche Bedenken. Was etwa, wenn
manche Farc-Kämpfer ihre Waffen behalten und als unpolitische
Kriminelle weitermachen? Vor allem haben auch viele ihre Probleme
damit, dass die Farc als politische Kraft im Parlament vertreten sein
werden und vergleichsweise niedrige Höchststrafen für die ehemaligen
Guerilleros angesetzt sind.
Als De-Facto-Straflosigkeit kritisiert die geplante
Übergangsjustiz auch manche Menschenrechtsorganisation. Aber laut für
ein "Nein" zum Friedensabkommen kann und wird wird nur das rechte
Lager um den Expräsidenten Uribe trommeln. Denn für Detailänderungen
im Vertragstext ist es zu spät. Die Frage lautet jetzt: Krieg oder
Frieden. Oder, um ehrlich zu sein: die Chance auf Frieden. Aber das
ist schon viel mehr als Kolumbien in den vergangenen Jahrzehnten
erlebt hat.
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