(ots) - Nach den Banken droht nun auch den Versicherungen
offenbar ein "Widerrufsjoker". Nach Angaben von Rechtsanwalt
Jan-Henning Ahrens von der Bremer Kanzlei KWAG - Rechtsanwälte gibt
es eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH), die es Kunden
unter bestimmten Umständen ermöglicht, ihre Lebens- und
Rentenversicherungen aus den Jahren 1994 bis 2007 zu widerrufen (Az.
IV ZR 76/11). "Ein Widerspruch führt zu einer Rückabwicklung, was
bedeutet, dass die Versicherungsnehmer die eingezahlten Beiträge
zurückerhalten", sagt Ahrens. In den meisten Fällen dürfte dann
deutlich mehr für Verbraucher herauskommen, als bei einer
Vertragskündigung. Auch eine Beleihung oder der Verkauf liege oftmals
unter dem Ertrag, der mit einem Widerspruch und der Rückabwicklung
erlangt werden könne. Kunden, die zwischen Ende Juli 1994 und Ende
Dezember 2007 eine Lebens- oder Rentenversicherung abgeschlossen
haben, wurden zum Vertragsabschluss oft nicht alle Unterlagen
vollständig ausgehändigt, sondern erst, als der Versicherungsschein
schon ausgefertigt war. Damit seien nicht alle Voraussetzungen für
eine korrekte Widerrufsbelehrung erfüllt, hat der BGH in einer
Grundsatzentscheidung festgestellt. Mit dem höchstrichterlichen
Urteil können Versicherungsnehmer nun diese Verträge auch nach Jahren
noch widerrufen und rückabwickeln lassen. Ahrens: "Anders als bei dem
Darlehenswiderruf hat der Gesetzgeber hier keine zeitliche Begrenzung
für einen Widerspruch festgelegt."
Nach einer ersten Erhebung der Hamburger Verbraucherzentrale sind
offenbar rund 60 Prozent der Verträge von den gerügten fehlerhaften
Widerspruchsbelehrungen betroffen. Laut einem großen deutschen
Versicherungskonzern könnte das für mehr als 100 Millionen
Versicherungsverträge zutreffen. Für diese Verträge wurden demnach
Prämien von rund 400 Milliarden Euro eingezahlt, die jetzt
zurückgefordert werden können.
Lebens- und Rentenversicherungen werden häufig nicht bis zum Ende
der Laufzeit gehalten. Rechtsanwalt Ahrens schätzt, dass etwa die
Hälfte vor dem vertraglich vorgesehenen Termin gekündigt werden.
Gründe für eine vorzeitige Vertragsbeendigung seien unter anderem
schlechte Renditen oder ein unvorhergesehener Liquiditätsbedarf. In
so einem Fall würden Versicherungsnehmer ihre Lebens- ober
Rentenversicherungen oft vorzeitig kündigen, verkaufen oder beleihen.
"Allerdings meistens mit erheblichen Einbußen." Durch einen
Widerspruch und die Rückabwicklung der Verträge seien
Versicherungsnehmer deutlich besser gestellt. Das Widerspruchsrecht
steht demnach sogar Kunden zu, die ihre Alt-Verträge bereits
gekündigt haben, wenn sie unter die vom BGH genannten Voraussetzungen
fallen.
Laut Ahrens können unter Umständen allerdings von den
Versicherungsunternehmen bestimmte Risiko- und Prämienanteile
gegengerechnet werden. Deshalb sei es sinnvoll, wenn Kunden, die ihre
Lebens- oder Rentenversicherung nicht mehr weiter führen und den
"Widerrufsjoker" ziehen möchten, zunächst die Verträge anwaltlich
prüfen lassen, ob eine Rückabwicklung wegen Mängeln bei der
Widerrufsbelehrung möglich ist.
Der sogenannte Widerrufsjoker hatte es Kreditnehmern bis Mitte des
Jahres ermöglicht, wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrungen aus
bestehenden Darlehensverträgen auszusteigen. Das hatte Banken und
Sparkassen stark belastet, weil so zahlreiche Kunden aufgrund der
gegenwärtigen Niedrigzinsphase aus alten, hoch verzinsten
Kreditverträgen ausgestiegen waren. Der Gesetzgeber hatte daraufhin
über eine Fristsetzung diese Möglichkeit aufgehoben, beziehungsweise
stark eingeschränkt.
Kanzleiprofil:
KWAG - Rechtsanwälte mit Sitz in Bremen gehört zu den größten
ausschließlich im Bank- und Kapitalmarktrecht tätigen
Anwaltskanzleien in Norddeutschland und zählt bundesweit zu den
ersten Adressen in diesem Rechtsbereich. Gründungspartner sind die
Fachanwälte für Bank- und Kapitalmarktrecht Jan-Henning Ahrens und
Jens-Peter Gieschen. KWAG ist auf die Durchsetzung von
Anlegerinteressen ebenso spezialisiert wie auf die Begleitung von
Investitionsentscheidungen, Sanierungsgesprächen und Verhandlungen
mit Banken für klein- und mittelständische Unternehmen. Daneben
stellt die Kanzlei ihre juristischen Kompetenzen auch bei der
anlegerfreundlichen Konzeptionierung von Finanzmarktprodukten zur
Verfügung. KWAG positioniert sich ausschließlich und eindeutig an der
Seite von Kapitalanlegern und Investoren. Die klare Orientierung am
Anlegerinteresse und die langjährige umfassende Erfahrung im
Wirtschafts- und Kapitalanlagerecht machen KWAG zu einem
verlässlichen Partner für private und geschäftliche Mandanten, vor,
während und nach wichtigen Anlageentscheidungen.
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