PresseKat - taz-Kommentar zum Besuch von Bundestagsabgeordneten im türkischen Incirlik

taz-Kommentar zum Besuch von Bundestagsabgeordneten im türkischen Incirlik

ID: 1398467

(ots) - taz-Kommentar von Tobias Schulze zum Besuch von
Bundestagsabgeordneten im türkischen Incirlik

Einmalige Leistung

Ab nach Incirlik, aber zügig! Am Donnerstag genehmigte die Türkei
deutschen Abgeordneten den Besuch der Bundeswehrsoldaten auf der
Luftwaffenbasis. Der Verteidigungsausschuss bereitet die Exkursion
jetzt vor. Hoffentlich gibt er Gas: Je schneller die Reisegruppe
losfährt, desto schneller ist die Affäre abgehakt. Das wäre für alle
Beteiligten besser, denn geglänzt hat in den vergangenen Monaten
keiner von ihnen.

Da wäre zunächst die türkische Regierung. Weil ihr die
Armenienresolution des Bundestags nicht passte, verhängte sie gegen
die Abgeordneten ein Reiseverbot. Allein das zeigt, welche Probleme
die Türkei im Umgang mit der eigenen Vergangenheit hat.

Auch die Bundesregierung hat sich nicht mit Ruhm bekleckert. Um
die Türkei zu besänftigen, distanzierte sie sich in der vergangenen
Woche so halb von der Bundestagsresolution. Das war politisch unklug:
Die Regierung schränkt damit ihre künftigen Handlungsoptionen ein,
indem sie Ankara dazu ermutigt, beim nächsten Konflikt wieder eine
Erpressungsstrategie zu fahren. Und die pragmatischste Außenpolitik
nutzt nichts, wenn sie sich innenpolitisch nicht verkaufen lässt. Ein
Großteil der Wähler sieht in der Distanzierung eine unsouveräne
Unterwerfungsgeste ohne Gegenwert. Eine Bundesregierung, die ohnehin
an Vertrauen verliert, kann sich solche Gesten nicht leisten.

Da wäre, drittens, noch der Bundestag. Genauer gesagt die
Koalitionsabgeordneten, die ein Ultimatum formulierten: Wenn wir bis
zum Herbst nicht nach Incirlik dürfen, werden wir das
Bundeswehrmandat nicht verlängern, drohten sie ... ja, wem
eigentlich?

Die deutschen "Tornados" sind nicht auf Bitten der Türkei in




Incirlik. Eher stellt die Türkei die Luftwaffenbasis auf Bitten der
internationalen Anti-IS-Koalition zur Verfügung. In Wahrheit setzten
die Abgeordneten mit ihrer Drohung also nicht die türkische Regierung
unter Druck, die Armenienresolution endlich zu akzeptieren. Sie
setzen vielmehr die Bundesregierung unter Druck, Ankara möglichst
schnell zu besänftigen.

Anders gesagt: Damit der Bundestag in die Türkei darf, nötigte der
Bundestag die Bundesregierung, von der Resolution des Bundestags
Abstand zu nehmen. Herzlichen Glückwunsch an alle Beteiligten, eine
einmalige Leistung!



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Datum: 09.09.2016 - 15:16 Uhr
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