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Experteninterview mit Florian Klampfer, Therapeut für Paar- und
Einzelberatung, Coaching und Supervision
Können 36 persönliche Fragen und vier Minuten Blickkontakt die
Gefühle zwischen zwei Menschen verändern? Im Rahmen eines sozialen
Experiments hat die Deutsche Bahn (DB) den Test gemacht und vier
langjährige Paare zu einer besonderen Bahnfahrt eingeladen. In
intimer Atmosphäre haben sich die Teilnehmer auf das Wagnis
eingelassen, begleitet wurden sie dabei von Paar- und Einzeltherapeut
Florian Klampfer. Im Gespräch mit der Deutschen Bahn erzählt der
Beziehungsexperte, wie er die Paare während des Experiments erlebt
hat und verrät sein Geheimrezept für eine lange, glückliche
Beziehung.
Herr Klampfer, Sie haben das Paarexperiment der Deutschen Bahn
begleitet - was haben die Fragen und der Blickkontakt bei den
Teilnehmern bewirkt? Haben Sie Veränderungen bei den Paaren
wahrgenommen?
Als Beobachter war es bewegend zu sehen, wie sich Paare, die seit
langem zusammen sind, plötzlich neu und auf eine andere Art
wahrnahmen. Die Teilnehmer selbst waren sowohl von den Antworten
ihrer Partner auf die Fragen als auch von der Nähe, die durch das
Experiment entstand, überrascht.
Wie erklären Sie sich das?
Das liegt natürlich zum einen daran, weil sich Paare die oft sehr
tiefgehenden Fragen im Alltag nicht stellen und zum anderen, weil sie
ihr Gegenüber immer wieder neu wahrnehmen müssen. Das ist übrigens
die größte Herausforderung für Paare: den anderen so zu sehen, wie er
ist und nicht so wie er einmal war oder wie sie ihn haben möchten.
36 Fragen und vier Minuten Blickkontakt: Kann man sich tatsächlich
mit solch einfachen Mitteln neu ineinander verlieben?
Die Liebe ist ein empfindsames Wesen, das gepflegt und genährt
werden will. Nahrung erfährt Liebe durch Aufmerksamkeit, Neugierde
und bewusstes Aufeinandereinlassen. Im Alltag ist das jedoch oftmals
eine große Herausforderung, da es immer etwas gibt, was scheinbar
erst einmal erledigt werden muss. Dementsprechend erfordert es
Klarheit und Energie, sich immer wieder dieser Liebespflege zu
widmen. Und ja, wenn wir dies tun, kann sie wachsen und wir können
beim anderen immer auch Neues entdecken, in das wir uns verlieben
können.
Sie haben täglich mit Paaren zu tun, die bei Ihnen Unterstützung
zur Lösung von kleinen und großen Alltags- und Beziehungsproblemen
suchen. Gibt es denn aus Ihrer Sicht ein besonderes Geheimrezept für
glückliche, langjährige Liebesbeziehungen?
Ja, das gibt es. Aber anders als viele denken, ist es nichts
Geheimnisvolles. Im Gegenteil: Es sind die kleinen Dinge im Alltag,
mit denen wir unsere Beziehung aufrechterhalten.
Zum einen ist es wichtig, auch nach vielen gemeinsamen Jahren eine
Achtsamkeit für den Partner beizubehalten. Selbst wenn ich denke,
alles über ihn zu wissen, sollte ich meinen vertrauten Partner öfter
mal so betrachten, als ob ich ihn gerade erst in einer Kneipe
kennengelernt hätte. Zum anderen dürfen wir nichts in der Beziehung
als selbstverständlich hinnehmen, sondern müssen dem, was wir
bekommen, immer wieder Wertschätzung entgegenbringen. Paare neigen
dazu, den jeweils anderen für das eigene Wohlbefinden verantwortlich
zu machen. Das sorgt nicht selten für Unmut in Beziehungen. Für ein
entspanntes Verhältnis ist es wichtig zu akzeptieren, dass wir den
Partner nicht ändern können. Wir können uns nur selbst verändern und
somit auch eine Entwicklung der Beziehung bewirken.
Nehmen wir uns tendenziell zu wenig Zeit füreinander, je länger
wir unseren Partner kennen?
Ja, leider! Wir nehmen uns für alles Zeit, was Alltag, Planung,
Arbeit etc. angeht. Erst wenn alles andere abgearbeitet ist, widmen
wir uns einander. Leider kommt es aber selten bis gar nicht zu diesem
Punkt, da immer noch etwas erledigt werden muss. Je länger wir uns
kennen, desto weniger glauben wir, etwas Neues beim anderen zu
entdecken und desto weniger Lust haben wir, gemeinsam Zeit
miteinander zu verbringen. Ein Teufelskreis. Mein Tipp, machen Sie es
genau umgekehrt! Interesse am anderen schafft Lust und Neugierde und
sorgt dafür, dass es gemeinsame Zeit gibt.
Manchmal lassen die Umstände es nicht zu, viel Zeit miteinander
zu verbringen. Viele Paare leben z. B. in einer Fernbeziehung. Worauf
sollten diese Paare speziell achten?
Die Umstände tragen nie Verantwortung dafür, dass wir uns zu wenig
Zeit nehmen, sondern einzig und allein wir selbst. Auch wenn wir in
unserem Alltag eingespannt sind, haben wir es in der Hand zu
differenzieren, was gerade wirklich wichtig ist. Liebe leidet dann,
wenn es uns nicht gelingt Prioritäten zu setzen. Jeder sollte sich
also fragen, was wirklich wichtig ist und was eben gerade hinten
anstehen kann.
Ob nah oder fern, zusammenlebend oder in zwei unterschiedlichen
Städten. Welche generellen Tipps können Sie Paaren geben, um die
Routinefalle zu umgehen?
Stete Neugierde und anhaltendes Interesse am Partner sind die
beste Prävention gegen Routine. Paare müssen sich Zeit nehmen, um
über das zu reden, was sie gerade beschäftigt - ohne für das
Wohlbefinden des jeweils anderen, vor allem wenn es ihm gerade
schlecht geht, die Verantwortung zu übernehmen. Gleichwohl müssen
beide Partner Verantwortung für die gemeinsame Beziehung übernehmen.
Zur Person
Florian P. Klampfer, Jahrgang 1967, ist Therapeut für Paar- und
Einzelberatung, Coaching und Supervision. In seiner Berliner Praxis
bietet Klampfer Paaren einen lösungsorientierten Ansatz, so dass
nicht den Beziehungsproblemen Raum gegeben wird, sondern Fragen nach
Veränderung im Mittelpunkt stehen.
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