(ots) - Auf keinem der europäischen
Kreuzfahrtschiffe ist eine Reise aus Umwelt- und Gesundheitssicht
derzeit uneingeschränkt empfehlenswert. Dies ist das Ergebnis des
NABU-Kreuzfahrt-Rankings 2016, das die Umweltschützer am heutigen
Montag in Hamburg vorstellten.
Für seine Übersicht wertete der NABU den europäischen
Kreuzfahrtmarkt in Hinblick auf das drängendste Umweltproblem der
Branche, die massive Umwelt- und Gesundheitsbelastung durch
Schiffsabgase aus. Wie bereits in den Vorjahren wurden die
Installation von Systemen zur Abgasreinigung, der verwendete
Kraftstoff sowie die Nutzung von Landstrom während der Liegezeit im
Hafen untersucht.
Das betrübliche Ergebnis: Sämtliche Schiffe verfeuern weiterhin
Schweröl. 80 Prozent der Flotte der in Europa fahrenden Schiffe
verfügt über gar keine Abgasreinigung oder kommt allenfalls dem
gesetzlichen Mindeststandard nach, der zumindest für Nordeuropa einen
Abgaswäscher zur Reduktion der Schwefelemissionen vorschreibt. Zur
Minderung stark gesundheitsgefährdender Luftschadstoffe wie Ruß,
ultrafeinen Partikeln oder Stickoxiden werden an Bord dieser Schiffe
hingegen nach wie vor keine effektiven Maßnahmen ergriffen. Auch die
Menschen der Mittelmeerregion mit ihren beliebten Zielhäfen
profitieren in der Regel nicht von diesen Nachrüstungen. Lediglich
elf Schiffe gehen über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinaus,
um die Belastung von Mensch und Umwelt zu reduzieren. Am besten
schnitt - wenn auch mit deutlichen Abstrichen - die AIDAprima ab,
gefolgt von Hapag-Lloyds "Europa 2" und den neuesten Schiffen von TUI
Cruises, mein Schiff 3, 4 und 5.
"Seit Jahren verkünden die Reeder vollmundig, umweltfreundlicher
werden zu wollen. Doch außer polierten PR-Texten kommt bisher kaum
etwas Substanzielles in der Praxis an. Das ist Greenwashing in
Reinform und angesichts der verursachten Schäden nicht hinnehmbar",
kritisierte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Mit schönen
Worten allein ist der Sache jedenfalls nicht gedient - das Gegenteil
ist der Fall. Besonders zynisch findet der NABU die Tatsache, dass
die Anbieter Unsummen für Bespaßung und den gastronomischen Service
an Bord ihrer Luxusliner ausgeben, während sie beim Umweltschutz
weiterhin sparen, wo es nur geht. "Diese Verantwortungslosigkeit geht
vor allem auch zulasten der menschlichen Gesundheit, insbesondere von
Anwohnern in Häfenstädten", so Miller.
So ignoriere die Branche weiterhin erdrückende Studienergebnisse,
etwa der Weltgesundheitsorganisation WHO, wonach Schiffsabgase Krebs
erregend sind und die besonders herz- und lungenschädigenden
Rußpartikel noch mehrere Hundert Kilometer weit ins Landesinnere
geweht werden können. Dabei seien technische Lösungen zur
Emissionsminderung für Dieselmotoren wie etwa Partikelfilter und
Stickoxid-Katalysatoren ausgereift. Einzig aus Profitgründen
verzichte ein Großteil der Branche bislang darauf, auf höherwertige
Kraftstoffe umzusteigen und ihre Schiffe.mit Abgastechnik
auszurüsten.
Doch auch der Sieger des dies- und letztjährigen Rankings, AIDA
Cruises, sei keineswegs ein mustergültiges Vorzeigeunternehmen. So
fahre das Unternehmen - entgegen einer Zusage aus dem Jahre 2012 -
bis heute mit giftigem und umweltschädlichem Schweröl. Auch die
bereits vor drei Jahren vollmundig für die gesamte Flotte
versprochenen Rußpartikelfilter sind bis heute auf keinem einzigen
Schiff in Betrieb. Ob die nächste AIDA-Schiffsgeneration tatsächlich,
wie angekündigt, mit dem vergleichsweise sauberen Flüssiggas fahre,
werde der NABU genauestens beobachten.
"AIDA Cruises steht als Marktführer und wegen seiner
Ankündigungen, mehr für die Umwelt tun zu wollen, unter verschärfter
Beobachtung. Von konsequentem Umweltschutz kann beim Rostocker
Unternehmen bis heute kaum die Rede sein. Ein Beispiel ist die
AIDAprima als jüngster Flottenzugang. Sie wurde als
umweltfreundlichstes Kreuzfahrtschiff beworben. Doch auch ein halbes
Jahr nach der Taufe kommt das Herzstück des Schiffes, das
Abgassystem, noch immer nicht zum Einsatz", so Dietmar Oeliger,
NABU-Leiter Verkehrspolitik. Eine Abgasmessung des NABU nahe Hamburg
hatte den Schwindel aufdecken können. Die Nagelprobe des Systems und
seine tatsächliche Emissionsminderung stehe also noch aus.
Die Blockadehaltung der meisten Reedereien beim Umweltschutz zeige
sich auch in Deutschlands wichtigster Kreuzfahrtdestination Hamburg.
Von den rund 40 Schiffen, die 2016 den Hamburger Hafen anlaufen, sei
eine Handvoll theoretisch in der Lage, Landstrom zu beziehen und
daher die Motoren während der Liegezeit abzuschalten. Doch bislang
nutzt einzig die AIDAsol diese Möglichkeit.
"Der Hafen und die oft so gefeierten Kreuzfahrteinläufe sind ein
massives Problem für Hamburg. 38 Prozent der Stickoxide und 19
Prozent des Feinstaubs in der Hansestadt stammten laut aktuellem
Luftreinhalteplan aus der Belastung der Seeschifffahrt. Obwohl die
Konzerne durch eine Ausflaggung in Billigstaaten wie Malta, Bahamas
oder Liberia jährlich hunderte Millionen Euro an Steuern sparen, ist
ihnen eine Landstrom-Nachrüstung ebenso zu teuer wie die höheren
Kosten für Strom aus dem Netz. Den Preis dafür zahlen die Hamburger
Bürger mit erheblichen Gesundheitsschäden", so Malte Siegert, Leiter
Umweltpolitik beim NABU Hamburg.
Hintergrund der Umstellung der Rankingsysthematik in diesem Jahr:
Erstmals erhielt der NABU in diesem Jahr die Daten für das
Kreuzfahrt-Ranking aggregiert über den Kreuzfahrt-Dachverband CLIA
anstatt gesondert von den einzelnen Anbietern. Der Verband agierte
dabei offenbar bewusst mit falschen Zahlen. Laut CLIA sollen bereits
23 Schiffe mit Rußpartikelfiltern ausgerüstet sein, auf Nachfrage
konnte CLIA allerdings kein einziges benennen. Besonders dreist
präsentierte sich Royal Carribean mit der Behauptung, auf zwölf
Schiffen Rußpartikelfilter mit einer Reduktionsleistung von 95
Prozent im Einsatz zu haben. Tatsächlich fährt nicht ein einziges
Schiff des Unternehmens mit dieser Technik.
Besonders kreativ zeigte sich die CLIA auch in der Erfindung von
Phantasietechniken wie einem "washwater particle filter", zu dem
keine Suchmaschine Ergebnisse liefert. Damit soll nach Ansicht des
NABU besonderes Umweltengagement vorgegaukelt werden - letztlich
verberge sich dahinter vermutlich nicht mehr als ein handelsüblicher
Scrubber zur Reduzierung von Schwefelemissionen, wie er gesetzlich
vorgeschrieben ist.
Kostenfreie Pressefotos:
www.NABU.de/presse/fotos/#kreuzfahrtschiffe
Grafik zum Kreuzfahrt-Ranking 2016:
www.nabu.de/kreuzfahrtranking-2016
Video zur NABU-Messung der Abgase von AIDAprima:
https://youtu.be/z_xol99dGSQ
Kostenfreies Footage zu Kreuzfahrtschiffen und der Messung der
AIDAprima-Abgase: www.nabu.de/presse/audio-und-video
Pressekontakt:
Dietmar Oeliger, Leiter Verkehrspolitik NABU-Bundesverband, mobil:
0172-9201823, E-Mail: Dietmar.Oeliger(at)NABU.de
Malte Siegert, Leiter Umweltpolitik NABU Hamburg, Tel. 040-69708915,
mobil: 0173-9373241, E-Mail: siegert(at)NABU-hamburg.de
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